Die grosse, die berechtigte Sorge nach der Erhöhung von vier auf sechs Ausländer: Was wird aus unseren Goalies? Werden sie ihre Arbeitsplätze an die starke ausländische Konkurrenz verlieren? Das wäre für unser Nationalteam fatal.
Die erfreulichste Erkenntnis des Hockey-Herbstes 2023: Die Schweizer Goalies spielen in der zweiten Saison mit der neuen Ausländer-Regelung auf Augenhöhe mit der ausländischen Konkurrenz. Ein spektakuläres Beispiel lieferte soeben die Partie Bern gegen Zug. Es war das begeisternde Duell zweier Weltklassegoalies. Der Schwede Adam Reideborn hexte mit einer Abwehrquote von 96,55 Prozent. Zugs Leonardo Genoni hielt mit 96,43 Prozent dagegen, gewann das Penaltyschiessen zu null und Zug siegte nach Penaltys 2:1. Bei Tabellenführer Gottéron, Langnau, Servette, Davos, den Lakers und Ajoie teilen sich Schweizer den Job, oder ist ein Schweizer die klare Nummer 1. Nächste Saison vertraut auch Lugano auf ein helvetisches Duo (Joren van Pottelberghe, Niklas Schlegel).
Die Schweiz kann bei der WM nur mit mindestens einem Weltklasse-Torhüter bestehen. Ja, eigentlich braucht es zwei. Exzellente Statistiken in der National League sind keine Garantie für internationale Tauglichkeit. Internationale Erfahrung ist zwingend erforderlich, um im ganz besonderen Reizklima einer WM im entscheidenden Augenblick die beste Leistung abzurufen. Meisterheld Robert Mayer, Playoff-MVP der Liga und Torhüter des Jahres, musste es bei der letzten WM im Viertelfinal gegen Deutschland auf bittere Weise erfahren.
Bis heute haben bei der WM in der Neuzeit erst drei Torhüter mit Weltklasseleistungen in den Viertel- und Halbfinals die Schweiz zu Medaillen gehext: Martin Gerber und Reto Berra 2013 in Schweden sowie Reto Berra und Leonardo Genoni 2018 in Dänemark.
Dieser trockene Blick zurück weckt Hoffnungen, es sind sozusagen Erinnerungen an die Zukunft: Leonardo Genoni und Reto Berra sind gleich alt (36) und spielen im Herbst 2023 nach einem Jahr Unterbruch wieder konstant ihr bestes Hockey. Nichts spricht dagegen, dass die beiden ihr Weltklasse-Niveau bis über die WM 2026 in Zürich und Fribourg halten können. Reto Berra ist endlich wieder hundertprozentig fit und Leonardo Genoni ist klar besser als im letzten Herbst, als er statistisch zeitweise ein «Lottergoalie» und am Ende der Qualifikation nur die Nummer 15 der Liga war. Dieses leichte Nachlassen hatte Nationaltrainer Patrick Fischer in Versuchung gebracht und zu einem hockeytechnischen Sündenfall geführt: Er setzte im WM-Viertelfinal auf Robert Mayer statt auf Leonardo Genoni. Dieser Irrtum hat uns wahrscheinlich eine Medaille gekostet.
Wir erleben im Herbst 2023 sozusagen die Renaissance der WM-Silberhelden von 2013 und 2018. Das zeigt sich nun im Aufgebot für das Vierländerturnier im November in Tampere. Nationaltrainer Patrick Fischer bietet für die Partien gegen Finnland (9. November), Schweden (11. November) und Tschechien (12. November) Reto Berra, Sandro Aeschlimann und Joren van Pottelberghe auf. Beim Heimturnier im Dezember mit den Spielen gegen Schweden (14. Dezember), Tschechien (16. Dezember) und Finnland (17. Dezember) in Zürich kommen dann voraussichtlich Leonardo Genoni und Robert Mayer zum Zuge. Nach dem Verzicht auf die letzte WM aus gesundheitlichen Gründen ist Reto Berra wieder zurück im Nationalteam.
Und damit spricht vieles für ein WM-Duo Leonardo Genoni/Reto Berra. Wer die Nummer drei sein wird, ist unerheblich.
Auf dem Goalie-Karussell ist der wichtigste Platz zwar besetzt (Joren van Pottelberghe wechselt auf nächste Saison nach Lugano). Aber es wird noch immer ein bisschen gepokert: Reto Berra spielt sein bestes Hockey und dominiert die meisten Statistiken. Aber pokern ist für ihn nicht ganz einfach: Bei Kloten läuft zwar der Vertrag von Juha Metsola aus und eine Rückkehr ins Züribiet (er ist bei den ZSC Lions ausgebildet worden) hätte für Reto Berra durchaus ihren Reiz. Aber seine Verpflichtung würde in Kloten die interne, bisher seit dem Wiederaufstieg eingehaltene interne Salärlimite von 300'000 Franken brutto sprengen. Und Lausanne hat für nächste Saison mit Connor Hughes und Ivars Punnenovs schon zwei teure Goalies unter Vertrag. Gottérons Trainer und Sportchef Christian Dubé darf zuversichtlich sein.
Der interessanteste Platz in den hinteren Reihen ist bei Ambri zu vergeben: Dort spielt Benjamin Conz mit auslaufendem Vertrag auf Augenhöhe mit Janne Juvonen. Wechselt Benjamin Conz zu Ajoie und verlängert Davos mit Gilles Senn nicht, dann ist es durchaus möglich, dass Gilles Senn nächste Saison bei Ambri im Tor steht. Sein Agent hat jedenfalls in der Sache schon mal seine Aufwartung bei Sportchef Paolo Duca gemacht.