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Ein Trainer kündigt schon im November an, dass er per Ende Saison gehen wird. Das ist ungewöhnlich. Aber der Entscheid ist zu respektieren. Guy Boucher hat persönliche Gründe für die Rückkehr in seine Heimat. Dass der SCB mit dieser Ankündigung auch gleich das Arbeitsverhältnis auflöst, wäre an und für sich sportlich gut gewesen.
Dass SCB-Manager Marc Lüthi seinen Trainer trotzdem im Amt belässt, ist ebenfalls zu respektieren. Es ist Guy Bouchers Wunsch, bis zum Saisonende für den SCB arbeiten zu dürfen. Dass er bis zum letzten Arbeitstag mit hundertprozentigem Engagement bei der Sache sein wird, steht ausser Frage. Die Berufseinstellung des Kanadiers war, ist und bleibt ohne Fehl und Tadel.
Mit etwas Lust zur Polemik könnten wir jetzt Guy Boucher als «lame Duck» bezeichnen. Die Nordamerikaner pflegen Präsidenten, deren Amtszeit ausläuft, als «lahme Enten» zu bezeichnen. Weil davon ausgegangen wird, dass ein Chef nichts mehr bewegen kann, wenn alle wissen, dass er sowieso geht.
Aber Guy Boucher wird keine «lahme Ente» sein. Ob der Trainer per Ende Saison geht oder nicht, ändert nichts daran, dass er im Trainingsalltag und an der Bande weiterhin uneingeschränkte sportliche Macht ausübt. Wer spielen will, muss den Trainer überzeugen. Gratis gibt es auch weiterhin nichts.
Ja, der SCB ist mit einem Trainer, der seinen Abgang vorzeitig angekündigt hat, schon einmal sehr gut gefahren. Weil Marc Lüthi richtigerweise nicht bereit war, den Vertrag mit Kent Ruhnke schon im Dezember zu verlängern, kündigte der Kanadier am 6. Dezember 2003 verärgert seinen Rücktritt per Saisonende an – und holte mit dem SCB den Titel.
Guy Boucher wie Kent Ruhnke? Nominell ist die teuerste SCB-Mannschaft der Geschichte (sie wird nächste Saison noch teurer sein) durchaus dazu in der Lage, die Meisterschaft zu gewinnen. Aber es gibt zwei Probleme: Guy Boucher und Marco Bührer. Der SCB-Goalie spielt nicht mehr auf dem gleichen Niveau wie 2004 und wird, wie sein Trainer, per Saisonende auch abgelöst. Durch Leonardo Genoni.
Guy Bouchers «Lego-Hockey» der letzten anderthalb Jahre taugt nicht zum Gewinn einer Meisterschaft. Mit seinem Hang zum taktischen Perfektionismus versucht er ein unberechenbares, auf einer rutschigen Unterlage ausgetragenes Spiel in eine berechenbare Wissenschaft zu verwandeln.
Er zerlegt dieses Spiel in seine Einzelteile und baut es, wie Lego-Bausteine, nach seinen Vorstellungen wieder zusammen. Am liebsten hat er taktische Maschinisten. Aber auf diese Weise wird das Spiel für den Gegner berechenbar und langweilig. Es ist so auch schwierig, junge Spieler weiterzuentwickeln. Biels Gaëtan Haas hätte vielleicht noch nicht in Biel verlängert, wenn er früher gewusst hätte, dass Guy Boucher nächste Saison nicht mehr in Bern arbeitet.
Hier ganz kurz etwas Polemik: Um ja nicht eingestehen zu müssen, dass das Engagement von Guy Boucher letztlich wohl als Missverständnis in die SCB-Geschichte eingehen wird, sind intern die Titelambitionen aufgegeben worden. Noch nie in diesem Jahrhundert war das Jammern der SCB-Generäle (deren Namen mir grad entfallen sind) über grössere finanzielle Mittel der Konkurrenz, über die Schwierigkeiten mit einer Mannschaft im Umbruch erfolgreich zu sein, so gross wie in den letzten Wochen.
Ja, einer hat sich sogar verplappert und geklagt, man habe ja nur noch einen «durchschnittlichen Goalie». Na ja, da ist viel Wahrheit dran. Aber ab nächster Saison hat der SCB ja Leonardo Genoni. Ein bisschen mehr sportlicher Stolz wäre erwünscht. Ein Hockeyunternehmen wie der SCB, im Selbstverständnis das Bayern München des Hockeys, darf nur sportliche Erstklassigkeit akzeptieren. Ende der Polemik.
Durch die Ankündigung seines Rücktrittes erhöhen sich nun Guy Bouchers Erfolgsaussichten. Wenn sich alle an seine taktischen Vorgaben halten, wird der SCB nicht Meister. Aber nun wissen alle, dass der Chef per Ende Saison geht. Dieses Wissen führt zwar nicht zu Schlendrian. Denn der wird nicht geduldet. Aber mit ziemlicher Sicherheit zu ein bisschen Mut zu taktischem Ungehorsam, zu einer Prise Kreativität und Unberechenbarkeit. Guy Bouchers «Lego-Hockey» mit einem Lächeln statt steinerner Miene.
Wir dürfen nun spielerisches und taktisches Tauwetter erwarten – und damit steigen die Chancen, dass der SCB Eishockey wieder vermehrt spielt und nicht mehr bloss arbeitet. Dass das Publikum wieder besser unterhalten wird.
Sportchef Sven Leuenberger hat in aller Ruhe Zeit, einen neuen Trainer zu suchen. Der SCB ist wirtschaftlich eines der erfolgreichsten Hockeyunternehmen ausserhalb der NHL, weil alles seine Ordnung hat. Der Wahn, dass alles berechenbar ist, hat sich unter Guy Boucher von den Büros aufs Spiel übertragen.
Das Erfolgsrezept beim SCB war im Grunde schon immer: Durchorganisiert und alles unter Kontrolle neben dem Eis. Aber Mut zu Kreativität, Polemik, Risiko, Leidenschaft und Unberechenbarkeit auf dem Eis. Arno Del Curto wäre der perfekte SCB-Trainer. Aber den bekommt der SCB nicht.
Erstens hat der gerade seinen Vertrag verlängert und zweitens kommt der sicher nicht zum SCB.
Del Curto braucht seinen Freiraum. Er braucht alle Macht, damit er SEINE Vorstellungen umsetzen kann. Er muss sagen können, welche Spieler er will, welche nicht. Und ja, er braucht auch mal eine Saiaon, wo vielleicht schon im Viertelfinale Schluss ist.
Wo ist dieser Freiraum neben den Alphatieren Lüthi, Leuenberger und den 16000 Schnäuzen pro Spiel, welche unterhalten werden wollen? Eben...
Del Curto zu Bern... Nein, sicher nicht.