Wieder nichts. Auch die letzte Chance war dahin. Johannes Strolz schied im Weltcup-Slalom im vergangenen März in Kranjska Gora im ersten Lauf aus. Es war der siebente Nuller bei zehn Starts im Vorwinter. Der 14. Rang in Flachau als Bestergebnis genügte nicht als Argument für den Verbleib im ÖSV-Team. Die Verantwortlichen in Österreichs Verband entzogen Strolz den Kaderstatus. Der Vorarlberger war in seiner an Tiefschlägen reichen Karriere am absoluten Tiefpunkt angelangt.
Rauswurf bedeutet meist Rücktritt. Strolz entschied sich anders – für den Weg in Eigenregie und mit noch mehr Selbstverantwortung. «Ich hatte immer das Gefühl, dass das noch nicht alles gewesen ist, dass ich zu mehr fähig bin.» Vor allem aber war er noch zu sehr Rennfahrer, um einen Schlussstrich zu ziehen. Er war bereit, den nicht nur im finanziellen Bereich anfallenden Mehraufwand auf sich zu nehmen. Er war fortan Fahrer, Servicemann und Organisator in Personalunion.
Die Saisonvorbereitung war auf einen Fixpunkt ausgelegt, die interne Qualifikation des ÖSV im November auf der Reiteralm. Für Strolz ging es um alles oder nichts – und es ging gut. Er schaffte die Selektionshürde und gehörte zum Aufgebot für die ersten Weltcup-Slaloms des Winters. Besserung war aber vorerst nicht in Sicht. Er schied sowohl in Val d'Isère als auch in Madonna di Campiglio aus.
Doch dann kam der Slalom in Adelboden, welcher der Karriere des Vorarlbergers eine völlig andere Richtung geben sollte. Strolz stürmte mit Startnummer 38 zum Sieg. Der Aussortierte hatte sich auf bestmögliche Weise aus der Versenkung zurückgemeldet. Er hatte die Gewissheit, dass die Strapazen und Entbehrungen nicht umsonst gewesen waren und er mit dem Glauben an die eigenen Fähigkeiten richtig gelegen hatte. Es war die perfekte Belohnung für seinen Durchhaltewillen und seine Hartnäckigkeit.
Im ÖSV reagierten sie schnell. Für den Trainerstab war Strolz nicht nur im Slalom, sondern auch in der Kombination ein Olympia-Kandidat, umso mehr er sich in früherer Zeit in den Speed-Disziplinen gut zurechtgefunden hatte. An der Junioren-WM vor zehn Jahren gewann er Bronze im Super-G.
Die Umsetzung der Idee mit dem Start in der Kombination war wiederum nur möglich mit den erforderlichen FIS-Punkten. Strolz zögerte vorerst, liess sich von Chefcoach Andi Puelacher aber doch überzeugen. Vier Tage nach seinem Coup in Adelboden bestritt er die Europacup-Abfahrt in Tarvisio im Friaul und lieferte das benötigte Ergebnis. Die unglaubliche Geschichte nahm ihren Lauf. Weitere vier Wochen später fuhr Strolz in Yanqing zu Gold.
Olympiasieger! Strolz wollte es vorerst nicht wahrhaben. Immer wieder schüttelte er den Kopf – wie damals in Adelboden. Wieder rang er um Fassung, wieder flossen Tränen. Wer mochte es ihm verdenken an diesem Tag, seinem Tag, der wie die Tage zuvor alles andere als leicht war für ihn, an denen er wie gewohnt nicht nur Fahrer, sondern auch sein eigener Servicemann war. Die Präparation der Ski wollte er auch beim Saisonhöhepunkt nicht aus der Hand geben, nahm aber immerhin die Unterstützung der Serviceleute seiner Markenkollegen Matthias Mayer und Vincent Kriechmayr in Anspruch.
Nach den guten Leistungen in den Abfahrtstrainings hatten die Gedanken an einen Medaillengewinn Strolz fest im Griff. Es fiel ihm schwer, den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten. Seine Überlegungen zielten darauf, was alles möglich sein könnte. Er fühlte den Podestplatz schon zum Greifen nah.
Doch Strolz schaffte auch diese mentale Hürde zweimal mit Bravour. Er packte die grosse Möglichkeit beim Schopf und tat es seinem Vater gleich. Hubert Strolz war vor 34 Jahren, an den Winterspielen in Calgary, ebenfalls in der Kombination Olympiasieger geworden. Damals bestand der auf zwei Tage verteilte Wettkampf aus Abfahrt und zwei Slalom-Läufen.
Strolz senior war vier Jahre danach nahe dran, seinen Erfolg zu wiederholen. Der Traum endete kurz vor dem Ziel, Papa Strolz scheiterte am fünftletzten Tor des zweiten Slalom-Durchgangs. Nichts war es mit einem weiteren Stück Skigeschichte. Die Chance, als damals erster Alpiner an zwei Spielen Olympiasieger zu werden, war dahin. (pre/sda)
(Schweizerbrille auf) Justin ..gooopff, sooo knapp am Podest