Die Olympia-Delegation der USA hat es generalstabsmässig organisiert. Vor dem Start zur Saison erhielten die potenziellen Olympia-Athletinnen und Athleten im Spätherbst ihren Corona-Booster. Im Schweizer Team für die Winterspiele wird die dritte Impfung erst jetzt so richtig aktuell. Hat man dieses Thema etwa gar verschlafen?
Nein. Zum einen war die Booster-Impfung zum Zeitpunkt, als die amerikanischen Olympioniken den Piks erhielten, in der Schweiz erst für Risikopatienten zugelassen. Zum anderen gibt es für Schweizer Sportlerinnen und Sportler im Gegensatz zu manch anderen Nationen keine Sonderregeln, was die Impfmöglichkeit betrifft.
Weil eine Mehrheit der Wintersportlerinnen und -sportler die beiden Impftermine im Sommer hatte, ist der Booster jetzt aktuell. Der Schweizer Olympiaarzt Patrik Noack empfiehlt die Auffrischungsimpfung auf jeden Fall und hat dies vor knapp einem Monat in einem Mail an die Peking-Kandidaten auch bei der Kundschaft deponiert: «Der Booster minimiert das Risiko von Impfdurchbrüchen», sagt Noack. Gerade jetzt, wo die Omikron-Variante das Virus auch in Sportkreisen wieder zügellos grassieren lässt, bietet dies eine zusätzliche Sicherheit, den vermeintlichen Karrierehöhepunkt nicht aus der Quarantäne miterleben zu müssen.
Die Herausforderung liegt – mit wenigen bekannten Ausnahmen – nicht in der Frage, ob man impfen soll. Sondern wann? Das Wettkampfprogramm sieht sowohl bei den Alpinen wie bei den Nordischen praktisch keine mehrtägigen Pausen vor. Selbst während den Festtagen finden beispielsweise in Bormio, Oberstdorf und der Lenzerheide Weltcups statt. Und aufgrund möglicher Impfnachwehen empfiehlt sich rund um den Booster eine Trainingspause von zwei und eine Wettkampfpause von sicher vier Tagen.
Die rigorosen chinesischen Covid-Vorschriften schreiben eine Impfung bis spätestens 14 Tage vor Abreise vor. Ab dann müssen alle Athletinnen und Athleten täglich per App ihre Körpertemperatur und ihren Gesundheitsstatus nach Peking übermitteln. Weil viele Sportlerinnen und Sportler von Swiss Ski bereits am 31. Januar ins Flugzeug steigen, muss die Impfaktion bis Mitte Januar abgeschlossen sein.
Sowohl bei den Alpinen wie bei den Nordischen setzt man deshalb auf einen individuellen, situativen Fahrplan für jede Athletin und jeden Athleten, der ans jeweilige Wettkampfprogramm angepasst ist. Doch nicht nur Impfunwillige verzichten vorderhand auf den Booster. Alpin-Direktor Walter Reusser sagt, dass rund 50 Prozent des Weltcup-Trosses die beiden Basisimpfungen vor September und der andere Teil erst danach erhalten hat. Für diese Hälfte sind die vier Monate Wartefrist bis Peking noch nicht abgelaufen. Der Betreuerstab wird grossmehrheitlich vor den Rennen in Adelboden geboostert.
Bei den Nordischen hat man den Weltcup in Davos dazu genutzt, Trainer und Serviceleute zum dritten Mal zu impfen. Bei den Athletinnen und Athleten gab es zum Thema Coronaimpfung im Sommer durchaus auch kontroverse Diskussionen, gibt Nordisch-Direktor Hippolyt Kempf zu. «Es bestand eine relativ grosse Skepsis betreffend Auswirkung auf die Leistungsfähigkeit. Gerade Ausdauerathleten sind diesbezüglich sehr sensibel. Man will sich primär nicht künstlich krank machen lassen.» Deshalb lag die Impfquote im Herbst erst bei gut 80 Prozent. Inzwischen ist man dem Ziel eines vollständig geimpften Nationalkaders sehr nahe. Rund 97 Prozent sind geimpft. Jetzt entscheidet der Einsatzplan, wer wann den Booster erhält.
Gerade bei den Langläufern gehört auch die Grippeimpfung zum jährlichen Ritual. «Denn wer im Januar die Grippe kriegt, der ist bei Olympia chancenlos», sagt Kempf. Rund 70 Prozent der Nordischen lassen sich dagegen impfen. Verabreicht wird der Piks jeweils beim Abgabetag des neuen Materials im Herbst.
Mit dem Booster sollte auch das Risiko einer Omikron-Infektion deutlich reduziert sein. Auch die konsequente Abschottung während den Olympischen Spielen minimiert Ansteckungen, wie das Beispiel von Tokio zeigt. Dort gab unter allen 60'000 akkreditierten Personen nur rund 300 positive Fälle – viel weniger als im gleichen Zeitraum innerhalb der japanischen Bevölkerung. Athletinnen und Athleten waren lediglich 19 betroffen. Am grössten ist das Risiko, einen positiven Test abzuliefern, bei der Einreise. Bereits am Flughafen wurden in Tokio 35 Personen aus dem Verkehr gezogen.
Die Schweizer Delegation an den Olympischen Sommerspielen in Tokio erlebte keinen einzigen positiven Fall. Dabei half auch die konsequente Einhaltung der Schutzmassnahmen mit. Das Tragen der Schutzmaske hat einen weiteren positiven Effekt. In Tokio gab es während der gesamten Dauer der Spiele nur vier Arztkonsultationen wegen eines Infekts der Atemwege. So wenig wie nie zuvor bei Olympia.