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Wenn der nächste WM-Titel näher ist als eine Heirat

Tom Lüthi schaut sich mit Cheftechniker Alfred Willeke die Runden seiner Konkurrenten an.
Tom Lüthi schaut sich mit Cheftechniker Alfred Willeke die Runden seiner Konkurrenten an.Bild: Waldemar Da Rin

Wenn der nächste WM-Titel näher ist als eine Heirat

Wenn die Piloten zu langsam sind, muss wenigstens die Kommunikation stimmen. Die Saison hat für Tom Lüthi (28) und Dominique Aegerter (24) mit einer herben Enttäuschung begonnen.
28.03.2015, 09:50
klaus zaugg, Katar
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Drei freie Trainings zum GP von Katar sind vorbei. Zum ersten Mal in dieser Saison sind Tom Lüthi und Dominique Aegerter bei besten äusseren Bedingungen gegen die Konkurrenz angetreten. Dreimal 45 Minuten. Das Ergebnis ist ernüchternd. Tom Lüthi hat auf Rang 8 1,163 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit von Sam Lowes. Dominique Aegerter hat gar eine schlimme Niederlage erlitten. Er steht mit mehr als zweieinhalb Sekunden Rückstand auf Position 25. Geschlagen von Randy Krummenacher. Bloss noch fünf Piloten waren bisher langsamer. Ein verheerender Start für einen Mann, der letzte Saison einen GP gewonnen hat.

Tom Lüthi fährt mit seiner Kalex im zweiten Training von Katar auf Rang 8.
Tom Lüthi fährt mit seiner Kalex im zweiten Training von Katar auf Rang 8.Bild: Waldemar Da Rin

Wenn die gefahrenen Zeiten nicht stimmen, dann kommt es im «totalen Medienzeitalter» wenigstens auf die Kommunikation an. Ein dem Team nahestehender Chronist eröffnet die Medienkonferenz mit der Feststellung, es gehe aufwärts, will wissen, wie die Verbesserungen vom zweiten zum dritten freien Training möglich gewesen seien. Verbesserungen, die so minim sind, dass es nicht reichte, vom 25. Platz wegzukommen. Aber so ist erst mal der positive Grundton gegeben. Das Wort Krise, das eigentlich zwingend gesagt werden müsste, fällt nicht.

Aegerter: «Ich kenne die Daten von Toms Maschine»

Dominique Aegerter weiss, dass er jetzt die Nerven nicht verlieren darf. Mit 2:02.097 Minuten hat er auf seine letztjährige Zeit im Abschlusstraining (2:00.910 Min./11. Platz) viel zu viel verloren. Er war noch nie ein Trainingsfahrer und im Rennen ist er immer schneller als im Training. Aber ein Vorstoss vom 25. Platz aus auf einen Spitzenrang wie im Vorjahr (einen Podestplatz wegen eines Motorendefektes verloren) ist nicht möglich. Aus dieser Krise kommt er nur heraus, wenn er sich nicht ablenken lässt, wenn er konzentriert bleibt und geduldig weiter arbeitet. Eine Erklärung hat er nicht. Er brauche einfach Zeit für die Umstellung vom alten (Suter) auf das neue Motorrad (Kalex). Er könne weder von seinem Teamkollegen Tom Lüthi noch von den anderen Kalex-Piloten profitieren. 

Mann und Maschine sind geschafft: Dominque Aegerter nach dem zweiten Training in Katar.
Mann und Maschine sind geschafft: Dominque Aegerter nach dem zweiten Training in Katar.Bild: Waldemar Da Rin

«Ich kenne die Daten von Toms Maschine und wir wissen auch, welche Einstellungen die anderen bevorzugen. Aber das hilft mir nicht weiter. Mein Fahrstil ist anders», meint Aegerter. Die Umstellung von der Suter auf die Kalex beschreibt er so: «Es ist, wie ich von einem VW-Kombi auf einen Audi-Kombi umsteige. Der Motor und die Reifen sind gleich. Aber ich fühle mich hinter dem Steuer nicht so wohl.»

Noch ist Dominique Aegerter nicht verunsichert. Nur nachdenklich. Was bei diesem Sunnyboy schon ungewöhnlich ist. Aber das Urteil wird nicht nach den ersten drei freien Trainings gefällt. Noch sind 51 freie Trainings, 18 Abschlusstrainings und 18 Rennen zu fahren. Eigentlich viel Zeit. Aber Dominique Aegerter hat eigentlich gar keine Zeit.

Lüthi ist der wahre Chef im Team

Tom Lüthi braucht keinen nahestehenden Chronisten, um bei seinem Medientermin den positiven Grundton anzustimmen. Dafür sorgt er selber. Er ist ein Grossmeister der Kommunikation und gesegnet mit der seltenen Gabe der Selbstironie. Diese ersten drei freien Trainings haben bereits gezeigt: Er ist nicht nur der heimliche Chef im Team. Er ist der wahre Chef und Dominique Aegerter bleibt vorerst nur die Rolle der Nummer zwei.

Welcher Schweizer Pilot schneidet in dieser Saison am besten ab?

Aber Tom Lüthi ist Titelkandidat – selbsternannter und von der Konkurrenz ebenso genannter. So kann es ihm natürlich nicht egal sein, wenn er auf Platz 8 nach drei freien Trainings über eine Sekunde auf die Bestzeit verliert und immer noch mehr als eine halbe Sekunde hinter Rang drei steht. Es zeichnet sich ab, dass das Trio aus Sam Lowes, Johan Zarco und Titelverteidiger Tito Rabatt dieses Rennen dominieren wird. Tom Lüthi sagt, es fehle nicht viel. «Ich brauche einfach Zeit, um die richtige Balance zu finden.» Mal rutsche das Hinterrad, dann werde etwas geändert, dann rutsche das Vorderrad. Es ist der ewige Kampf um die ideale Abstimmung. Beunruhigt ist er nicht. Aus langer Erfahrung weiss er besser als Dominique Aegerter, wie man sich aus einer schwierigen Situation wieder herausarbeitet. Mit 2:00,740 ist er nur unwesentlich langsamer als im Vorjahr im Abschlusstraining (2:00.459/4. Platz). Er hat nur den Anschluss ans Spitzentrio verloren. Das lässt sich im Rennen korrigieren.

Ein vorwitziger Chronist fragt Tom Lüthi noch, ob er jetzt nach der Trennung von der schönen Fabienne Kropf eigentlich offiziell Single sei. Danach müsse man sich halt bei einem Promi immer erkundigen. «Ja, das bin ich wirklich.» Der Emmentaler sagt es mit einer tief spürbaren Erleichterung, fast so wie jemand, der verkündet, er sei jetzt aus dem, na ja, Gefängnis entlassen worden. Als dann noch einer einwendet, dann sei wohl nicht mit baldiger Heirat zu rechnen, sagt er: «Der nächste WM-Titel ist definitiv näher als eine Heirat …» Den Humor hat Tom Lüthi jedenfalls nicht verloren.

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