Da lag er nun, in der Ambulanz, und er weinte bittere Tränen. Stefan Küng war klar: Die Italien-Rundfahrt ist für ihn zu Ende. Zu diesem psychischen Schmerz kamen körperliche hinzu. Küng war auf der 12. Etappe des Giro in einer Abfahrt gestürzt.
«Ich wollte keine Risiken eingehen», erinnert sich Küng an den fatalen Moment. Doch plötzlich seien in einer Linkskurve zwei Fahrer des Teams CCC vor ihm zu Boden gegangen. «Ich versuchte, ihnen auszuweichen. Aber sie und ihre Velos versperrten die ganze Strasse», erzählt Küng. «Ich fuhr in eines der Velos, kam zu Fall und knallte mit dem Kopf auf den Asphalt.» Bei diesem Aufprall habe er sich wohl am Wirbel verletzt.
Die Diagnose stand lange nicht fest. Erst konnte das BMC-Team Angaben zu Stefan Küngs Gesundheitszustand machen. Küng wird vorderhand im Spital von Vicenza gepflegt. Er muss wohl noch mehrere Tage dort bleiben. Neurologische Probleme hat er gemäss BMC-Teamarzt Dr. Max Testa nicht. «Dennoch wird er noch einige Tage im Bett bleiben müssen, bevor er mit der Reha beginnen kann.» mitten in der Nacht
Küng wird oft – oder besser: andauernd – mit Fabian Cancellara verglichen. Doch die jüngste Parallele dürfte keinen der beiden freuen: Der Berner erlitt im Frühling eine ähnliche Verletzung. Er steht nach zwei Monaten kurz vor seinem Comeback.
Neoprofi Küng hatte sich bei seiner ersten Grand Tour zuvor wiederholt aktiv gezeigt. Er schien gut in Form zu sein und freute sich auf den Samstag. Morgen findet ein Zeitfahren statt, Küngs Spezialdisziplin. Der 21-Jährige war gespannt herauszufinden, an welchem Platz er sich würde einordnen können.
Auch deshalb wurde es in der Rettungsambulanz emotional. «Mir liefen die Tränen einfach hinunter», gibt Küng freimütig zu. «Jeden Tag habe ich mich auf dieses Zeitfahren gefreut. Es ist sehr schade, dass der Giro nun auf diese Art zu Ende geht.» Zum ersten Frust kam ein zweiter hinzu, als Küng die Diagnose der Ärzte hörte: Drei bis vier Monate Rennpause. «Es wird eine Weile dauern, bis ich zurück bin. Aber ich komme ganz sicher zurück!»
my #giro campaign is over... crashed on stage 12 in the descent and fractured a vertebra. long way of recovery ahead. I'll be back asap !!!
— Stefan Küng (@stefankueng) 22. Mai 2015
So lagen für das BMC-Team an einem regnerischen Tag beide Extreme nahe beisammen. Die Freude über den Etappensieg durch Philippe Gilbert konnte nicht so gross sein wie üblich – denn mit Stefan Küng verlor die Equipe ihr vielleicht hoffnungsvollstes Nachwuchstalent.
Very great performance from my team mates today you guys really make the difference! Special support for @stefankueng after his crash! #win
— PHILIPPE GILBERT (@PhilippeGilbert) 21. Mai 2015