Die Castingshow «The Voice of Switzerland» auf SRF ist vorbei, und die Zuschauer haben ihre Siegerin gekürt – Tiziana Gulino. Dass das kein Urteil für die Ewigkeit war, stellte sich erst im Nachhinein heraus. Denn danach machte der in der Sendung zweitplatzierte Shem Thomas das Rennen. Seine Single «Crossroads» landete direkt auf Platz eins der iTunes-Charts – die eigentliche Siegerin der Sendung mit ihrer Performance «Warrior» hat ganze zehn Rangplätze dahinter nur das Nachsehen. (Siehe Infobox)
Von den übrigen zwei Finalisten befindet sich Peter Brandenberger aus dem Team Fankhauser mit «Livin' It Up» auf Platz 33 und Rahel Buchhold aus dem Hause Stress belegt mit «Lifeless» den 35. Platz der iTunes-Charts.
So gesehen gewann zuerst Marc Sway mit seinem Schützling Tizi und dann Stefanie Heinzmann mit ihrem Mignon Shem Thomas. Man könnte meinen, ein Talent schmiede das andere. Stellt sich nur folgende Frage:
Um es vorweg zu nehmen: zur Zeit nicht viel. Weder bei den Top 50 der iTunes-Charts noch in den Top 75 der Schweizer Hitparade sind die vier als erfahren geltenden Schweizer Musiker dabei. Fairerweise muss man die momentane Inexistenz eines Hits damit entschuldigen, dass Sway, Stress, Heinzmann und Fankhauser mit «The Voice of Switzerland» alle Hände voll zu tun hatten und deshalb keine Zeit für ein kreatives Wirken aufbringen konnten. Doch was sagt der Blick auf die Charts-History der vier Juroren?
Ohne Zweifel, Stress ist nicht nur in der Schweiz, sondern auch im frankophonen Ausland erfolgreich. In den Single-Charts belegte der Welschschweizer in einem Musiker-Kollektiv mit Bligg, Baschi, Ritschi und Seven und deren Song für die damals auf der Kippe stehende Radiokonzession für Energy «Stahn uf» im Sommer 2009 den ersten Platz. Zwei Jahre zuvor liebäugelte Stress mit «Avenues», der Filmmusik zu «Breakout », bereits mit der Chartspitze, kam jedoch nicht höher als Platz vier.
Bei den Alben hingegen sah es goldiger aus. Ganze vier von sieben Stress-Alben erklommen die Spitze der Schweizer Hitparade. Vom Frühjahr 2007 mit «Renaissance», zwei Jahre später mit «Des rois, des pions et des fous», im Herbst 2011 mit «Renaissance II» bis hin zu Weihnachten 2012, als das mit Bastian Baker koproduzierte Album «Noël's Room» den Peak erreichte. Der letzte Charterfolg liegt also rund ein Jahr zurück.
Marc Sway blieb die Schweizer Chartspitze bisher verwehrt. Ein wenig Gipfelluft konnte er dennoch schnuppern, als 2007 der Song «Hemmigslos liebe» im Duett mit der Musicstar-Gewinnerin Fabienne Louves den siebten Platz belegte. Sein Album «Tuesday Songs» erreichte drei Jahre später den fünften Platz. 2012 kam er mit dem Album «Soul Circus» auf Platz sechs.
Bekannt wurde die Walliserin mit einer Castingshow im Jahre 2008. Die damals 18-Jährige gewann den Musikwettbewerb von Stefan Raab «SSDSDSSWEMUGABRTLAD» (Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte und gern auch bei RTL auftreten darf) und eroberte mit ihrem Siegessong «My Man Is A Mean Man» die Schweizer Chartspitze und erreichte in der deutschen den dritten Platz.
Danach konnte sie sich im Wettbewerb um die begehrtesten Schweizer Singles erst vier Jahre später wieder behaupten, als sie 2012 mit «Diggin' In The Dirt» den sechsten Platz erreichte.
Im Single-Chart-Vergleich kann Philipp Fankhauser zwar mit den anderen Popmusik-geprägten Juroren nicht mithalten. Eigentlich klar, denn seine Musik – Blues und Jazz – wird kaum vom typischen Hitparade-Hörer konsumiert, geschweige denn gekauft. So zeigt sich ein vergleichbarer Erfolg höchstens bei den Albumcharts, wo der Musiker mit drei seiner vier veröffentlichten Scheiben immer unter den Top 10 dabei war. Erstmals 2008, als die LP «Love Man Riding» auf dem siebten Platz landete. Danach 2011, als «Try My Love» zum drittbeliebtesten Album der Schweiz erkoren wurde und letztmals vor einem Jahr: Die «Philipp Fankhauser Plays Montreux Jazz Festival»-Performance erreichte – wie fünf Jahre zuvor – erneut den siebten Platz.
Verschiedene Kritiker auf diversen Musikblogs und Foren versuchen immer wieder aufzuzeigen, dass im Vergleich zu den iTunes-Charts die Erhebung der Schweizer Hitparade (Singles Top 75) nicht so transparent sei. So beeinflussten und verfälschten Plattenlabels beim Ringen um die begehrten Hitparaden-Plätze den effektiven Hörertrend und unbekannte Interpreten hätten gar keine Chance, den bekannten die Stirn zu bieten. Das sei bei den iTunes-Charts nicht so extrem, weil da die effektive Zahl der Downloads die Klassifizierung ausmachen würde.
Schenkt man dieser Chart-Bevorzugung Glauben, so könnte man schlussfolgern, dass die Erstplatzierung bei den iTunes-Charts von Shem Thomas trotz dem Fehlen einer schützenden Plattenverlags-Hand eigentlich noch eindrücklich ist. Abgesehen von allen persönlichen Vorlieben muss dabei noch die Vielzahl der verschiedenen Musikcharts-Verfahren (Siehe Infobox) bedacht und die Dauer, wie lange sich ein musikalisches Werk in den besagten Listen hält, berücksichtigt werden.
Denn «The Voice of Switzerland» macht Pause, weil für den kommenden Winter das SRF eine dritte Staffel von «Die grössten Schweizer Talente» plant, wie die SDA berichtete. Man wolle beide Formate pflegen und habe sich deshalb entschieden, das andere aufzugreifen, teilte SRF mit. Es sei nicht ausgeschlossen, dass VoS 2016 wieder auf den Bildschirm zurückkehre.