Manchmal finden wir in heissen Juli-Tagen Hockeywahrheit. In Langenthal verabschiedet sich Präsident Gian Kämpf im Rahmen einer offiziellen Medienkonferenz ohne Essenseinladung vom Projekt eines neuen Stadions. Alle Vorwürfe an die Stadtpolitiker, die es seit Jahren nicht fertigbringen, ein Stadionprojekt aufzugleisen. Spätestens 2031 gehen im Schoren, der Flachland Valascia, die Lichter aus. Swiss-League-Eishockey darf schon früher nicht mehr gespielt werden. Der Baurechtvertrag läuft aus. Abschied von den Plänen einer neuen Arena, keine Perspektiven im alten Stadion – Langenthal steht vor dem «Aus». Es sei denn, es gelingt, die Eitelkeiten zu überwinden. Davon später mehr.
Ein paar Tage später informiert Oltens Präsident Marc Thommen, wie Kämpf ein Baulöwe, aber diplomatischer und politisch schlauer, beim Businesslunch (es gibt im Hotel Arte feinen Hackbraten) über die Lösung des drängendsten Stadionproblems der Oltner: Soeben sei mit dem Bau der neuen Toilettenanlage begonnen worden. Beim ersten Heimspiel gegen Visp sei sie benützbar.
Darüber hinaus seien die Gespräche mit der Stadtregierung (die Stadt besitzt das Stadion) für private Investitionen in der Höhe von 18 Millionen auf guten Wegen. Die Oltner suchen und finden die Nähe zur Stadtpolitik. Sportlich sind die Aussichten gut: Wir sollten es nicht ausschliessen, dass die Oltner im nächsten Frühjahr in der Liga-Qualifikation die SCL Tigers «versenken» werden.
Die Oltner sind also drauf und dran, ihr Stadion auf besten NL-Standard auszubauen und auch neben dem Eis den Wiederaufstieg vorzubereiten. Oltens grösstes Infrastruktur-Problem sind die Toiletten und Langenthal hat bald keinen Hockey-Palast mehr. Was für eine Ironie: Vor ein paar Jahren verhöhnten die Langenthal-Fans beim Derby die Oltner, indem sie im noch nicht renovierten Kleinholz demonstrativ gelbe Bauhelme trugen.
Noch im März 2007 war Olten ganz unten und Langenthal ganz oben: Die Langenthaler gewannen die Qualifikation, Olten schaffte nicht einmal die Playoffs. Und stolz präsentierte Präsident Stephan Anliker eine externe Studie, die Hockey in der höchsten Liga in Langenthal für machbar erklärte. Gelassen konnte er erklären: «Wir wollen aufsteigen, aber wir müssen nicht.» Und unvergessen bleibt, wie Langenthals damaliger Sportchef Reto Kläy (heute Zug) 2010 den Oltnern die Kultausländer Jeff Campbell und Brent Kelly ausgespannt hat.
Da hing der Planungshimmel für ein neues Stadion – die Rede war etwa von einem Palast namens «Mittelland-Arena» – noch voller Geigen. Und während Olten seit dem Abstieg von 1994 die zweithöchste Liga nie mehr zu gewinnen vermochte, hat Langenthal immerhin 2012, 2017 und 2019 den Titel gefeiert. Aber da war von einem Aufstieg schon nicht mehr die Rede.
Inzwischen ist in Langenthal nur noch das Büro mit Geschäftsführer Alex Chatelain (in Bern als Sportchef gescheitert) und Sportchef Kevin Schläpfer prominent besetzt. Die Mannschaft ist, weil das Geld ausgeht, bloss noch ein Schatten der ruhmreichen Tage: Weil Gian Kämpf einen Einstellungsstopp verfügt hat, stehen erst 14 Spieler und noch kein Ausländer unter Vertrag und Sportchef Kevin Schläpfer weilt zurzeit in Florida. Nicht auf Ausländersuche. Sondern in den Ferien. Die Fans in Olten hoffen zu Recht auf hohe Derbysiege in der kommenden Saison.
Dass ein Klubpräsident, der in der Stadt als Baulöwe gilt, sich offiziell von einem Stadion-Neubauprojekt verabschiedet und den Stadt-Politikerinnen und -Politikern den Fehdehandschuh hinwirft, obwohl das alte Stadion (im Besitz der Stadt) keine Zukunft mehr hat. Das ist in unserer Hockeygeschichte ziemlich einmalig.
Der SC Langenthal, lange Zeit eine der besten Hockeyfirmen im Land mit einer Nachwuchsorganisation, die immer wieder formidable Spieler hervorbringt (Noël Guyaz, Sven Bärtschi, Yannick Rathgeb, Luca Christen) und ein Frauen-Team in der höchsten Liga unterhält, hat sich sportlich, wirtschaftlich und politisch in eine Sackgasse manövriert. Eine Rückkehr ins Amateurhockey bis hinunter in die 2. Liga ist nicht mehr auszuschliessen. Es sei denn, die Langenthaler steigen vom hohen Ross herunter und überwinden ihre tief sitzenden Eitelkeiten.
Das Problem: Der Weg ins Nachbardorf scheint weiter zu sein als nach China. Ex-Präsident Stephan Anliker ist ja landesweit vor allem im Fussball als GC-Obmann berühmt geworden. Etwas salopp und stark vereinfacht können wir sagen, dass er seine Retter in China gefunden hat: Die Chinesen haben ihm die notorisch verlustbringenden GC-Anteile abgekauft.
Die Rettung für Gian Kämpf, Stephan Anlikers Amtsnachfolger beim SC Langenthal, läge 8000 Kilometer näher als China. Sozusagen fast im Nachbardorf. Langenthal (rund 15'000 Einwohnerinnen und Einwohner) ist der wirtschaftliche und kulturelle Hauptort des Oberaargaus und liegt am Ausgang des Tales der Langete. Oben im Tal, kurz nach der Quelle des Flusses, liegt das Städtchen Huttwil (rund 5000 Einwohnerinnen und Einwohner). Seit Anbeginn der Zeiten sehen sich die Langenthaler als Herren und verachten die Bauern oben in Huttwil. Diese Eitelkeit zieht sich durch alle sozialen Schichten. Sie ist tief verwurzelt.
Ausgerechnet in Huttwil, in 20 Kilometer Entfernung finden wir die perfekte Lösung für den SC Langenthal. Ein Stadion im Privatbesitz mit zwei Eisfeldern, das mit einer Investition von rund 3 Millionen innert kürzester Zeit (es gibt keine politischen Entscheidungswege) auf allerbesten Swiss-League-Stand ausgebaut werden kann. Alles ist vorhanden: Restaurant, Parkplätze, Dreifachturnhalle. Mehr noch: Hier spielt Hockey Huttwil, letzte Saison Finalist in der höchsten Amateurliga. In Zusammenarbeit mit dem SC Langenthal ist hier im Herzen der Schweiz das perfekte Hockey-Leistungszentrum möglich. Eine enge Zusammenarbeit mit dem SC Bern, Langnau und Biel im Ausbildungsbereich ist machbar. Es gibt sogar Visionäre, die das Mittelland als blühende Hockey-Landschaft sehen: In Huttwil das Ausbildungszentrum, in Olten das Aushängeschild in der höchsten Liga. Warum eigentlich nicht?
Aber eben, die Eitelkeiten. Den SC Langenthal, der Stolz der Herren, ins Stadion der Bauern nach Huttwil verlegen? Nein, nein, nein und nochmals nein. Das wird fast so empfunden wie ein Umzug der ZSC Lions nach Kloten oder von Gottéron nach Düdingen. Allerlei Argumente werden hervorgekramt, warum der Standort Huttwil nicht sinnvoll und machbar sei.
Alles billige Ausreden. Alle, die lauthals verkünden, sie würden niemals – niemals! – in Huttwil oben zu einem SCL-Spiel gehen, werden noch so gerne an den neuen Standort pilgern und staunend feststellen, dass es ja Stadien mit Parkplätzen und einer geräumigen Beiz gibt.
Doch die Zeit könnte die Langenthaler von ihrer Eitelkeit heilen. Weil es, um weiterhin in der Swiss League zu spielen, gar keine Alternative zu einem Umzug nach Huttwil gibt. Und die Geschichte ein Beispiel kennt, dass es Huttwil eben besser kann: 1994 ist die Bank in Langenthal, das traditionsreiche Geldhaus der Langenthaler Herren in einer Fusion mit einer Grossbank verschwunden. Inzwischen ist aus der Bank in Huttwil, der Bank der Bauern, die Clientis Bank Oberaargau geworden: mit einem prunkvollen Sitz im Jurapark, so etwas wie dem Versailles der Oberaargauer Finanzindustrie im Herzen von Langenthal.
Das ist die Lösung: Aus dem SC Langenthal wird nach dem Vorbild der Banken mithilfe des Standortes Huttwil ein SC Oberaargau. Was in den Grundstrukturen in der lokalen Finanzwelt möglich war, müsste doch auch im Sport machbar sein. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Ab 2026 darf im «Hockey-Museum Schoren» nicht mehr Swiss League-Hockey gespielt werden.
Ooooookay
"Formidable Spieler:...Luca Christen"
Oooooooookaay