Sag das doch deinen Freunden!
«Riders ready? Five seconds warning!», brüllt der Speaker durchs Mikrofon. Für einen kurzen Moment setzt die dröhnende Musik aus und von den Zuschauern hört man keinen Ton. Nur der eisige Wind pfeift durch die Bäume. Dann ertönt das Startsignal, die Gates öffnen sich und die Fahrer preschen hinaus. Ohne Furcht stürzen sie sich den steilen Starthang hinunter. Sofort beginnen die Positionskämpfe.
Im finnischen Jyväskylä fand an diesem Wochenende ein Rennen der «Red Bull Crashed Ice»-Tour statt. Im hohen Norden befindet sich den ganzen Winter über ein Natureis-Kanal. Mit 630 Metern ist er der längste in der Geschichte des Crashed Ice. Auf einem Gefälle von 64 Metern stürzen sich die Athleten mit über 50 km/h in die Tiefe. Dabei passieren sie einen Tunnel, S-Turns und springen sogar über Felsen. Auch das hat es noch nie gegeben.
Die Stimmung unter den bis zu 5000 Fans ist besser als an jedem Volksfest: Musik dröhnt über die ganze Strecke, es wird getrunken und gefeiert. Ein Vorteil ist sicher, dass die Temperaturen nur knapp unter dem Nullpunkt liegen – für Finnland schon fast frühlingshafte Verhältnisse.
Ihren Höhepunkt erreicht die Stimmung beim Teamevent. Die Zuschauer jagen das finnische Team förmlich den Kanal hinunter und als das einheimische Trio den zweiten Platz herausfährt, gibt es auf den Rängen kein Halten mehr.
Weniger gut sind die hohen Temperaturen hingegen für die Piste. An einigen Stellen bilden sich sogar Pfützen. Sie stellen einige der wenigen Schwierigkeiten dieses vergleichsweise leichten Kurses dar. Dessen Hauptproblem liegt in der Länge. Sogar die schnellsten Fahrer schaffen die Strecke nur knapp unter einer Minute. Wer das Finale erreicht, muss an einem Tag gleich fünf Mal den Kurs hinunter.
Der beste Schweizer, Kilian Braun, erklärt denn auch: «Angst habe ich hier keine, höchstens Respekt.» Aber auch davon ist nichts zu sehen. Ohne Rücksicht auf Verluste wirft sich der Schweizer ein ums andere Mal den Höllenschlund hinunter. Am Ende klassiert er sich auf dem ansprechenden fünften Rang.
Zu Beginn von Brauns Karriere sah das noch anders aus. «Ich kam per Zufall auf diesen Sport, weil ein Kollege mir ein Youtube-Video gezeigt hat und meinte, das wäre doch was für mich. Als ich das erste Mal am Start oben stand und auf die Strecke schaute, zitterten mir die Knie und ich hatte absolute Panik.»
Bei seinem ersten Rennen 2008 in Davos reichte es dem ehemaligen Eishockey-Spieler dann auch nicht zu einer Top-Platzierung und er verletzte sich sogar noch an der Schulter. Das «geile Gefühl», das man während der Fahrt hat, bewog ihn aber weiterzumachen. Und mit der Zeit etablierte er sich an der Weltspitze.
Bei anspruchsvolleren Kursen wie demjenigen in Saint-Paul in den USA sei die Angst schon eher vorhanden. Gleich zu Beginn geht es dort eine extrem steile Rampe hinunter, gefolgt von einem sieben Meter langen Sprung. Braun zeigt uns das Video eines Fahrers, der diesen Sprung nicht stehen kann. Das Knacken, als das Steissbein bricht, geht durch Mark und Bein.
Von schweren Stürzen bleiben die Athleten an diesem Wochenende zum Glück verschont. Das heisst aber nicht, dass alle ohne Schwierigkeiten durchkommen. Ein Fahrer produziert bei einer Welle gleich einen Salto. Ein anderer knallt nach einem Sturz mit voller Wucht in die Bande.
Besonders schön mitzuerleben ist der Umgang unter den Athleten. Auf der Piste schenken sich die Fahrer gar nichts: Um jeden Meter wird gefightet, die Postionen werden mit aller Kraft verteidigt. Ein Kanadier und ein Deutscher prügeln sich nach dem Run sogar, weil der eine auf dem Kurs zu stark gezogen und gezerrt haben soll.
Ansonsten aber präsentieren sich die Fahrer als grosse Familie. Sie geben sich gegenseitig Tipps, klatschen sich vor den Läufen jeweils ab. Der Frust über Niederlagen währt bei den meisten nicht lange. Sofort folgt die Gratulation an den Überlegenen. Und spätestens an der Afterparty sind sowieso alle Streitereien des Tages vergessen.
Die Reise nach Finnland erfolgte auf Einladung von Red Bull.