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Der Fussball schreibt Geschichten, die man sich nicht einmal ausdenken könnte. Das hat der Fremdprämien-Skandal des FC Lugano soeben wieder eindrücklich bewiesen. Dabei steht der verrückteste Akt des Dramas wohl erst noch bevor. In den Hauptrollen: Patrick Rossini und der FCZ.
Rückblick: Drei Runden vor Schluss der vergangenen Saison hat Lugano den Aufstieg in die Super League fast auf sicher. Nur Servette kann die Bianconeri noch abfangen – doch bereits ist durchgesickert, dass die Genfer aufgrund ihres Finanzchaos wohl keine Chance auf eine Lizenz für die höchste Spielklasse haben. Sogar wenn die Tessiner die Meisterschaft nur auf Rang 2 abschliessen, dürften sie am grünen Tisch aufstiegen.
Das alles hält die Luganesi Patrick Rossini und Igor Djuric nicht davon ab, eine massive Dummheit zu begehen. Trotz der komfortablen Ausgangslage bieten sie Spielern des FC Schaffhausen eine Prämie für einen Sieg oder ein Unentschieden gegen ihren direkten Konkurrenten Servette an. Prompt gewinnt der angestachelte Underdog mit 2:1 – und in der Nordostschweiz wird kurze Zeit später ein Couvert mit 20'000 Euro abgeliefert.
Weil Schaffhausen-Präsident Aniello Fontana von der Sache Wind bekommt, schreitet er rigoros ein. Er konfisziert das Couvert und schickt es mit einer Meldung des Vorfalls an die Liga. Dort wird ein Verfahren eröffnet.
Davon ist auch der FC Zürich betroffen. Denn Patrick Rossini spielt nur leihweise beim FC Lugano. Im Sommer 2014 wurde der Stürmer für 400'000 Franken vom FCZ verpflichtet und nach einer enttäuschenden Hinrunde mit nur sechs Kurzeinsätzen in der Super League wieder an seinen Ex-Klub ausgeliehen. Dennoch steht Rossini bei den Zürchern bis 2017 unter Vertrag.
Der FCZ sieht nun die Möglichkeit, den Fehltransfer zu korrigieren und löst Rossinis Vertrag mit Hinweis auf die Vorwürfe per sofort auf. Das ist eine gewagte Entscheidung, denn eigentlich hätte bis zur Verurteilung des Spielers die Unschuldsvermutung zu gelten.
Prompt erhebt Rossinis Anwalt im «Blick» schwere Vorwürfe: «Der Spieler hat aus den Medien von seiner angeblichen fristlosen Kündigung durch den FC Zürich erfahren müssen. Vor der entsprechenden Medienmitteilung hat keinerlei Kontakt zur Vereinsleitung stattgefunden. Die Art und Weise des Vorgehens ist auch menschlich nicht akzeptabel und kommt zudem einer Vorverurteilung und Rufschädigung gleich.»
Die nachträgliche Rechtfertigung für den FC Zürich kommt im August durch die Disziplinarkommision der Liga. Diese belegt die beiden Täter nach Abschluss der Untersuchung mit einer drakonischen Strafe: 12 Partien Sperre und je 8000 Franken Busse. Die Begründung: Verstoss gegen das Fremdprämien-Verbot von Artikel 135 im Wettspielreglement des Schweizerischen Fussballverbandes.
Bestätigt durch das harte Urteil kündigt FCZ-Präsident Ancillo Canepa zusätzlich eine Schadenersatzklage gegen Rossini an. Er will einen Teil der durch die Vertragsauflösung nutzlos gewordenen Transfersumme vom Spieler persönlich einfordern. Es soll um 250'000 Franken gehen. «Spielmanipulationen sind etwas vom Verwerflichsten, was es im Sport gibt. Und die Einflussnahme von Drittparteien fällt in diese Kategorie», so Canepa.
Ein genauer Blick in die entsprechende Passage des Reglements zeigt aber, dass die ganze Sache viel verzwickter ist. Verboten ist das Versprechen, Leisten und die Annahme von Zuwendungen jeglicher Art durch Spieler oder Funktionäre und zwar «zum Zwecke der Beeinflussung oder der Verfälschung des Ausgangs eines Spiels.» Sinn der Regelung ist in erster Linie die Vermeidung von Manipulation durch Bestechung – etwa durch einen Goalie, der absichtlich Gegentreffer kassiert und dafür bezahlt wird.
Einem Gegner für einen Sieg gegen einen direkten Konkurrenten Geld anzubieten, das ist zweifellos unmoralisch. Doch lässt sich das Spiel dadurch wirklich beeinflussen? Konnten die Schaffhauser Spieler nach dem Angebot plötzlich besser spielen, als sie es als pflichtbewusste Profis ohnehin getan hätten? Die Disziplinarkommission der Liga sagte: Ja.
Zu einem anderen Schluss ist jetzt das Rekursgericht der SFL gekommen. Gestern hat es die Sperre für Rossini und Djuric von 12 auf 2 Spiele reduziert. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Verfehlung der Lugano-Spieler eben nicht mit richtiger Manipulation vergleichbar sei: «Es handelt sich vorliegend um einen wesentlich harmloseren Fall. Von einer Verfälschung des Spielausgangs kann nicht die Rede sein, vielmehr von einem Ansporn zu einer sportlichen Leistung im Sinne des Wettbewerbs, mithin einer Beeinflussung, aber mit unzulässigen Mitteln und von unbefugter Seite.»
Die NZZ fasst den Entscheid heute treffend zusammen: «Was erstinstanzlich wie eine Strafe für Schwerverbrecher war, gleicht nun einer Rüge für einen Bubenstreich.» Da Rossini und Djuric bereits eine Spielsperre abgesessen haben, sind sie jetzt nur noch im Cup-Sechzehntelfinal gegen Bellinzona vom kommenden Wochenende gesperrt. Und der FC Zürich muss nun um sehr viel Geld zittern.
Denn weil das neue Urteil der Rekursinstanz Rossinis Vergehen plötzlich als sehr viel weniger schwerwiegend bewertet, steht auch die fristlose Kündigung wieder auf wackligeren Füssen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Rossini nun versucht, die Differenz zwischen seinem FCZ-Lohn bis 2017 und seinen niedrigeren Bezügen in Lugano als Schadenersatz einzuklagen. Insider vermuten, dass sein Vertrag in Lugano absichtlich zu niedrigen Konditionen abgeschlossen wurde, um bei einem positiven Entscheid der Rekursinstanz möglichst viel Gehalt auf den FC Zürich abzuwälzen.
Zusätzlich könnte Rossini auch zukünftige Lohneinbussen geltend machen, welche ihm aufgrund der Rufschädigung durch die fristlose Kündigung entstehen. Umgekehrt wird es für Canepa nicht leichter, die 250'000 Franken Schadenersatz von Rossini zu erhalten, welche er ja seinerseits aufgrund der fristlosen Kündigung will. Insgesamt dürfte sich die strittige Summen auf über eine halbe Million Franken belaufen.
Der FC Zürich will auf Anfrage noch keine Stellung zu der neuen Entwicklung beziehen. Erst will Ancillo Canepa die Urteilsbegründung der SFL-Rekursinstanz eingehend prüfen.
Doch eines scheint sicher: Das Couvert mit den 20'000 Euro wird die Gerichte weiterhin beschäftigen.