Ein Medien zugespieltes Instagram-Video im Juli 2021, das Alex Wilson beim angeblichen Training mit dem lebenslang gesperrten Coach Raymond Stewart zeigt. Ein weiteres Video Ende März 2022 in einem Leichtathletik-Blog, in welchem Wilson mit dem texanischen Dopinglieferanten Eric Lira in Verbindung gebracht wird. Beide Dokumente verschwinden nach kurzer Zeit wieder aus den sozialen Medien. Es bleibt der Eindruck, dass irgendjemand Wilson ganz bewusst an den Pranger stellen will.
Genau dieser Theorie folgt nun offensichtlich die juristische Verteidigung Wilsons im Fall des positiven Dopingtests mit dem anabolen Steroid Trenbolon vom 15. März 2021. In der Stellungnahme seiner Anwälte im laufenden Verfahren der Disziplinarkammer von Swiss Olympic sollen noch weit brisantere Anschuldigungen stehen, wie eine verlässlich Quelle gegenüber CH Media verrät.
So habe ein von Alex Wilson beauftragter US-Detektiv angeblich die Ursache für den verbotenen Wirkstoff im Urin des Sprinters herausgefunden. Die Substanz sei anfangs März absichtlich, aber ohne das Wissen des Athleten, in den Körper des 31-Jährigen gelangt. Es handle sich um einen gezielten Racheakt. Ein Kronzeuge belege diese Theorie mit klaren Fakten.
Ebenfalls haben Wilsons US-Anwälte offenbar den Urheber des neuen Videos ausfindig gemacht. Gemäss Insider bereiten die Juristen derzeit eine Klage in den Staaten vor.
Nach Erscheinen dieses Artikels am Wochenende über Spekulationen rund um den brisanten Dopingfall vor wenigen Tagen erhielt der Autor mehrere Telefonanrufe. Verschiedene Aussagen wurden dabei bestätigt und zusätzliche Informationen geliefert. Spektakulär sind nicht nur die vermeintlichen Aussagen von Wilsons Entlastungszeuge. Offenbar derart brisant, dass der Insider nicht glaubt, sie würden bei der Urteilsbegründung genannt werden. Alex Wilson selber soll «hundertprozentig sicher» sein, dass diese Dokumente seine vollständige Unschuld belegen.
Brisant sind aber auch die neuen Fakten. Alex Wilson hat den vom FBI als Dopinglieferant angeklagten texanischen Naturheilpraktiker Eric Lira tatsächlich gekannt. Er hat sogar seine Dienste in Anspruch genommen – allerdings nicht für Dopingpraktiken. Lira droht im Zusammenhang mit dem Dopingfall der nigerianischen Sprinterin Blessing Okagbare an den Olympischen Spielen in Tokio eine zehnjährige Gefängnisstrafe.
Wilson selbst hat den Kontakt zugegeben und gegenüber den Ermittlern erklärt, er habe Lira zweimal getroffen. Den Kontakt habe sein neuer Trainer O'Neil Wright hergestellt, und Lira habe sich dabei fälschlicherweise als Arzt ausgegeben. Konkret habe der Amerikaner am 14. Juni 2021 mit einer muskulären Therapie Wilsons Rückenbeschwerden behandelt. Die Dopingvorwürfe gegen Lira wurden erst Monate später bekannt.
Kurz vor Olympia sei der Schweizer dann nach Texas zu Lira gereist, um in einer Unterdruckkammer den Effekt eines Höhentrainingslagers zu simulieren – mit dem Zweck, den Sauerstofftransport im Körper zu steigern. Zu diesem Zeitpunkt wusste Wilson selbst bereits seit mehreren Wochen von seiner positiven Dopingprobe. Ein enger Insider im Fall betont, dass Wilson unmittelbar nach der Behandlung durch Lira auch zum wiederholten Mal seit dem verhängnisvollen Trenbolon-Befund negativ getestet wurde.
Neben dem US-Staat, der mit der Einführung eines Dopinggesetzes weitgehende Ermittlungskompetenzen bei Sportbetrug weltweit erhalten hat, untersuchen auch die Dopingabteilung des Welt-Leichtathletikverbandes «World Athletics» und die amerikanische Antidoping-Behörde «Usada» die Verstrickungen von Eric Lira in den Sport.
Sie werden sich auch bei Alex Wilson auf die belastenden Indizien fokussieren. Etwa eine Textnachricht vom Basler auf dem Handy des Texaners, in der er sich nach dem Verlauf von Blutwerten erkundigt. Der Athlet selbst begründete seine Frage mit dem Aufenthalt in der Höhenkammer. Dadurch wird die Veränderung einiger Blutwerte bewusst gesteuert.
Offenbar habe Eric Lira gegenüber dem FBI auch ausgesagt, er habe Alex Wilson mit Wachstumshormonen und EPO beliefert. In offiziell zugänglichen Akten der Ermittler ist der Schweizer allerdings nicht namentlich erwähnt. Die Seite des Sprinters ihrerseits stellt die Glaubwürdigkeit von Lira massiv infrage.
Die Quelle vermutet, dass die Belastungsindizien gegen Wilson nicht ausreichen. Bislang ist nichts über eine Anklage der Staatsanwaltschaft gegen den Schweizer bekannt. Sein Coach O'Neil Wright sei zwar während den Ermittlungen für einige Tage von seinem Arbeitgeber «Atlanta Track Club» suspendiert worden, nach der clubinternen Befragung darf er jedoch wieder unbehelligt als Leichtathletik-Trainer arbeiten.
Der Insider vermutet, dass entweder die unter Eid erfolgten Stellungnahmen von Wilsons Entlastungszeugen oder die Arbeit von Wilsons renommierten US-Anwälten hier entscheidend war. Usada und World Athletics indes lassen sich zum Stand ihrer Ermittlungen nicht in die Karten schauen.
Dasselbe gilt für die Schweizer Antidoping-Agentur. Gemäss gut informierten Personen hat Swiss Sport Integrity ihre Unterlagen zum Fall Wilson erst Mitte Februar eingereicht – vier Monate nach Wilsons Anwälten. Gegenüber diesen sei mit Zeit- und Personalmangel bei der Antidoping-Behörde als Begründung für die lange Frist argumentiert worden.
Dies sorgt zusammen mit dem Umstand, dass die eigenen Anwälte die Eingabe der Ankläger offenbar bislang nicht einsehen durften, im Umfeld des Basler Sprinters für grossen Unmut. Zentrale Aufgabe der Organisation sei schliesslich, die ehrlichen Sportler zu schützen. Und für einen solchen hält sich Alex Wilson trotz allem nach wie vor. Eine weitere Quelle sagt, Wilson befürchte einen unfairen Prozess.
Wahrscheinlich hat die lange Zeitdauer mit den neuen Fakten rund um Eric Lira zu tun. Die Dopingjäger werden versuchen, einen Zusammenhang zur Trenbolon-Probe von Wilson herzustellen. Einen solchen gebe es mit Garantie nicht, behaupte Wilsons Team. Während die Sportjustiz bei einer möglichen Verbindung des Schweizer Sprinters zum texanischen Dopinglieferanten eine Schuld beweisen muss, verhält es sich beim positiven Urintest genau umgekehrt. Da liegt es an Alex Wilson und seinen Anwälten, die Unschuld zu belegen.
Der Insider sagt, das Umfeld des Schweizer Rekordhalters sei zuversichtlich, dass dies mit den eingereichten Fakten gelingen werde. Als Trumpf sieht man neben entlastenden, eidesstattlichen Aussagen von mehreren Personen aus Wilsons Umfeld in der Trainingsbasis in den USA auch die Analyseergebnisse vom Barthaar des Sprinters.
Der französische Experte Professor Pascal Kintz fand keine Rückstände von Trenbolon und kam deshalb zum Schluss, dass das anabole Steroid versehentlich oder nur einmalig in den Körper des Athleten gelangt ist. Eine regelmässige Trenbolon-Dosis wäre gemäss Professor Kintz auch drei Monate später noch in der Haarprobe nachweisbar.
Alex Wilson sieht sich als Opfer eines Komplotts und lässt sich seine Sicht der Wahrheit einiges kosten. Gemäss Quelle bewegen sich die Ausgaben nach einem Jahr Verteidigungskampf mit mehreren Anwälten in der Schweiz und den USA, mit einem Detektiv in den Staaten und der zusätzlichen Arbeit von Wissenschaftlern gegen eine Million Franken. Der Athlet selbst betrachte es als Kampf gegen Mächte, die ihn zerstören wollten. Wilson glaube, ein faires Verfahren auf jeden Fall zu gewinnen.