In Denver (Colorado) geht am Sonntag «The Biggest Badass Since Chuck Norris» («Men's Health») in Rente: Jens Voigt, in einem Monat 43 Jahre alt. Der «knallharte Typ» ist kein Filmschläger wie sein berühmter Kollege, sondern Radprofi. Voigt ist kein Namenloser im grossen Feld, sondern einer, der bei den Fans zu den populärsten seiner Zunft gehört. Weil er sehr oft angreift, weil er nie aufgibt.
«Shut Up Legs!» lautet der bekannteste seiner Sprüche, die Anweisung an seine schmerzenden Werkzeuge: «Beine, haltet die Schnauze!». Ob man hinten im Feld fahre oder vorne in der Flucht spiele keine Rolle, sagte Voigt einmal, es würde sowieso schmerzen. Da fahre er lieber vorne, wo die Möglichkeit bestünde, ein Rennen zu gewinnen.
Weil der Deutsche in den USA besonders viele Anhänger hat, entschied er sich, seine Karriere dort zu beenden. In der viertletzten Etappe seines Rennfahrer-Lebens bot sich Voigt am späten Donnerstagabend (Schweizer Zeit) noch einmal die Chance, einen Sieg einzufahren.
Auf dem Rundkurs durch den «Garten der Götter» bei Colorado Springs ergriff der 42-Jährige gemeinsam mit zehn Berufskollegen kurz nach dem Start die Initiative und ging in eine Fluchtgruppe, die sich rasch einen schönen Vorsprung erarbeiten konnte.
40 Kilometer vor dem Ziel, einige Flüchtlinge waren bereits zurückgefallen, setzte sich der baldige Velo-Pensionär auch noch von seinem letzten Begleiter ab und machte sich solo auf in Richtung des Ziels. Nah und näher kam er dem Zielstrich, noch einmal litt Voigt, angefeuert von den Fans, auf seinem Rad, ein letztes Mal durfte er mit einem Profisieg liebäugeln.
Es wurde nichts daraus. Auf dem letzten Kilometer wurde Voigt doch noch vom heranrasenden Feld geschluckt, das zuvor lange unorganisiert war und dem Oldie den Sieg gönnen zu schien. Letztlich gewann der Italiener Elia Viviani im Spurt souverän vor dem Schweizer Martin Kohler, den man in einem Massensprint nicht so weit vorne erwartet hätte.
«Ich habe mein Bestes gegeben», sagte Voigt nach der Etappe, «mehr ging einfach nicht. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt und bin heute ‹All-In› gegangen. Ich hätte die Etappe so gerne gewonnen, aber niemand schenkt einem einen Sieg. Das gibt es nicht im Radsport.»
«Das war wohl meine Abschiedsrunde heute», schrieb der äusserst aktive Twitterer, dessen Trikot an der USA Pro Challenge den Aufdruck «Farewell Fans!» («Lebt wohl, Fans!») trägt, nach den Siegerehrungen. «Es fühlte sich grossartig an, noch einmal auf der Flucht zu sein. Es gab mir das Gefühl, lebendig zu sein.»
I guess i did my farewell lap today. It felt great to be out there one more time! It made me feel alive pic.twitter.com/3jEvfQzDo9
— Jens Voigt (@thejensie) 22. August 2014
Bei Trek ist der 17-fache Tour-de-France-Teilnehmer und zweifache Tour-Etappensieger ein Teamkollege des Schweizers Fabian Cancellara. Der Berner, der ab morgen die Spanien-Rundfahrt bestreitet, drückte seinem deutschen Kameraden aus der Ferne die Daumen:
Go go go @thejensie you can do it.....
just only the social media from the @TrekFactory is helping for the infos....
— Fabian cancellara (@f_cancellara) 21. August 2014
Voigts Masseur bedankte sich für die Emotionen, die er dem Team mit seinem letzten Ausritt beschert habe:
So close so far @thejensie at Colorado spring. @TrekFactory .thank you for the emotion! I work for that.we gone enjoy our 3 last massages
— gicquel stephane (@stephanngicquel) 21. August 2014
Der belgische Ex-Profi Axel Merckx, heute Sportlicher Leiter beim amerikanischen Bontrager-Team, zeigte sich schwer beeindruckt von Voigts Leistung. «Jens ist älter als ich und ich fragte mich: ‹Wie zum Teufel macht der das bloss?!›»
Die witzige Vermutung der Mediensprecherin des Teams Katjuscha: «Es muss an den Genen liegen.» Das ist deshalb witzig, weil Merckx' Vater Eddy der erfolgreichste Velorennfahrer aller Zeiten war.
@axelmerckx @thejensie He must have incredible racing DNA....oh, wait! ;-)
— Cathy Mehl (@CMehl) 22. August 2014