Borussia Dortmund ohne Jürgen Klopp? Es gibt wenige Dinge, die sich so ungewohnt anfühlen werden wie das offizielle Mannschaftsfoto der neuen Saison. Man wird ganz automatisch auf dem Foto nach Klopp suchen, nach der Brille, dem Vollbart, dem Lächeln. Aber er wird einfach nicht mehr dastehen. Man wird auch nach den grossen Spielen immer wieder aufs Neue überrascht sein, dass der Dortmunder Trainer so freundlich mit den Reportern spricht. Und nicht Klopp heisst, sondern, sagen wir, Thomas Tuchel.
Aber es stimmt. Jürgen Klopp verlässt Borussia Dortmund nach dieser Saison. Und es ist gut so. Gut für alle.
Seit 2008 hat Klopp in Dortmund gearbeitet, und er hat aus einem Klub, der am Boden lag, einen wirtschaftlichen und sportlichen Giganten gemacht. Dass Klopp diesen herkulischen Akt allein vollbracht hat, ist natürlich eine Verkürzung, aber sie hat einen wahren Kern. Denn Klopp brachte nicht nur unerschöpfliche Energie und eine radikale Idee vom Fussball ein, sondern sich selbst gleich ganz.
Mannschaft, Fans, der ganze Klub wirkten irgendwann kloppisiert, elektrisch, immer druff, ein bisschen grossmännisch und gleichzeitig das Underdog-Image bis zur Lächerlichkeit stilisierend, dass man irgendwann zwischen beiden nicht mehr unterschied. Dortmund war Klopp – und diese im deutschen Fussball einzigartige Symbiose führte zu einer ebenso aussergewöhnlichen Jobsicherheit für den Sinnstifter. Es gab nur einen Mann, der Jürgen Klopp in Dortmund entlassen konnte: Jürgen Klopp. Und das hat er jetzt getan.
Klopp weiss, dass der Klub Veränderung dringend nötig hat. Sieben Jahre haben bei allen Spuren hinterlassen. Bei der Mannschaft, die in dieser letzten Saison, der ersten wirklich fürchterlichen der Ära Klopp, oft planlos wirkte und ständig auf der Suche nach den haltgebenden Automatismen im eigenen Spiel. Bei den Verantwortlichen, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc. Und schliesslich bei Jürgen Klopp selbst. Er bestreitet, ausgelaugt zu sein. Aber zuletzt waren deutliche Risse zwischen dem Trainer und seiner Mannschaft offenbar geworden.
Zwei Möglichkeiten der Veränderung gab es: Entweder würde die Mannschaft radikal erneuert, um Klopp einen kompletten Neustart zu ermöglichen, ein zweites 2008. Oder der Trainer würde gehen – und damit gleichzeitig den Verbleib von namhaften Spielern befördern, die sonst womöglich einen Weggang erwägten. Klopp selbst hat die Probleme des ersten Weges genannt. Solange er da sei, würde man die Mannschaft an den alten Erfolgen messen. «Borussia Dortmund braucht Veränderung, wenn meine Position verändert wird, können viele Dinge gleich bleiben.» Er hat dem Klub die Entscheidung abgenommen, ihn von einer Last befreit.
Vielleicht war es die beste Entscheidung, die der Einzelgänger jemals getroffen hat, denn sie hat auch für ihn nur Vorteile. Sein über die Jahre erarbeiteter (und vor allem in England bewunderter) Ruf wird nicht durch eine weitere Durchschnittssaison in Mitleidenschaft gezogen. Man wird sich in Dortmund nun vor allem der grossen Erfolge erinnern, das letzte Heimspiel gegen Werder Bremen dürfte eine Abschiedsmesse sondergleichen werden.
Und dann ist da noch der psychologische Effekt. Nicht auszuschliessen, dass auch die Mannschaft nach der Klärung der Klopp-Frage befreit aufspielt. Es wäre durchaus im Sinne des scheidenden Coaches. Der hat nämlich noch den letzten Traum, «noch einmal mit gutem Grund um den Borsigplatz zu fahren». Dafür müsste er den Pokal gewinnen, und dafür müsste er im Halbfinale beim FC Bayern siegen. Dem grossen Rivalen über die Jahre, Opfer der grössten Klopp-Triumphe und Nemesis im Champions-League-Finale.
Die Bayern sollten sich nun sehr warm anziehen.