Der Hype um die Gratistickets für das Trainingscamp der Schweizer Nati kannte Anfang Mai keine Grenzen. Der Internetserver musste nach wenigen Minuten abgeschaltet werden, weil aus dem In- und Ausland bereits 3000 Bestellungen eingetroffen waren.
Bei Weggis Tourismus standen hunderte Anhänger Schlange, um sich die begehrten Eintrittskarten zu sichern. Nach nur 25 Minuten war das frei verfügbare Kontingent von knapp 5000 Tickets restlos vergriffen.
Wer leer ausging, brauchte Glück, Beziehungen oder ein dickes Portemonnaie. Die restlichen Karten wurde via Sponsoren und Wettbewerbe von Medienpartnern unters Volk gebracht. Und im Internet versilberten einige Anbieter die Gratisplätze für harte Schweizer Franken.
Nach der Hälfte der öffentlichen Trainingseinheiten in Weggis hat sich die Euphorie kräftig relativiert. Die Thermoplan-Arena bietet Platz für 1700 Zuschauer. Beim Auftakt am Montagmorgen ist sie nur zu knapp einem Drittel gefüllt.
Belebter wird die Szenerie am Nachmittag. Vor allem dank zahlreicher Schulklassen, die ihren Lieblingen Shaqiri, Benaglio und Drmic zujubeln, sind mehr als die Hälfte der Ränge im schmucken Kleinstadion am Vierwaldstättersee belegt. Am Dienstag ist das öffentliche Morgentraining stimmungsmässig wieder eine triste Angelegenheit. Im Regen verlieren sich noch weniger Fans auf den Tribünen als am Tag zuvor.
Das Team von Ottmar Hitzfeld kann deutlich weniger Fans mobilisieren als die brasilianische Equipe bei ihrem Gastauftritt vor der WM 2006. Damals verwandelten täglich bis zu 6000 Fans der «Seleção» das 3900-Seelen-Dorf in eine Samba-Meile. Ronaldinho, Kaka oder Adriano verzauberten die Fans täglich mit Kabinettstückchen und Showeinlagen. Noch heute erinnert eine Inschrift beim Brunnen im Dorfkreisel an den südamerikanischen Besuch. Für die Gäste endete die anschliessende WM aber mit einem Desaster – sie schieden nach einem 0:1 gegen Frankreich bereits im Viertelfinal aus.
Wohl auch in Erinnerung an das brasilianische Event haben sich die Nati-Verantwortlichen rund um Ottmar Hitzfeld dieses Jahr dafür entschieden, in Weggis sechs öffentliche Einheiten abzuhalten. Stephan Lichtsteiner ist darüber erfreut: «Es ist schön, an einem solch wunderbaren Ort wieder einmal vor Fans zu trainieren. Das hebt die Stimmung im Team und das tut gut. In Italien wäre das nicht möglich, da stünden 20'000 Fans auf der Matte.» Andere Nationalmannschaften, wie etwa Deutschland, schotten ihre Trainingscamps in diesem Jahr hermetisch von der breiten Öffentlichkeit ab.
Warum also bleiben so viele Schweizer Fans zuhause? Mediensprecher Marco von Ah: «Die Tickets sind alle weg, wir können den Leuten nicht hinterhertelefonieren. Offenbar ist die Disziplin bei den Zuschauern nicht so gross. Wenn es schön ist, geht man lieber in die Badi, wenn es regnet bleibt man zuhause.»
Unglücklich ist man bei der Nationalmannschaft über den ausbleibenden Grossaufmarsch der Zuschauer aber nicht: «Für uns ist es so optimal. Wenn Ottmar Hitzfeld mit dem Megafon herumlaufen müsste, dann wäre alles viel komplizierter. Wenn das Partyvolk zuhause bleibt, dann sind nur Leute hier, die sich wirklich für das Training interessieren, und wir können konzentrierter arbeiten.»
Anders ist die Stimmung bei den Betreibern der zahlreichen Verpflegungsständen auf der Fanmeile. Offiziell möchte sich niemand beschweren, aber der Umsatz bleibt bisher unter den Erwartungen. Man hofft auf besseres Wetter und einen Grossaufmarsch am nächsten Wochenende.