Seit 1993 hat Karabach Agdam kein einziges Heimspiel mehr absolviert. Während des Bergkarabach-Konflikts musste der Verein aus seiner Heimatstadt Agdam fliehen – in die Hauptstadt Baku. Dort spielt die Mannschaft nun in der Azersun-Arena. Der Kampf zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen zerstörte die eigene Heimat und das eigene Stadion. Seither ist Agdam eine Geisterstadt. Eine Rückkehr steht trotz Waffenstillstand ausser Frage.
Nach langjährigen finanziellen Problemen wird der Verein 1977 neu gegründet. 1988 gewinnt Karabach erstmals die aserbaidschanische Meisterschaft. Doch dann bricht die Sowjetunion zusammen und Krieg in der Region aus. 1993 gewinnt die Mannschaft den dritten Titel seiner Geschichte. Doch niemand ist in Feierlaune. Stattdessen reisen die Spieler schnellstmöglich zurück in ihre Heimat. Entweder um gegen die armenischen Truppen zu kämpfen oder um mit der Familie die Flucht vorzubereiten. Die Stadt inklusive des eigenen Stadions ist zu diesem Zeitpunkt schon weitgehend zerstört.
Der 23. August 2017 markiert eine Sternstunde im aserbaidschanischen Fussball. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes qualifiziert sich eines seiner Teams für die Champions-League-Gruppenphase. Trotz einer 1:2-Auswärtsniederlage gegen den FC Kopenhagen kommt Karabach Agdam dank der Auswärtstor-Regel weiter.
Bevor die Mannschaft in die aktuelle Azersun-Arena ziehen konnte, trug sie ihre Spiele im Tofik-Bachramov-Stadion in Baku aus. Das Stadion ist nach dem ehemaligen Spieler und Linienrichter Tofik Bachramov benannt. Bachramov wurde dadurch bekannt, dass er beim WM-Final 1966 das Tor von Geoff Hurst mit seiner Fahne anzeigte, obwohl der Ball nicht über der Linie war. Er ist eigentlich der Schöpfer des Wembley-Tors.
Als Zuschauermagnet kann man Karabach nicht bezeichnen. Vergangene Saison besuchten durchschnittlich 1915 Zuschauer die Spiele des Exil-Vereins – bei einer Stadionkapazität von 5800 Plätzen. Die wenigen Fans, die sie haben, sind aber treu und bezeichnen ihren Verein als «den FC Barcelona Aserbaidschans». Dies weil Trainer Gurban Gurbanov, der seit 2008 im Amt ist, das «Tiki-Taka»-Spiel einführte.
Karabach Agdam kommt ohne Scheichs, Oligarchen oder sonstige Mäzene aus. Das Team hat einen Hauptsponsor: Azersun, den grössten Lebensmittelproduzenten Aserbaidschans. Die Vereinsführung klotz aber nicht mit Geld – im Gegenteil. Den teuersten Transfer der Vereinsgeschichte tätigten sie vor vier Jahren, als sie den Brasilianer Richard für 1,28 Millionen Euro verpflichteten.
Bei Karabach setzt man mehrheitlich auf heimisches Schaffen. Trainer Gurban Gurbanov kommt aus Aserbaidschan. Und insgesamt verfügt das Team nur über acht Legionäre, was 32 Prozent des Kaders ausmacht. Im Spiel gegen Kopenhagen standen sechs Einheimische in der Startformation. Dieselben sechs Stammspieler stehen jeweils auch zusammen in der Startformation der aserbaidschanischen Nationalmannschaft, wo Robert Prosinecki als Trainer amtet.
Auch ein Schweizer hat schon bei Karabach gespielt. Innocent Emeghara war vereinslos, nachdem er bei Siena ausgemustert wurde. Die Aserbaidschaner nahmen ihn auf. In der Liga kam er insgesamt acht Mal zum Einsatz und erzielte fünf Tore. Nach einer Saison wechselte der ehemalige Nationalstürmer in die USA zu den San Jose Earthquakes.
Mit Ansi Agolli steht noch ein weiterer Akteur mit Schweizer Vergangenheit im Kader der Aserbaidschaner. Der albanische Verteidiger spielte zwischen 2005 und 2007 in der Schweiz für Xamax und den FC Luzern.
Zum ersten Mal auf den Schweizer Fussball-Radar geriet Karabach, als sie 2015 die Young Boys mit einem Gesamtscore von 4:0 aus den Europa-League-Playoffs kegelten. Seit 2014 ist die Mannschaft Stammgast in der Gruppenphase der Europa League. Dort feierte das Team gegen Dnipro Dnipropetrovsk mit einem 1:0 den ersten Sieg einer Equipe aus Aserbaidschan. Nun hat sie mit dem überraschenden Erfolg gegen Kopenhagen den nächsten Schritt geschafft.