Das liebe Geld. Ein Politikum ersten Grades. Weil der Bund eine Rad-Weltmeisterschaft, die nie stattfand, mit viereinhalb Millionen Franken subventioniert hat, dreht sich im Schweizer Radsport seit Wochen vieles im Kreis. Ein Kreislauf, der nicht vor der einen oder anderen Schlaumeierei Halt macht und der längst das Bundeshaus erreicht hat.
In den Diskussionen geht es auch um die Tour de Suisse der Frauen. Der Landesverband Swiss Cycling will im Soge seines Frauenförderprojekts «#fastandfemaleSUI» die Landesrundfahrt der Frauen wieder ins Leben rufen. Und dies nicht nur für drei Austragungen wie beim Anlauf vor gut 20 Jahren, als man aus wirtschaftlichen Gründen schnell kapitulierte.
Swiss Cycling will die Gunst der Stunde nutzen. Frauenansprüche sind im Sport nicht erst seit der forschen Kultivierung des Themas durch Sportministerin Viola Amherd en vogue. Als der Verband vor zwei Wochen die Lancierung dieser Tour bekannt gab, stiess das Vorhaben auf viel Wohlwollen in der Gesellschaft, bei den Sponsoren und in der Politik. Der Knackpunkt blieb jedoch die Frage, wie man das Budget von rund einer halben Million Franken zu stemmen vermag.
Eine Gruppe Parlamentarierinnen unterschiedlichster politischer Couleur verlangte per Motion vom Bundesrat die Übernahme einer Defizitgarantie, falls die Subventionen der ausgefallenen WM 2020 von Aigle-Martigny nicht in den Radsport fliessen. Eine Idee, die beim federführenden Bundesamt für Sport nicht auf Gegenliebe stösst, da solches im Schweizer Sport bei wiederkehrenden Events ein Präjudiz schaffen und ziemlich quer zur bisherigen Sportförderlandschaft stehen würde.
Dennoch darf Thomas Peter, der Direktor von Swiss Cycling, 45 Tage vor dem Startschuss der zweitägigen Frauen-Tour am 5./6. Juni in Frauenfeld in finanzieller Hinsicht grünes Licht verkünden. Mehrere Sponsoren unterstützen das Frauen-Projekt, allen voran die Vaudoise-Versicherung, die als Hauptsponsor auch die Männer-Tour mitfinanziert.
Und auch das Bundesamt für Sport will sich für den Event ins Zeug legen. Mit einer Art Anschubfinanzierung soll der Start ermöglicht werden. Es verbleibt einzig Corona als Unsicherheitsfaktor, selbst wenn das Schutzkonzept für die am gleichen Wochenende an gleicher Stätte beginnende Tour de Suisse der Männer beim Gesundheitsamt des Kantons Thurgau auf Anklang stösst.
Ein grosses Anliegen von Swiss Cycling ist die Sicherung der vor zwei Jahren ins Leben gerufenen Förderprojekte für Frauen und den Nachwuchs. Diese werden grösstenteils aus dem Topf für Begleitmassnahmen der Radsport-Grossereignisse in der Schweiz mittels staatlicher Sportfördergelder anschubfinanziert.
Die Idee war, diese Projekte mit wiederkehrenden Geldern von jährlich 500'000 Franken über sechs Jahre finanzieren zu können. Neben zwei Bike-Weltmeisterschaften (2018 in Lenzerheide, 2025 im Wallis und einer Radquer-WM 2020 in Dübendorf) standen auch zwei Titelkämpfe auf der Strasse (2020 in Aigle-Martigny und 2024 in Zürich) auf dem Programm der langfristigen Eventstrategie von Swiss Cycling.
Ein einstimmig verabschiedeter Brief der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrates an den Bundesrat schlägt vor, die zurückfliessenden Bundessubventionen der abgesagten WM im Rhonetal anstatt in die Staatskasse lieber in die Förderung des Frauen- und Nachwuchsradsports zu stecken. Eineinhalb Millionen Franken beträgt momentan die Deckungslücke, um aus den Projekten keine Rohrkrepierer werden zu lassen.
Der Bund signalisierte in den vergangenen Tagen Bereitschaft in Richtung einer ganzheitlichen und langjährigen Unterstützung des Frauenradsports im Zusammenhang mit der Subventionierung der Strassen-WM 2024. Bevor Planspiele über die Verwendung der Gelder in die Tat umgesetzt werden können, muss zuerst das WM-Geld 2020 zurückfliessen. Weil dieser Vorgang äusserst harzig anlief, schaltete sich selbst Sportministerin Viola Amherd ein. An einem Treffen im Februar mit allen Beteiligten machte sie unmissverständlich klar, dass die geflossenen Bundessubventionen ohne Wenn und Aber zurückbezahlt werden müssen und nicht etwa für entgangene Gewinne der abgesagten WM eingesetzt werden dürfen. Einzig die effektiven Aufwendungen können die WM-Organisatoren und der Weltverband UCI deklarieren.
Gemäss einer nun vorliegenden Abrechnung des Veranstalters will man 4,4 Millionen der total neun Millionen Franken erhaltener öffentlicher Gelder an Bund und Kantone Waadt und Wallis zurückbezahlen – zweieinhalb Millionen davon an den Bund. Nach dem Willen der WBK und den Ideen von Swiss Cycling sollen maximal eineinhalb Millionen für die Radsportförderung aufgewendet werden, um die Tour de Suisse der Frauen für drei Jahre zu sichern.
Das Bundesamt für Sport will die WM-Abrechnung nun vom renommierten Prüfungsunternehmen PwC durchleuchten lassen, wie Baspo-Direktor Matthias Remund erklärt. Denn es gibt durchaus noch offene Fragen. So behält die UCI gemäss Abrechnung 3,2 Millionen der insgesamt 5,8 Millionen Franken Veranstalter-Fee. Wo die Millionenausgaben des Weltradsportverbands genau liegen, ist nicht allen Beteiligten klar.
Immerhin versprach Grégory Devaud, OK-Präsident der abgesagten WM, gegenüber dem Schweizer Fernsehen, dass man die Gelder so schnell wie möglich zurückbezahlen wolle, um den Radsport der Frauen zu unterstützen. Und Swiss-Cycling-Direktor Thomas Peter sagt zur PwC-Prüfung: «Der Bund muss sicherstellen, dass das Geld dort eingesetzt wird, wo es für die Förderung des Schweizer Radsports einen tatsächlichen Mehrwert bringt.» Zum Beispiel bei der Tour de Suisse der Frauen.