«Alles ist gut gegangen, ich bin sehr glücklich. Ich habe noch nicht so ganz verstanden, was momentan abläuft. Das dauert wohl noch ein bisschen. Ich möchte am Sonntag nur nach Paris kommen, dann geht für mich ein Traum in Erfüllung», sagte Egan Bernal nach der vorletzten Etappe der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt.
Einzig die 128 km von Rambouillet nach Paris, wo es auf den Champs-Élysées kurz nach 21 Uhr wohl wie immer in den letzten Jahren zum Massensprint kommen wird, stehen zwischen dem Südamerikaner und dem grösstmöglichen Erfolg eines Radprofis. Am Schlusstag jedoch wird der Leader traditionell nicht mehr angegriffen.
Der Leader – und ohne grosses Pech – auch Sieger der 106. Tour de France, ist erst 22 Jahre und 6 Monate alt. Kein Tour-Triumphator war seit 1909 jünger als Bernal, der noch 2017 für den kleinen italienischen Rennstall Androni fuhr und die Tour de l'Avenir bestritt. Die renommierte Nachwuchs-Rundfahrt gewann er souverän, woraufhin ihm mit David Brailsford der Chef des Teams Sky einen Vertrag anbot – und Androni eine hohe Ablösesumme zahlen musste.
Heuer hätte Bernal für die in Ineos umbenannte Equipe den Sieg im Giro d'Italia sicherstellen sollen. Ein Sturz mit Verletzungsfolge in der Vorbereitung verhinderte diesen Plan. Stattdessen musste der Kolumbianer, der im März die achttägige Rundfahrt Paris – Nizza gewonnen hatte, einige Wochen pausieren. Mitte Juni an der Tour de Suisse gab Bernal sein Comeback, standesgemäss mit dem Gesamtsieg.
Trotzdem sah er sich für die Frankreich-Rundfahrt in der Rolle des Edelhelfers für den Vorjahressieger Geraint Thomas. Tatsächlich überquerte er in der vorletzten Etappe, die wegen eines Erdrutsches auf 59,5 km verkürzt werden musste, jubelnd und Seite an Seite mit dem elf Jahre älteren Briten die Ziellinie in Val Thorens.
Doch es war Thomas, der seinem Ineos-Teamkollegen zu gratulieren hatte, sich trotz der persönlichen Enttäuschung aber dennoch sehr fair äusserte: «Egan ist ein unglaublicher Fahrer. Es ist mir eine Ehre, dass ich bei seinem Triumph eine Rolle spielen konnte. Er hat viele gute Jahre vor sich.»
Bernal führt im Gesamtklassement vor der 21. und letzten Etappe mit 1:11 Minuten Vorsprung vor Thomas. Für das Team Ineos, das heuer weniger dominant auftrat als in der Vergangenheit, als es noch Sky hiess, ist es der siebte Gesamtsieg in den vergangenen acht Jahren. 2012 hatte Bradley Wiggins als erster Brite triumphiert, vor dem dieses Mal verletzt abwesenden Chris Froome. Der in Kenia geborene Brite setzte sich dann 2013 sowie von 2015 bis 2017 durch.
Wie im Vorjahr mit Tom Dumoulin wird auch heuer ein Niederländer die Grande Boucle auf dem Podest beenden. In zuvor 15 Starts an dreiwöchigen Rundfahrten war dies Steven Kruijswijk (1:31 Min. zurück) noch nie gelungen. Als Vierter folgt mit knapp zwei Minuten Rückstand Emanuel Buchmann, der für die beste Tour-Klassierung eines Deutschen seit 2006 sorgt (Andreas Klöden/2. Rang). (ram/sda)