Christian Marti ist ein Titan mit einer NHL-Postur (193 cm/97 kg), der mit den «bösen Hunden» auf nationaler und internationaler Ebene bellen kann. Er bringt eine seltene Kombination von Wucht, Kraft, Intelligenz und Beweglichkeit aufs Eis. Er ist die defensive Nummer 1 bei den ZSC Lions, wäre es in jeder anderen Mannschaft der Liga auch und bewährte sich zuletzt auch bei der WM. Der Junior aus Kloten war zur Weiterbildung zwei Jahre im Welschland (bei Servette) und zur Abhärtung zwei Jahre in Nordamerika ehe er 2016 zu den ZSC Lions gekommen ist.
Am 29. März ist er 30 geworden. Sein Vertrag läuft Ende Saison aus und er hatte zwei Optionen: Wäre er ein hoffnungsloser Romantiker, dann würde er ab nächster Saison für die SCL Tigers verteidigen. Er hat eine Sensibilität für Gotthelf-Romantik und als Bub oft die Ferien im Emmental verbracht. Aber er ist kein hoffnungsloser Romantiker. Sondern ein smarter Realist. Und so hat er nun bei den ZSC Lions vorzeitig bis 2028 verlängert.
Sportchef Sven Leuenberger hat also seine wichtigste Schweizer Personalie noch vor dem Start zur neuen Saison unter Dach und Fach gebracht. Ein Risiko geht er mit dieser Prolongation nicht ein: Christian Marti hat nun bei den ZSC Lions «lebenslänglich» und wir sollten eine Verlängerung im Frühjahr 2028 nicht ausschliessen: Er wird dann 35 sein. Für einen so smarten Verteidiger noch kein Alter.
Gut, dass diese enorm wichtige Personalie erledigt ist. Denn der tüchtige ZSC-Sportchef muss sich nun um die Goalie-Frage kümmern: Jeffrey Meier (25) fällt verletzungshalber voraussichtlich bis mindestens zur Weihnachtspause aus. Er ist von seiner Berufseinstellung her so etwas wie die ZSC-Antwort auf Martin Gerber: 2020 noch bei Dübendorf in der 1. Liga und nie an einer Junioren-WM. Aber er hat fehlendes (oder übersehenes?) Talent mit enormem Einsatz und vielen Zusatzschichten kompensiert (fast wie einst Martin Gerber) und ist mit einem Einjahresvertrag bei den ZSC Lions belohnt worden.
Die Nummer 1 ist der tschechische Weltklasse-Goalie Simon Hrubec (32). Aber alle Qualifikationspartien kann er nicht bestreiten und je öfter er zwischen September und Anfang März durch die Nummer 2 entlastet wird, desto frischer wird er in den Playoffs sein.
Wer kann ihn nun nach dem Ausfall von Jeffrey Meier hin und wieder ersetzen? Robin Zumühl (24). Er ist zumindest für die nächsten Monate temporär zur Nummer 2 befördert worden. Er war letzte Saison die Nummer 1 im Farmteam. Die ZSC Lions haben ihn ausgebildet. Ob er gut genug ist für die National League, wird sich nun weisen.
Die ZSC Lions mahnen ein wenig an einen offensiven Ferrari mit abgewetzten Reifen: Sie haben eine offensive Breite wie kein anderes Team der Liga. Aber nur einen Torhüter (Simon Hrubec), der Siege zu stehen vermag. Die Konkurrenz mit ausländischen Goalies hat vergleichsweise Schweizer Titanen als Nummer zwei: Joren van Pottelberghe (Biel), Niklas Schlegel (Lugano), Philip Wüthrich (Bern) oder Benjamin Conz (Ambri) und Sandro Zurkirchen (Kloten).
Fällt Simon Hrubec aus, brauchen die ZSC Lions unverzüglich als Ersatz einen ausländischen Torhüter. Im Falle eines Falles wird Sven Leuenberger gefordert sein: Ausländische Goalies mit der Kragenweite von Simon Hrubec sind während einer laufenden Saison schwierig zu finden.
Wenn sie dann halt 2, 3 Spiele mit dem 2. Goalie verlieren, wird die Welt nicht zusammenbrechen. In den Playoffs wird eh nur noch Hrubec spielen.
So nebenbei bemerkt: Conz, Wüthrich oder Zurkirchen als Titanen zu bezeichnen ist wohl eher der Notwendigkeit geschuldet, eine vernüftige Erklärung zu finden, als der Realität.
Und: Sollte bei einem anderen Verein der ausländische Goalie ausfallen, haben sie genau das gleiche Problem wie der ZSC auch hat.
Wie gesagt: man kann die Probleme auch suchen, resp. erfinden!
Heute ist also schon fast jeder ein Titan scheint mir.