Samuel Giger (21) war der Favorit der Kenner. Der perfekte Schwinger und von den weiblichen Fans als «George Clooney des Sägemehls» verehrt. Schon beim letzten Eidgenössischen unbesiegt. Jetzt noch erfahrener, kräftiger, vielseitiger. Und dann ist nach dem ersten Gang schon alles vorbei: Sensationelle Niederlage gegen Nick Alpiger.
Gigers Selbstvertrauen ist an den hohen Erwartungen zerbrochen wie ein billiges Plastik-Spielzeug. Wer mit Alpiger im ersten Gang nicht zügig fertig wird, kann nicht König werden. Der Aargauer ist für eine Hauptrolle beim Eidgenössischen noch eine Nummer zu klein. Und so finden wir Samuel Giger nach dem ersten Tag punktgleich mit Nick Alpiger auf dem 10. Rang. Statt dem Thron ist nun der Kranz das höchste Ziel.
Pirmin Reichmuth (23) ist vorerst auch an hohen Erwartungen gescheitert. Aber der Zuger ist nicht ganz aus dem Rennen. Nach einer Niederlage gegen Christian Stucki, einem Gestellten und zwei Siegen ist er im 9. Rang klassiert. Er braucht alle nur erdenkliche Hilfe des Einteilungs-Kampfgerichtes, der Platz-Kampfrichter und der Schwinger-Götter und des eidgenössischen Schicksals, um auch nur in die Nähe des Schlussganges zu kommen.
Die Titanen des Tages heissen Christian Stucki, Joel Wicki und Armon Orlik. Kommt der König aus diesem Trio? Das ist noch offen. Denn alle drei haben ein Handicap.
Noch nie ist einer, der älter war als 31 Jahre König geworden. Christian Stucki ist 34 Jahre alt. Kann er den Fluch des Alters brechen? Der Sieg im ersten Gang gegen Reichmuth hat ihm den Schwung gebracht, den er brauchte, um den ersten Tag zu dominieren. Am Sonntag wird es heiss sein. Der Energie-Haushalt, von der Hitze stark beeinflusst, wird ein entscheidender Faktor sein.
Noch nie in der Neuzeit ist einer König geworden, der zuvor einen eidgenössischen Schlussgang verloren hat. Armon Orlik hat den letzten Kampf um den Thron 2016 gegen Matthias Glarner verloren. Kann er den Fluch des verlorenen Schlussganges brechen? Er ist dazu in der Lage. Dieser «Fluch des Schlussganges» plagt auch Stucki. Er hat 2013 den Schlussgang gegen Matthias Sempach verloren.
Joel Wicki brauchte für vier Siege rund 100 Sekunden. Der perfekte Tag. Er ist nun der grosse, der klare Favorit. Und doch gibt es ein Problem: Wie wird er die Nacht überstehen? Wird er ruhig schlafen? Wenn ja, kann er nach Harry Knüsel (1986) der zweite König der Innerschweizer werden. Oder suchen ihn die Dämonen der Schlaflosigkeit heim wie so manchen «König des Samstages»? Die Aussicht, am nächsten Tag ein König und ein berühmter Mann werden zu können, kann auch eine Belastung sein.
Und da ist ein ganz gefährlicher Aussenseiter: Kilian Wenger (29). Er war 2010 schon einmal König und ist der einzige der verbliebenen Titanen, der weiss, wie man König wird. Nur ist ihm nach 2010 die königliche Zuversicht abhanden gekommen. Drei Siege und ein Gestellter müssten eigentlich genügen, um die Dämonen der Zweifel bei ihm zu vertreiben und im Rennen um den Schlussgang zu bleiben. Erwacht Wenger am Sonntag mit intaktem Selbstvertrauen, kann er ein zweites Mal König werden.
Und was ist mit Marcel Bieri (24)? Der Zuger ist neben dem «Trio Grande» (Stucki, Wicki, Orlik) der einzige mit vier Siegen auf dem Notenblatt. Vieles spricht dafür, dass ihm das Schicksal eines eidgenössischen Samstagshelden blüht. Wird er König, muss die Geschichte neu geschrieben werden.
Wo war eigentlich Remo Käser (22), der Sohn von Adrian Käser, dem König von 1989? Nun, einer der meist abgebildeten Helden des Sägemehls («Glanz & Gloria Remo») hat erfahren müssen, dass Medienpräsenz nicht das gleiche ist wie Präsenz im Sägemehlring. Zwei Niederlagen, ein Gestellter und Rang 13 – das ist, gemessen an seiner Postur und seinem Talent fast so schlimm wie die verpassten Playoffs der ZSC Lions.
So oder so wird ein neuer König gekrönt. Matthias Glarner ist mit zwei Niederlagen und einem Gestellten in den Ranglistenkeller auf den 14. Rang abgerutscht und von dort kommt er nicht mehr heraus. Der König von 2001 darf am Sonntag nicht mehr antreten. Arnold Forrer (41) ist mit einer Niederlage und drei Gestellten ausgeschieden. Ein König, nicht verletzt und nicht mehr gut genug, um den Wettkampf am Sonntag fortzusetzen: Das hat es so noch nicht gegeben.
Ein Wort noch zum Einteilungskampfgericht. Das Gremium hat exzellent gearbeitet. Präsident Samuel Feller hat den ersten Gang neutral und fachlich einwandfrei eingeteilt und das gesamte Gremium hat ab dem zweiten Gang so gut gearbeitet, dass es viel Boshaftigkeit braucht, um Grund zur Kritik oder gar zu einer Verschwörungstheorie zu finden.