Die erste Runde des diesjährigen NHL-Drafts ging in der vergangenen Nacht über die Bühne. Es gab überraschende Picks, spektakuläre Trades und daneben wurde auch ein wenig Schweizer und ganz viel slowakische Hockey-Geschichte geschrieben.
Der Rest des Drafts steht heute ab 16 Uhr (Schweizer Zeit) auf dem Programm. Doch zuerst werfen wir einen Blick auf die grössten Aufreger der 1. Runde.
Der grösste Aufreger der Draft-Nacht passierte bereits einige Stunden, bevor der erste Pick gewählt wurde. Die Chicago Blackhawks tradeten Alex DeBrincat zu den Ottawa Senators für den Nummer-7-Pick und den Nummer-39-Pick in diesem Draft sowie einen Drittrunden-Pick 2024. DeBrincat galt durchaus als heisser Trade-Kandidat. Dass er Chicago am Ende nur so wenig einbrachte, überrascht am Ende aber doch.
Alex DeBrincat, traded to OTT, is an elite sniper who draws a lot of penalties and creates plenty of offence with his skating, puck skills, and passing. #GoSensGo pic.twitter.com/etZbuUNsz8
— JFresh (@JFreshHockey) July 7, 2022
DeBrincat ist erst 24 Jahre alt und hat bereits zwei Saisons mit mehr als 40 Toren hinter sich. Er wird den Sturm der Senators sofort aufwerten und General Manager Pierre Dorion musste dafür vergleichsweise wenig abgeben. Sogar die Stadt Chicago äusserte sich auf Instagram vom offiziellen Account zur Trade-Ankündigung und bezeichnete diesen als Niederlage.
The city of Chicago has spoken. pic.twitter.com/4pQ62AdK0V
— Alexis Downie (@AlexisDownie_) July 7, 2022
Damit ist auch klar, dass die Blackhawks voll auf einen Rebuild setzen und in den nächsten Jahren unten durch müssen. Doch mehr dazu bei Punkt 4.
Rund zwei Jahre lang galt Shane Wright als sicherer Nummer-1-Pick im NHL-Draft von 2022. Der dynamische Center dominierte seine gleichaltrigen Konkurrenten und überzeugte von Beginn weg in der OHL. Und jetzt das: Wright wurde nicht an erster, zweiter und auch nicht an dritter Stelle im Draft gezogen. Der junge Kanadier fiel drei Plätze nach hinten und landete am Ende bei den Seattle Kraken. Wie kam es dazu?
— hockey images that precede unfortunate events (@UnfortunateHky) July 7, 2022
Die Coronavirus-Pandemie hat Wright sicher mehr geschadet als seiner europäischen Konkurrenz. Die OHL-Saison 2020/21 fiel komplett ins Wasser, weshalb Wright ein Jahr seiner Entwicklung verlor. Dieses Jahr schaffte der Center wohl auch deshalb nicht den Fortschritt, der von ihm erwartet wurde. Gleichzeitig überzeugte der Flügel Juraj Slafkovsky beim historischen Bronzegewinn der Slowakei an Olympia und auch an der WM gegen Erwachsene. Deshalb entschieden sich die Montreal Canadiens mit dem Nummer-1-Pick am Ende für Slafkovsky und machten ihn zum ersten slowakischen Nummer-1-Draft der NHL-Geschichte.
Dass sich die New Jersey Devils wenig später gegen Wright entschieden, hatte eine gewisse Logik. Mit Nico Hischier, Jack Hughes, Dawson Mercer, Jesper Boqvist oder Michael McLeod ist man auf der Center-Position gut aufgestellt und Wunschkandidat Slafkovsky war weg. Da machte es Sinn, sich auf der Verteidigungsposition zu verstärken und Simon Nemec zu draften, der das Potenzial hat, zum Star-Verteidiger zu werden. Nemec ist wie Slafkovsky Slowake und sorgt gemeinsam mit Landsmann Filip Mesar (an 26. Position zu Montreal) für einen absolut historischen Draft aus slowakischer Sicht.
The boys 🇸🇰 @HockeySlovakia pic.twitter.com/vdZQCmU5Fc
— IIHF (@IIHFHockey) July 8, 2022
Dass sich die Arizona Coyotes an dritter Position dann auch nicht für Wright entschieden, kam schon überraschend. Schliesslich ist ihr Draft-Pick Logan Cooley genau wie Wright ein Mittelstürmer. Doch bereits im Vorfeld des Drafts wurde berichtet, dass die «Yotes» mit Cooley gute Gespräche gehabt und ihn als Wunschkandidaten erkoren haben sollen.
So fiel Shane Wright am Ende in die Hände der Seattle Kraken. Für den jungen Stürmer ist das auf den ersten Blick enttäuschend, könnte aber doch gut passen. Bei Seattle hat er die Chance zu spielen, ohne dass ihn riesige Erwartungen erdrücken, schliesslich existiert das Team erst seit einem Jahr. Die Kraken werden den Youngster ebenfalls mit Handkuss nehmen, schliesslich wird ihm immer noch eine sehr gute NHL-Karriere prophezeit. Mit Matty Beniers und Wright dürfte die Mittelachse in Seattle über Jahre herausragend besetzt sein.
Auch für die Schweiz gab es in der ersten Draft-Runde einen schönen Moment. Lian Bichsel wurde an 18. Position von den Dallas Stars gezogen. Damit ist der Verteidiger der erste Schweizer Erstrunden-Draft seit Nico Hischier 2017 und der erst dritte Schweizer Verteidiger überhaupt, der in der ersten Runde gezogen wurde. Die anderen zwei waren Luca Sbisa (2008 an 19. Position von Philadelphia) und Mirco Müller (2013 an 18. Position von San Jose).
The moment Lian became a Star ⭐️ @ATT | #NHLDraft | #TexasHockey pic.twitter.com/OkQPxyzSs4
— Dallas Stars (@DallasStars) July 8, 2022
Dallas ist sicher kein schlechtes Pflaster für einen Verteidiger, haben sie sich in den letzten Jahren doch als Mannschaft mit einer «Defense-first-Mentalität» etabliert. Bis Bichsel den Sprung zu den Stars macht, dauert es aber sicher noch ein oder zwei Jahre. Der Solothurner hat bereits angekündigt, dass er nächste Saison zu Leksands zurückkehren will.
Neben dem Deal von Alex DeBrincat wurden in der Draft-Nacht noch andere wichtige Trades getätigt. Die Montreal Canadiens schickten zuerst Verteidiger Alexander Romanov und den Nummer-98-Pick zu den New York Islanders für den Nummer-13-Pick. Die Enttäuschung wich im Centre Bell aber sogleich grossem Jubel, als verkündet wurde, dass der Nummer-13-Pick wiederum für Kirby Dach von den Chicago Blackhawks getauscht wurde. Liga-Commissioner Gary Bettman genoss es sichtlich, mit den Emotionen des Publikums in Montreal zu spielen.
Damit vertickten die Blackhawks an einem Abend seine zwei besten jungen Spieler für eine Handvoll Draft-Picks. Die nächsten Jahre werden karg in Chicago.
What a run for Stan Bowman!
— Chief (@BarstoolChief) July 8, 2022
2010: Kevin Hayes (declined to sign)
2011: Danault (traded) McNeill(bust)
2012: Teuvo (traded)
2013: Hartman (traded)
2014: Schmaltz (traded)
2017: Jokiharju (traded)
2018: Boqvist (traded)
Beaudin (bust)
2019: Dach (traded)
Ebenfalls interessant ist der Trade von Zack Kassian. Die Edmonton Oilers schickten den Stürmer und gleich drei Draft-Picks zu den Arizona Coyotes im Austausch für einen schlechteren Erstrunden-Pick in diesem Jahr, mit dem sie Reid Schaefer drafteten. Dabei ging es den Oilers nur darum, Kassians Vertrag (3,2 Millionen pro Jahr) loszuwerden – vermutlich, damit sie den Vertrag von Evander Kane verlängern können.
Auch das Goalie-Karussel hat sich in der Nacht auf heute zu drehen begonnen. Startschuss war die Vertragsverlängerung von Marc-André Fleury bei den Minnesota Wild. Der 37-jährige Kanadier unterschrieb für 2 Jahre und 3,5 Millionen pro Saison.
Marc-André Fleury, signed 2x$3.5M by MIN, is a goalie. Sometimes he's really good, sometimes not so much. You know how it goes. #MNWild pic.twitter.com/L3pqmdnnZp
— JFresh (@JFreshHockey) July 7, 2022
In der Folge schnappte sich Stanley-Cup-Sieger Colorado Alexandar Georgiev von den New York Rangers in einem Trade für drei mittlere Draft-Picks. Dies bedeutete wiederum, dass Darcy Kuemper, einer der besten Torhüter der vergangenen Saison, nun offiziell auf dem Free-Agent-Markt ist, weil die Avalanche ihn sich nicht leisten können.
Derweil löste Toronto einen Teil seiner Goalieprobleme, indem es Petr Mrazek, der letzte Saison stark enttäuschte, zu den Chicago Blackhawks schickte. Die Priorität von Kyle Dubas wird sein, den vertragslosen Stammkeeper Jack Campbell zu halten.
Petr Mrazek, traded to CHI, had a very unpleasant 2021-22 season. Now let's never speak of his tenure with Toronto again. #Blackhawks pic.twitter.com/cG5sZG47UK
— JFresh (@JFreshHockey) July 8, 2022
Was ist ein Draft-Steal? Ein Spieler, der aus diversen Gründen in den Draft-Rankings runterfällt und deshalb später gezogen wird, als es bei seinem Potenzial eigentlich zu erwarten gewesen wäre. Eine Rolex auf dem Draft-Wühltisch, gewissermassen.
Ein solcher könnte natürlich Shane Wright für die Seattle Kraken sein, wie wir bereits abgehandelt haben. Einen lange sicher geglaubten Nummer-1-Pick an vierter Position zu draften, ist unfassbares Glück.
Darüber hinaus könnte auch Nashville ein gutes Händchen bewiesen haben. An 17. Position drafteten sie den finnischen Flügelstürmer Joakim Kemell, der in keinem wichtigen Draft-Ranking weiter hinten als an zwölfter Stelle geführt wurde. Der Grund, warum die NHL-Teams bei Kemell skeptisch waren, ist klar: Er ist nur 1,77 Meter gross. Doch die letzten Jahre zeigten, dass sich auch kleinere Stürmer in der NHL problemlos durchsetzen können.
Welcome to SMASHVILLE! pic.twitter.com/6lccCUWPrW
— Nashville Predators (@PredsNHL) July 8, 2022
Ein anderer guter Pick könnte Frank Nazar sein. Der US-Stürmer wurde von den Chicago Blackhawks an 13. Stelle gedraftet. Gewisse Scouts sahen Nazar insbesondere wegen seiner Skating-Qualitäten gar in den Top-5 des Drafts.
👍👍 @Bürglermeister für die Übersicht!