Ob auf oder neben dem Platz: Roger Federer überlässt nichts dem Zufall. Jeder Schritt ist minutiös geplant, jede Massnahme abgestimmt. Am 20. Februar informierte der Baselbieter, dass er sich einem arthroskopischen Eingriff am rechten Knie unterzogen hat und mehrere Monate ausfällt. Das ist die sportliche Seite.
Fast unbemerkt stellte er auch neben dem Platz die Weichen für die Zukunft. Nach fast zweijährigem Ringen um das RF-Logo wurden die Rechte am gleichen Tag, am 20. Februar, von seinem ehemaligen Sponsor Nike auf Federers Tenro AG übertragen, vertreten durch die Basler Anwaltskanzlei Wenger & Plattner. Das beweist ein Blick ins Schweizer Markenregister. Das emblematische «RF»-Logo hatte Federer bereits beim Match in Africa in Kapstadt Anfang Februar verwendet. Für ihn und seine Anhänger ist es eine Herzensangelegenheit.
Federer stand während seiner gesamten Karriere und bis im März 2018 beim amerikanischen Sportartikelhersteller Nike unter Vertrag. Der letzte 10-Jahresvertrag brachte ihm 130 Millionen Dollar ein. Doch Federer und Nike konnten sich nicht über eine Verlängerung des Vertrags einigen. Der japanische Kleiderhersteller Uniqlo nutzte die Gunst der Stunde und nahm Federer für kolportierte zehn Jahre und mit einem Gesamtvolumen von 300 Millionen Dollar unter Vertrag.
Das RF-Logo aber blieb weiter bei Nike, Federer hoffte auf eine gütliche Einigung, sagte im Sommer 2018: «Das Logo ist etwas sehr Persönliches für mich. Früher oder später wird es zu mir zurückkommen.» Der Wunsch ging nicht in Erfüllung. Nike hatte erst im April des gleichen Jahres die Markenrechte bis 2020 verlängert.
Fraglich ist, ob Uniqlo, jetzt, wo die Rechte des RF-Logos in Händen der Tenro AG sind, Interesse an einer kommerziellen Nutzung hat. Vor einem halben Jahr sagte der Mediensprecher Aldo Liguori zur «Handelszeitung»: «Uniqlo hat keine Pläne, die Initialen zu verwenden.»
Anfang April hatte Nike seine Produkte mit dem RF-Branding aus dem Sortiment entfernt, die Restposten sind zu stark reduzierten Preisen zu erwerben. Das RF-Logo habe eher emotionalen denn ökonomischen Wert, sagte Sportmarketing-Experte Hans-Willy Brockes. Aufwand und Ertrag stünden in keinem Verhältnis. Bei Fanartikeln für Einzelsportler seien die gebrandeten Outfits nicht besonders wichtig. Aus Sponsoren-Sicht brauche es keine Eigenmarken, ein Outfit mit Logo des Ausrüsters reiche aus.
Seit dem letzten Herbst ist Roger Federer ein Teilhaber des Schweizer Laufschuherstellers On Running. Branchenkenner gehen davon aus, dass der 38-Jährige zwischen 50 und 100 Millionen investiert hat. Laufschuhe sollen zwar auch künftig das Herzstück von On bleiben, doch auch die Entwicklung eines Tennisschuhs ist denkbar. Federer sagte im Herbst zur «New York Times»: «Einen Tennisschuh kreiert man nicht über Nacht, das braucht viel Arbeit. Ich kann ihnen aber versichern: Die Gespräche laufen.»
Auf Anfrage bestätigt On-Mitgründer David Allemann, dass bereits im zweiten Halbjahr das erste Produkt auf den Markt kommt, an dessen Entwicklung Federer mitgewirkt hat. «Wenn alles nach Plan läuft.» Federer sei im ständigen Austausch mit den drei Gründern, Olivier Bernhard, David Allemann und Caspar Coppetti.
Schon vor seiner Verletzungspause brachte Roger Federer sich aktiv in die Entwicklung ein. «On» hat ein portables Lab «eine Art Klappkoffer, der Muster, Proben und Teile des Produkts enthält», wie Allemann präzisiert, entwickelt, um die Innovationen mit Federer dort zu besprechen, wo er sich gerade befindet. Denn so lange er Tennis spielt, gelte sein Fokus dem Sport. Solche Ad-hoc-Treffen finden überall auf der Welt statt, zum Beispiel letzten November bei den ATP Finals in London. Darüber, ob «On» das RF-Logo künftig verwendet, hat man sich noch keine konkreten Gedanken gemacht.
In der Schweiz ist man bereits Marktführer, auch in Japan hat man sich etabliert. Doch On will weiter wachsen, vornehmlich in den USA und China. Mit seinen knapp 1,4 Milliarden Einwohnern ist das Reich der Mitte der wichtigste Markt im asiatischen Raum. Wie überall auf der Welt ist Federer zwar auch dort bereits äusserst populär, doch sein Manager Tony Godsick sieht weiteres Wachstumspotenzial. Auch darum hat sich Federer bis 2023 für das Hanghzhou Tennis Invitational in Ostchina verpflichtet.
Wachsen will im autokratischen Staat auch die Zürcher Sportschuh-Firma On Running, bei der Federer im Oktober mit einem geschätzten Volumen zwischen 50 und 100 Millionen Franken eingestiegen ist. Der Vertrieb erfolgt über Büros in den USA, China, Japan, Australien und Brasilien sowie über 6000 Fachgeschäfte. Das 2010 gegründete Unternehmen hat sich in einem hoch kompetitiven Markt gegen Weltkonzerne etabliert.
Schon bevor Federer einstieg, galt On als Unicorn. Als Unternehmen also, dessen Wert vor einem möglichen Börsengang auf über eine Milliarde US-Dollar taxiert wird. Im letzten Jahr war On zum vierten Mal in Folge die am schnellsten wachsende Laufschuhmarke der Welt. Zuletzt lag das Plus bei sagenhaften 150 Prozent.
Unbegrenzt ist Wachstum bekanntlich nicht, doch das Potenzial scheint noch nicht ausgeschöpft. Vor allem in China, wo On einen Grossteil seiner Produkte herstellen lässt. On glaubt daran. Und Federer glaubt daran. «Mit Roger, mit seiner Strahlkraft, können wir in diesen Ländern noch schneller neue Fans für unseren Schweizer Laufschuh gewinnen», sagte On-Mitgründer David Allemann.
Wie Roger Federer überlässt auch On nichts dem Zufall. Mit Jiahui Yin sitzt seit Oktober 2018 eine Chinesin im Verwaltungsrat der On AG. Am 18. November 2019 hat die in Zürich domizilierte On Clouds GmbH zwei Marken im Markenregister eintragen lassen: «THE ROGER» und «ROGER».
Spielt Roger Federer bei den Olympischen Spielen in Tokyo (24. Juli bis 9. August) also mit dem ersten Tennis-Schuh von On, an dessen Entwicklung er selber mitgewirkt hat? Wer weiss, wie durchdacht Roger Federer auch als Unternehmer vorgeht, kann sich fast nichts anderes vorstellen. Seine Initialen hat er bereits zurückerobert. Nun wartet die Welt.