Der SC Bern siegt in Biel 4:1. Aber weder SCB-Cheftrainer Guy Boucher noch Biels charismatischer Hockey-Gott gefragt. Alle Chronisten (Chronistin war keine da) wollen nach dem Spiel nur einen Mann sprechen: Gerd Zenhäusern (42). Denn er ist Fribourgs neuer Cheftrainer.
Wie es sich für Gottéron gehört, wird der Trainerwechsel als Spektakel inszeniert. Ja, es war einer theateralischsten Führungswechsel der 20 Jahre. Erst nach dem Spiel gegen Fribourg wird das Engagement von Gerd Zenhäusern offiziell mit Vertrag bis Ende nächster Saison bestätigt und um 22.22 Uhr wird die entsprechende Medienmitteilung in die verschiedenen Buchstabenbüchsen versandt.
Aber die ganze Hockeywelt weiss längst, wie der neue Chef Gerd Zenhäusern heisst. Deshalb passen nach dem Spiel alle vor Biels Kabinentüre Gerd Zenhäusern ab wie die Katze vor dem Mauseloch.
Der Mann, auf dem Gottérons Hoffnungen ruhen, gibt mit bemerkenswerter Gelassenheit in französischer und deutscher Sprache ausführlich Auskunft. Der Sonntag ist erst einmal für Medientermine reserviert, am Abend ist er im Studio des welschen Staatsfernsehens eingeladen und erst am Montag beginnt seine Arbeit.
Er wird am Montagvormittag erstmals in der Kabine auftreten und dann die Mannschaft trainieren. «Ich habe mich noch auf meine Arbeit in Biel konzentriert. Ich verdanke den Bielern viel und ich wollte hier einen sauberen Abgang.» Er habe seit Freitag gewusst, dass es wohl klappen wird und sich schon etwas mit Gottéron befasst. Weil er sowieso für Biel das Spiel gegen Bern vorbereiten musste, hat er sich vor allem mit dem Video der Partie Gottéron gegen Bern (1:4) ein Bild gemacht.
Hans Kossmanns Assistent René Matte wird auch der engste Mitarbeiter von Gerd Zenhäusern sein. Offen ist nach wie vor, wer den Job des Sportchefs übernimmt. Gerd Zenhäusern wird dieses Amt, anders als sein Vorgänger Hans Kossmann, nicht zusätzlich übernehmen. Bis auf weiteres kümmert sich Gottérons Direktor Raphael Berger in Zusammenarbeit mit seinem neuen Trainer um die technischen Belange.
Was ist das Problem bei Gottéron? «Es wird meine Aufgabe sein, das herauszufinden» sagt Gerd Zenhäusern. Er verzichte auf Ratschläge von links und rechts. «Ich will in Gesprächen selber sehen, was das Problem ist.» Eine Erklärung hat er noch nicht, wie eine so gute Mannschaft, die doch im Saisonstartspiel die meisterlichen ZSC Lions gebodigt hatte, nun so ausser Form geraten konnte.
In Lausanne hatte er als Nachfolger des grantigen John van Boxmeer Erfolg. Er übernahm das Team im Oktober 2012 auf Platz 7 und stieg im Frühjahr 2013 auf Kosten von Langnau in die NLA auf. Eine ähnliche Ausgangslage wie jetzt bei Gottéron als Nachfolger des grantigen Hans Kossmann? «Ich will nicht die Arbeit meines Vorgängers werten. Es könnte aber schon gewisse Parallelen geben.»
Gerd Zenhäusern ist kein charismatischer Bandengeneral wie sein bisheriger Chef Kevin Schläpfer. Eher ein bestimmt und zielstrebig arbeitender «Beruhiger», eigentlich der perfekte Mann, um ein aufgewühltes, emotional aus den Fugen und spielerisch aus den Geleisen geratenes Team wieder in die Schlittschuhe zu stellen. «Ich habe sehr viel von Kevin gelernt und wir haben eigentlich in allen wesentlichen Hockey-Dingen die gleiche Meinung, ja, wir waren fast zu harmonisch.»
Sein Führungsstil sei aber anders. «Wie Kevin entscheide ich viel aus dem Bauchgefühl heraus. Aber er ist zeigt viel mehr Emotionen als ich.» Immerhin ist er in Biel sozusagen beim «Hockey-Gott» in die Lehre gegangen. Er wehrt ab. «Dieser Titel ist für Kevin reserviert und ich hoffe sehr, dass er noch lange Erfolg hat. Ich kann und will kein Hockeygott sein.» Aber wenn er Erfolg hat und die Playoffs mit jetzt acht Punkten Rückstand auf den Strich doch noch erreicht, wird er bei Gottéron trotzdem ein «Hockey-Gott». Ob er will oder nicht.
Gerd Zenhäusern spricht fliessend französisch und deutsch – eine Voraussetzung um in Fribourg Erfolg zu haben. Mit einigen Spielern – wie Julien Sprunger und Thibaut Monnet – hat er in Fribourg noch gespielt. Er sagt, er sei hoch motiviert und werde voller Energie an seine neue Aufgabe herangehen.
Gottérons neuer Chef hat sich nach dem Spiel gegen den SC Bern in der Kabine von den Bielern verabschiedet. Einige werden schon ein bisschen Zeit brauchen, um die plötzliche Trennung zu verarbeiten. Verteidiger Kevin Fey wartet im Kabinengang, bis sein ehemaliger Vizechef die Interviews beendet hat, dann drückt er ihm die Hand, umarmt ihn kurz und sagt sichtlich gerührt: «Danke für alles und viel Glück.»
Gottéron hat den Trainerwechsel zwar theateralisch inszeniert hat. Aber Sportchef Martin Steinegger sagt, Gottéron habe sich korrekt verhalten. «Wir sind zuerst angefragt worden, ob es erlaubt sei, mit Gerd Zenhäusern zu verhandeln und erst als wir das okay gegeben haben, hat ihn Gottéron kontaktiert.» Er sagt, es hätte keinen Sinn gemacht, Gerd Zenhäusern diese Chance zu verbauen. «Wir sind nun mal ein Ausbildungsclub...» Gottéron hat Biel für Zenhäuserns Freigabe eine Ablöse bezahlt.