Sport
Fussball

«Xhaka und Shaqiri sollen für die Schweiz spielen!»

Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka: Dürften sie bald. 
Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka: Dürften sie bald. Bild: ANDRES STAPFF/REUTERS

Kosovos Botschafter: «Xhaka, Shaqiri und Behrami sollen für die Schweiz spielen»

Seit Dienstag ist der Kosovo Mitglied in der UEFA. Was bedeutet das für die Schweiz? Auf Spurensuche beim Botschafter und beim Präsidenten des kosovarischen Fussballverbands.
08.05.2016, 09:2708.05.2016, 09:46
etienne wuillemin / schweiz am sonntag
Mehr «Sport»

Die Erleichterung ist grenzenlos am vergangenen Dienstag in Pristina. Es ist der Tag, an dem der Fussballverband Kosovo in die UEFA aufgenommen wird. «Die Menschen strömten auf die Strasse. Eine riesige Party. Unglaubliche Szenen.»

Mustafe Dzemaili ist der kosovarische Botschafter der Schweiz. Auch er ist am Dienstag in Pristina. Wegen der Arbeit, nicht wegen des Fussballs, aber das hindert ihn nicht, mit Freude zu erzählen über ein Ereignis, das weit über den Sport hinausgeht. «Dieser Entscheid stärkt das Selbstbewusstsein des ganzen Kosovo. Er hilft, dass sich die Leute nicht mehr minderwertig vorkommen. Und wahrscheinlich wird auch die Wirtschaft profitieren.»

«Niemand spielt gegen Albanien oder gegen den Kosovo. Sondern es sind Spieler, die für eine Mannschaft spielen.»
Kosovos Botschafter Dzemaili

Was aber bedeutet der Entscheid sportlich? Bis anhin durfte das Nationalteam des Kosovos nur Freundschaftsspiele austragen. Das scheint vorüber. Sollte auch die FIFA den Kosovo auf nehmen an ihrem Kongress nächsten Freitag, scheint der Weg frei, um an der WM-Qualifikation teilzunehmen.

Aus Schweizer Sicht gibt es eine drängende Frage: Gibt es für Nationalspieler mit kosovarischen Wurzeln wie Shaqiri, Xhaka oder Behrami die Möglichkeit, einen Nationenwechsel zu beantragen? Noch gibt es dafür keine verbindliche Regelung. UEFA und FIFA schieben sich den Ball gegenseitig zu. Niemand äussert sich.

Hast du Angst, dass Schweizer Nati-Spieler jetzt zum Kosovo wechseln?

Der Präsident des kosovarischen Fussball-Verbands heisst Fadil Vokrri. Auch in seiner Stimme schwingt die Freude mit. «Echte Wettkämpfe sind für die Motivation all unserer Spieler extrem wichtig.» Und er fügt an: «Wenn ein junger Mann eine Frau kennen lernt, ist der Reiz auch verschwindend klein, wenn er von Anfang an weiss, dass es ihr verboten ist, sich auf Männer seiner Herkunft einzulassen. In etwa so ging es dem kosovarischen Fussball bisher.»

Fadil Vokrri, der Präsident des kosovarischen Fussballverbands.
Fadil Vokrri, der Präsident des kosovarischen Fussballverbands.
Bild: LASZLO BALOGH/REUTERS

«Niemand ist ein Verräter»

Sowohl Funktionär Vokrri wie auch Botschafter Dzemaili sind sich bewusst, worüber sich Schweizer nun Gedanken machen. Vokrri sagt: «Wir sprechen nicht darüber, mit welchem Team wir künftig antreten. Es gibt viele Spieler, die sind an der EM engagiert. Das wäre ihnen gegenüber nicht korrekt.»

«Shaqiri, Xhaka und Behrami haben sich entschieden und sollten dazu stehen.»
Kosovos Botschafter Dzemaili.

Dezidierter äussert sich Botschafter Dzemaili: «Egal, wie die Regelungen aussehen, Xhaka, Shaqiri oder Behrami sollten weiterhin für die Schweiz spielen. Sie haben sich entschieden und sollten dazu stehen.» Hingegen möchte er jungen Spielern mit kosovarischen Wurzeln, die in der Schweiz geboren sind und aufwachsen, keinen Ratschlag geben. «Jeder muss sich die Fragen selbst stellen. Aber ich halte es für wichtig, dass niemand gegen seine eigene Überzeugung entscheidet, um anderen einen Gefallen zu tun.»

Xherdan Shaqiri soll weiterhin für die Schweiz spielen.
Xherdan Shaqiri soll weiterhin für die Schweiz spielen.
Bild: Darko Bandic/AP/KEYSTONE

Die kosovarische Botschaft in Bern ist nur wenige Schritte vom Bundeshaus entfernt. Das Büro von Mustafe Dzemaili ist schlicht eingerichtet. An der Wand prangt die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von 2008. Die Schweizer Flagge und jene des Kosovo stehen nebeneinander. Seit gut einem Jahr ist Dzemaili, 1954 in Komogllava geboren, nun Botschafter. 1984 ist er aus dem Kosovo in die Schweiz geflüchtet. Seither wohnt er in Biel.

Wer Dzemaili beim Erzählen zuhört, erkennt man seine diplomatische Rolle ziemlich schnell. Immer wieder berichtet er vom «Stolz» über das Funktionieren des Zusammenlebens zwischen Schweizern und Kosovaren. Einmal fragt er: «Haben Sie auch gemerkt, wie sehr Schlagzeilen über straffällige Kosovaren abgenommen haben?»

Noch immer gibt es Leute, die Spielern wie Shaqiri, Xhaka oder Behrami nicht verziehen haben, dass sie für die Schweizer Nationalmannschaft spielen. Teilweise üble Verunglimpfungen sind die Folge. Dafür hat Dzemaili kein Verständnis. «Hier vermischen einige Leute Sport und Nationalismus. Nationalismus im negativen Sinn. Niemand ist ein Verräter! Niemand spielt gegen Albanien oder gegen den Kosovo. Sondern es sind Spieler, die für eine Mannschaft spielen. Nicht gegen ein Land.»

Jetzt auf

Die vielen offenen Fragen

Wie geht es nun weiter? Gefordert ist vorab die FIFA. Sie wird den Entscheid der UEFA am kommenden Freitag aller Voraussicht nach bestätigen. Aber dann? Kann der Kosovo – wie möglicherweise auch Gibraltar – wirklich schon zur Qualifikation der WM 2018 in Russland antreten? Und mit welchem Team? Und in welchem Stadion? Derzeit gibt es im Kosovo keines, das gängigen FIFA-Kriterien genügt. Es sind Fragen, die durchaus schon hätten im Vorfeld besprochen werden können oder sollen. Diese Ansicht, so ist zu vernehmen, vertreten auch einige Exponenten des Schweizer Fussballverbands.

Hat Alex Miescher mit seinem Votum für die Geheimabstimmung dem Kosovo den Weg frei gemacht?
Hat Alex Miescher mit seinem Votum für die Geheimabstimmung dem Kosovo den Weg frei gemacht?
screenshot: uefa

In der Abstimmung über die Kosovo-Aufnahme selbst, die 28:24 ausging, spielte die Schweiz eine tragende Rolle. Erst auf Vorschlag von Generalsekretär Alex Miescher wurde eine Geheimabstimmung beschlossen. Um den immensen politischen Druck auf gewisse Länder zu minimieren.

Was passiert wäre ohne dieses Votum? Man kann nur spekulieren. Aber der Verdacht liegt nahe: Die Abstimmung wäre anders ausgegangen – gegen den Kosovo.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
4 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
AskLee
08.05.2016 11:21registriert März 2016
Diese drei Jungs haben viel für die Anerkennung der Kosovaren in der Bevölkerung gemacht.
Sie sollen bleiben, falls dies überhaupt zur Debatte steht und weiterhin für die Schweiz Tore schiessen. Go on and on....
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Aufblasbare Antonio Banderas Liebespuppe
08.05.2016 11:17registriert Mai 2015
Ich hoffe das sie bleiben. Aber auch nir wenn sie wirkl7ch wollen sonst hat es keinen sinn
00
Melden
Zum Kommentar
4
Acht Niederlagen sind genug: Die Schweiz möchte endlich am Heimturnier brillieren
Das Schweizer Eishockey-Nationalteam will in Freiburg den ersten Heimsieg im Rahmen der Euro Hockey Tour feiern. Erster Gegner am Donnerstag um 19.45 Uhr ist Schweden.

7:23 Siege, lautet die Bilanz der Schweizer in ihren ersten zehn Turnieren in der Euro Hockey Tour. Vor heimischem Publikum gingen sämtliche acht Partien gegen Schweden, Finnland und Tschechien verloren, dreimal in der Verlängerung und einmal nach Penaltyschiessen. Diesmal ist die Zuversicht gross, dass es anders kommt.

Zur Story