Mehr als 70 japanische Journalisten reisten für die Sonntagabend-Partie der Serie A zwischen US Sassuolo und der AC Milan in die kleine nord-italienische Industriestadt in der Emilia Romagna. Die riesige Delegation aus Fernost war gekommen, um das Debüt von Milans japanischem Neuzugang Keisuke Honda zu sehen.
Der 27-jährige offenisve Mittelfeldspieler, der in seiner Heimat wie ein Popstar verehrt wird, kam in der Winterpause ablösefrei von ZSKA Moskau und wurde sofort zum grossen Hoffnungsträger hochstilisiert. Dank seiner Hilfe soll Milan aus der Krise finden und in der Tabelle endlich nach oben klettern.
Doch als Honda nach 65 Minuten eingewechselt wurde, war bereits klar, wer am nächsten Tag die Schlagzeilen dominieren würde: Sassuolos Domenico Berardi. Der 19-jährige Rechtsaussen wandelte die frühe 2:0-Führung Milans mit vier Toren im Alleingang in den 4:3-Sieg um.
120 Sekunden nach Mario Ballotellis 2:0 trat Berardi erstmals in Erscheinung. Der italienische U19-Nationalspieler vernaschte Daniele Bonera und schob ein zum Anschlusstreffer. Mit einem Drehschuss ins kurze Eck besorgte er wenig später den nicht mehr für möglich gehaltenen Ausgleich. Doch die grosse Berardi-Show sollte erst beginnen.
Minuten vor dem Pausenpfiff nutzte er einen weiteren Fehler in der Milan-Abwehr eiskalt zum 3:2 aus. Der lupenreine Hattrick war nach 26 Minuten perfekt. Die Zuschauer waren aus dem Häuschen und kriegten sich auch nach Wiederbeginn nicht ein, als Berardi aus zentraler Position zum 4:2 einschob. Riccardo Montolivo gelang zwar noch der Anschlusstreffer, doch als Milans Giampaolo Pazzini kurz vor Abpfiff das 4:4 vergab, war der Sieg des Aufsteigers im Trockenen und Berardi der grosse Held.
«Diesen Abend werde ich nie vergessen», sagte Berardi nach dem Spiel zu «Sky Italia». «Natürlich freue ich mich über die vier Tore, aber es war vor allem wichtig, dass wir gewinnen konnten. Wir haben so einen Exploit gebraucht.» Für seine tolle Leistung belohnte sich der Matchwinner gleich selbst.
Nach dem Schlusspfiff tauschte er mit Milans Superstar Kaká das Trikot. Das Souvenir ist allerdings nicht für ihn selbst, wie er später zugabe. «Ein Freund von mir wollte sein Triko, deshalb habe ich ihn gefragt. Kaká ist ein grosser Champion und ich bin glücklich, dass sein Trikot zumindest für eine kurze Zeit mir gehört.»
Dass Berardi, der aus der Stiefelspitze Kalabrien stammt, für Sassuolo in der Serie A spielt, hat er indirekt seinem Bruder zu verdanken. Dieser studierte in Modena. Bei einem Besuch spielte Berardi mit ein paar Kollegen Fussball und wurde von einem Sassuolo-Scout entdeckt. In der Saison 2012/13 debütierte er schliesslich in der Serie B in der 1. Mannschaft und führte die «Neroverdi» mit 11 Toren in 37 Spielen in die höchste Spielklasse.
Manchester United, Manchester City und Liverpool wurden auf den Linksfuss aufmerksam, das Rennen machte aber Juventus Turin. Die «Alte Dame» sicherte sich die Dienste von Berardi, lieh ihn aber sogleich wieder an Sassuolo aus, damit er dort noch mehr Spielpraxis sammeln kann. Im kommenden Sommer soll der talentierte Youngster dann endgültig nach Turin wechseln.
Mit 11 Toren in 14 Spielen hat Berardi seine Empfehlung in dieser Saison bereits abgegeben. Noch fehlt ihm die Konstanz, dennoch glauben viele, dass aus ihm dereinst ein Grosser werden kann. «Berardi ist ein grossartiger Spieler mit einer feinen Technik. Wenn er so weitermacht, kann er es ganz nach oben schaffen», sagte sein Schweizer Teamkollege Reto Ziegler nach der Show gegen Milan.
Die WM in Brasilien kommt für Berardi aber wohl noch zu früh. In der «Squadra Azzurra» ist Mario Balotelli gesetzt. Mit Lorenzo Insigne, Alberto Gilardino und Giuseppe Rossi hat Trainer Giuseppe Prandelli zudem ein paar starke Alternativen bereit. Berardi spielte erst einmal für die U19, doch auch Prandelli ist seine Leistungsexplosion mit Sicherheit nicht entgangen. Schaufelt er für das künftige Juve-Juwel noch einen Platz frei?