Die «All Blacks» stehen vor dem WM-Final im eigenen Land unter riesigem Druck. Die selbsternannten Rugby-Könige haben seit 24 Jahren keinen WM-Titel mehr gewonnen und müssen an der Heim-WM in Neuseeland ihrer Favoritenrolle endlich wieder einmal gerecht werden.
Mit Frankreich steht ihnen im Final jener Gegner gegenüber, der die Neuseeländer an der letzten WM aus dem Turnier gekippt hatte. In einem dramatischen Spiel fegten «Les Bleus» damals über die «All Blacks» hinweg und beendeten 2007 das neuseeländische WM-Abenteuer schon im Viertelfinal. Unvergessen bleibt vor allem die französische Trotzreaktion auf den neuseeländischen «Haka».
Auch der «Haka» der Final-Partie geht durch Mark und Bein. Greifbarer könnte die Anspannung nicht sein. Es ist ein Spiel um alles oder nichts, Sein oder Nichtsein. Mehr Testosteron auf einem Haufen geht nicht.
In der Vorrunde bodigten die Neuseeländer Frankreich mit einem Glanzresultat von 37:17, doch das interessiert jetzt niemanden mehr. Das Spiel beginnt wieder bei null, die ganze Rugby-Welt schaut auf die Finalissima.
Neuseeland startet konzentriert in die Partie und kann vor 61'000 Zuschauern im Eden Park in der 15. Minute in Führung gehen. Der Mann, welcher das Ei über die Linie befördert, ist Tony Woodcock. Da Stephen Donald in der 46. Minute per Fuss ebenfalls ins Ziel trifft, führen die «All Blacks» mit 8:0.
Frankreich ist gefordert und reagiert prompt. In der 47. Minute gelingt Thierry Dusautoir, welcher später Mann des Spiels werden sollte, der Anschluss. Da Francois Trinh-Duc auch noch die fällige «Conversion» verwandelt, steht es für den Favoriten nur noch 8:7. Der Underdog ist wieder dran, Neuseeland hat das Momentum verloren. Nur noch ein «Try» der Franzosen und der Pokal wäre auch dieses Mal wieder weg.
Neuseeland wankt, das Spiel steht auf Messers Schneide. Dank einer beispiellosen Willensleistung und etwas Glück kann Neuseeland das Ding aber über die Zeit retten. Nach etwas mehr als 80 Minuten pfeift Schiedsrichter Craig Joubert aus Südafrika die Partie ab und versetzt das ganze Stadion in Party-Modus. Jetzt gibt es kein Halten mehr, endlich sitzen die «All-Blacks» wieder auf dem Rugby-Thron.
Doch nicht nur im ausverkauften Eden Park geht die Post ab. Auf den Strassen Neuseelands wurde der historische Moment ebenfalls sehnlichst herbeigesehnt. Im Moment, als der Schiedsrichter das Spiel abpfeift, brechen im «Stadion für vier Millionen» – so nennen die Neuseeländer ihre Heimat während des 45-tägigen Events – alle Dämme.
Auch am darauffolgenden Tag kennt die Freude keine Grenzen. 240'000 Zuschauer wandern ins Stadtzentrum von Auckland und sorgen mit einer farbenfrohen Party für einen krachenden Abschluss der sechswöchigen Rugby-Festspiele.
2015 verteidigen die All Blacks den Titel dank einem 34:17 gegen Erzfeind Australien. Man kann sich die Party vorstellen. Doch 2019 gibt es nach zwei WM-Titeln in Folge keinen Hattrick: Die Kiwis unterliegen im Halbfinal England und gewinnen Bronze. Weltmeister wird dank einem 32:12-Sieg über die Engländer zum dritten Mal Südafrika.
Hart, intensiv, fair.
Sobald man sich mehr damit befasst, wird er noch interessanter.
Und man weiss es ev auch nicht. Aber die Rugby WM ist der 3.-grösste Sportanlass der Welt.