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Das Ziel ist erreicht: Vladimir Petkovic hat die Schweizer Fussball-Nati an die EM 2016 in Frankreich geführt. Damit hat sich sein Vertrag automatisch bis nach der Endrunde im kommenden Sommer verlängert. Und was passiert danach? Wird Petkovic die Schweiz auch in der Qualifikation für die WM 2018 in Russland betreuen? Vieles deutet darauf hin.
Nach dem 7:0 gegen San Marino und der damit verbundenen Qualifikation für die EM 2016 hatten sowohl Petkovic als auch der Verband zum Thema geschwiegen. Bis am Samstag: In einem Interview mit der Tribune de Genève ist der 52-jährige Nati-Coach nun in die Offensive gegangen. Auf die Frage, ob er die Schweiz an die WM 2018 führen wolle, antworte er ohne Umschweife: «Ja, natürlich will ich das!»
Offenbar ist auch der Verband gewillt, mit Petkovic weiterzumachen. Der Sonntags Blick will wissen, dass erste Gespräche über eine Vertragsverlängerung «sehr konstruktiv» verlaufen sind. Noch vor Weihnachten soll der neue Zweijahresvertrag unterschrieben werden.
Tinte trocken, alles gut? Moment! Macht es überhaupt Sinn, mit Petkovic bereits jetzt zu verlängern? Wir haben vier Gründe, die dafür und vier Gründe, die dagegen sprechen.
8 Siege, 2 Unentschieden und 3 Niederlagen: Vladimir Petkovic hat als Nachfolger die Arbeit von Ottmar Hitzfeld nahtlos weitergeführt und die Schweiz als Gruppenzweiter an die EM 2016 geführt. In einer Gruppe mit England, Slowenien, Estland, Litauen und San Marino war das Erreichen dieses Minimalziels zwar erwartet worden, aber eine Selbstverständlichkeit ist das nie: Holland kann gerade ein Lied davon singen.
Eigentlich läuft ja alles nach Plan. Petkovic hat in seinen ersten beiden Jahren als Nati-Trainer keine groben Fehler gemacht und die Verbandsbosse wissen, was sie an ihm haben. Die EM abzuwarten und erst dann über eine Vertragsverlängerung zu entscheiden, wäre jetzt das falsche Zeichen und würde nur unnötige Unruhe rund um die Nati entstehen lassen.
Würde der SFV erklären, dass man nicht mit Petkovic weitermachen will, müsste innert nützlicher Frist ein Nachfolger präsentiert werden. Dass der Verband dabei nicht immer ein glückliches Händchen hat, bewies er zuletzt bei der Suche nach einem Hitzfeld-Nachfolger. Damals machte man Marcel Koller zum grossen Favoriten und musste nach dessen Absage Petkovic als Kandidat 1B präsentieren.
Ausserdem fehlen momentan auch die Alternativen: Der erwähnte Koller avanciert in Österreich gerade zur Kultfigur und wird seine Mannschaft nach der erfolgreichen EM-Quali nicht Knall auf Fall verlassen. Für Lucien Favre käme ein Angebot nach seinem überhasteten Abgang in Gladbach wohl zu früh. Pierluigi Tami blüht als Klubtrainer bei GC gerade so richtig auf und gegen Murat Yakin spricht nicht nur sein gescheitertes Ausland-Abenteuer in Moskau, sondern auch sein Rauswurf als Meistertrainer beim FC Basel und die einhergehenden Gerüchte um menschliche Defizite.
Nein, puren Resultat-Fussball kann man Petkovic und seiner Nati nicht vorwerfen. Anders als noch unter Ottmar Hitzfeld spielt die Schweiz mittlerweile in fast jedem Spiel bedingungslos nach vorne. Sogar beim 0:2 gegen England im Wembley hatte die Schweiz mehr Ballbesitz als der Gastgeber.
Natürlich garantiert die taktische Ausrichtung allein noch keine Siege, aber die vorgegebene Richtung stimmt. Die attraktive Spielweise gefällt nicht nur den Spielern, sondern auch den Fans, die in den Jahren zuvor nicht immer bedingungslos hinter der Nati standen.
Die Schweizer Nati hat unter Petkovic ihr Ziel, die EM 2016 erreicht. Nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. Ohne Last-Minute-Tore wie gegen Litauen und Slowenien wäre es eng geworden, dabei hat die Nati doch den Anspruch an sich selbst gestellt, bald möglichst mit den grossen Fussball-Nationen auf Augenhöhe zu spielen. Davon war in der EM-Quali wenig zu sehen: Gegen England, das bei einem grossen Turnier zuletzt 1990 zu den besten vier Teams gehörte, blieb man zweimal absolut chancenlos. Trotz mehr Ballbesitz ...
Das Aufgebot für die Testspiele gegen die Slowakei und Österreich in der nächsten Woche hat es wieder einmal deutlich gemacht: Petkovic fehlt der Mut zur Veränderung. Keinen einzigen Neuling hat er aufgeboten. Mit Josip Drmic, Gökhan Inler und Valon Behrami hält er dagegen an Spielern fest, die seit Wochen ihrer Form weit hinterher laufen.
Die zweite und dritte Garde erhält dagegen kaum eine Chance, sich zu beweisen: Valentin Stocker oder Super-League-Aufsteiger Luca Zuffi scheinen in Petkovics Überlegungen keine grosse Rolle zu spielen. Natürlich ist es nicht verkehrt, formschwache Spieler nicht gleich fallen zu lassen. Sie über die Schmerzgrenze hinaus zu stützen und die Nati als Spielpraxis-Oase zu missbrauchen, kann aber auch keine Lösung sein.
Trotz seiner unaufgeregten Art reagierte Petkovic in seinen ersten zwei Jahren als Nati-Trainer auf Kritik nicht sehr souverän. Immer wieder monierte er die negative Berichterstattung der Medien, holte zum Rundumschlag aus und beklagte die mangelnde Wertschätzung seiner Arbeit. Die Dünnhäutigkeit färbt auch auf sein Team ab, das ohnehin den Hang hat, sich selbst zu überschätzen. Petkovic wäre deshalb gut beraten, Kritik von aussen weniger nah an sich heran zu lassen und sich nur vor seine Mannschaft zu stellen, wenn es auch wirklich angebracht ist.
Wir schauen derzeit etwas neidisch nach Osten: Während bei uns die EM-Qualifikation eher nüchtern als euphorisch zur Kenntnis genommen wurde, ging bei den Österreichern so richtig die Post ab. Das letzte, bedeutungslose Quali-Spiel orchestrierte man als riesengrosse Party, ausgelassen wurde der Erfolg gefeiert und Fans wie Spieler hatten danach das Gefühl: Hier wächst etwas Grosses heran.
Das ist auch der Verdienst von Marcel Koller. Anders als bei Petkovics Nati hat man in Österreich das Gefühl, dass Koller und seine Mannschaft eine verschworene Einheit sind, die ein gemeinsames Ziel haben: In Frankreich den grossen Coup zu landen. Petkovic dagegen wirkt nicht wie ein Motivationskünstler, steht mit seiner unaufgeregten Art dafür, die Erwartungen tief zu halten und erst einmal das Minimalziel zu erreichen. So sind aber leider keine Sommermärchen möglich – und ein solches würden wir alle auch gern einmal erleben.