Der Fall von Ivan Fedotov hat die NHL-Funktionäre aufgeschreckt. Der 25-jährige Goalie, der unlängst einen Vertrag mit den Philadelphia Flyers unterschrieben hatte, wurde von der russischen Militärpolizei wegen angeblicher Wehrdienstverweigerung und dem angeblichen Kauf eines gefälschten Militärausweises verhaftet und auf einen Armeestützpunkt in der Arktis verlegt.
Das liess die Frage aufkommen, ob das auch grösseren NHL-Stars passieren könnte. Wie blank die Nerven liegen, zeigte sich daran, wie rasch sich eine Meldung über Kirill Kaprizov (25) am Mittwochabend ausbreitete. Der Starstürmer der Minnesota Wild soll in seinem Heimatland ebenfalls wegen des Kaufs eines gefälschten Militärausweises gesucht werden und deshalb in die USA geflohen sein.
Mittlerweile ist klar, dass dem nicht so ist. Wie «The Athletic» berichtet, befindet sich Kaprizov immer noch in Russland. Minnesotas General Manager Bill Guerin sagt: «Wir wollen keine Panik verbreiten. Wir sind einfach daran, Informationen zusammenzutragen und herauszufinden, ob an diesen Vorwürfen irgendetwas dran ist.» Es gehe Kaprizov aber gut und er befinde sich bei Freunden und Familie.
Kirills Vater Oleg Kaprizov dementierte noch am Mittwochabend, dass sein Sohn einen gefälschten Militärausweis gekauft habe. Er sei als Student der russischen «Präsidialakademie für Volkswirtschaft und öffentliche Verwaltung» so oder so von der Militärpflicht befreit gewesen. Andere Quellen behaupten jedoch, diese Ausnahme sei Ende Juni abgelaufen und der NHL-Stürmer sei deswegen doch nicht von der Militärpflicht befreit.
Auch wenn sie sich gegen aussen optimistisch zeigen, so lässt sich bei den NHL-Teams dennoch eine gewisse Verunsicherung feststellen. Russische Männer sind verpflichtet, zwischen dem 18. und dem 27. Lebensjahr ein Jahr Militärdienst zu leisten. Für Profisportler – insbesondere in Putins Lieblingssport Eishockey – gab es bislang aber Ausnahmen. Mit der russischen Invasion in der Ukraine scheint sich dies nun aber zu ändern.
Eine ungenannte Quelle sagt gegenüber «The Athletic» allerdings, dass die grossen russischen Namen wie Kaprizov eher auf der sicheren Seite sind: «Kirill hat immer alles gemacht, was Russland von ihm verlangt hat. Die einzige Person, die seine Rückkehr in die USA verhindern könnte, wäre Putin selbst. Wenn Putin sagt ‹bleib›, dann bleibt er auch.»
Die Chancen für ein Machtwort des Präsidenten schätzt die Person zwar als gering, aber nicht als unmöglich ein: «Wenn du ein Exempel statuieren willst, machst du das mit einem Star, nicht mit einem Goalie, der möglicherweise in der AHL landet. Aber ich glaube, dass Kaprizovs Standing in Russland gut genug ist, dass es nicht dazu kommt.»
Dennoch dürften die NHL-Verantwortlichen die Situation von jungen russischen Spielern in den kommenden Wochen und Monaten mit Besorgnis beobachten. Ein ungenannter Ligafunktionär sagt im gleichen Bericht: «Es ist klar, dass Russland seine Stars dazu drängt, das Land nicht zu verlassen. Das betrifft nicht nur Kaprizov.»
Heute Nacht steht der diesjährige NHL-Draft an, bei dem auch diverse russische Nachwuchshoffnungen zur Wahl stehen. Die Teams werden sie wohl zu einem schnellen Wechsel nach Nordamerika zu überreden versuchen. Ansonsten dürften ihre Draft-Chancen rasch sinken. (abu)
Anfängerfehler.