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Der Konflikt in der Ukraine forderte inzwischen schon 250 Tote

Ukraine-Krise

Der Konflikt in der Ukraine forderte inzwischen schon 250 Tote

In der Ukraine sind nach Schätzungen der UNO seit Beginn der Proteste im November 2013 etwa 250 Menschen ums Leben gekommen. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Grund zur Hoffnung auf eine friedliche Lösung sieht eine UNO-Beobachtermission dennoch. 
16.05.2014, 22:08
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Allein 127 Tote habe man seit Beginn der «Anti-Terror-Aktion» Kiews gegen Separatisten im Osten des Landes gezählt, sagte UNO-Mitarbeiter Ivan Simonovic am Freitag in Kiew. Zur Zeit würden mindestens 49 Menschen von bewaffneten Gruppen festgehalten, Dutzende seien vermisst. 

Kiew am Freitag: UNO-Mitarbeiter Ivan Simonovic spricht über die schockierenden Zahlen der Ukraine-Krise. 
Kiew am Freitag: UNO-Mitarbeiter Ivan Simonovic spricht über die schockierenden Zahlen der Ukraine-Krise. Bild: AP/AP

Simonovic forderte die prowestliche Übergangsregierung des Landes auf, friedliche Regierungsgegner aus der Ostukraine in einen Dialog einzubeziehen. «Ich glaube weiter daran, dass die Situation nicht unumkehrbar ist», sagte der stellvertretende UNO-Generalsekretär für Menschenrechte. 

Alarmierende Verschlechterung der Menschenrechtslage

Nach Erkenntnissen der UNO haben bewaffnete Separatisten im Osten der Ukraine haben gezielt Menschen entführt, gefoltert und getötet. In einem am Freitag in Genf und Kiew vorgestellten Bericht ist von einer «alarmierende Verschlechterung» der Menschenrechtslage die Rede.

Vor allem gut organisierte und schwer bewaffnete Gegner der Regierung in Kiew seien in Gewaltexzesse wie Morde, Folter, Entführungen und Misshandlungen verwickelt, wird die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, in dem Bericht zitiert.

Prorussische Miliz bei Slawjansk: Die Rebellen sollen in Morde, Folter, Entführungen und Misshandlungen verwickelt sein. Bild: EPA/EPA
Die OSZE will Geld sammeln, um die Entwaffnung der illegal Bewaffneten in der Ukraine zu finanzieren. 
Die OSZE will Geld sammeln, um die Entwaffnung der illegal Bewaffneten in der Ukraine zu finanzieren. Bild: EPA/EPA

Eine Beobachtermission des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte war im März in die Ukraine entsandt worden. In dem Bericht äussern sich die UNO-Beobachter ausserdem besorgt über die Sicherheit der Kandidaten für die Präsidentenwahl am 25. Mai.

Moskau kritisiert UNO-Bericht als tendenziös

Moskau kritisierte den UNO-Bericht umgehend und sprach von einem «totalen Mangel an Objektivität» und «empörender Widersprüchlichkeit». Dies lasse keinen Zweifel daran, dass die Autoren des Berichts einen «politischen Auftrag zur ‹Reinwaschung› der selbst ernannten Autoritäten in Kiew erfüllt haben», teilte der Sprecher des russischen Aussenministeriums, Alexander Lukaschewitsch, in einem Communiqué mit.

Kremlchef Wladimir Putin hat den Krimtataren am Freitag besonderen Schutz zugesichert. Die Minderheit dürfe nicht «zerrieben» werden im Streit zwischen Moskau und Kiew, sagte Putin bei einem Treffen mit Vertretern der Bevölkerungsgruppe in Sotschi.

Derweil will die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Geld sammeln, um die Entwaffnung der illegal Bewaffneten in der Ukraine zu finanzieren. Das Projekt befinde sich derzeit in der Abklärungsphase, sagte der Sprecher der Schweizer OSZE-Präsidentschaft in Wien, Roland Bless, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Offen ist noch, wie die Entwaffnung vor sich gehen würde.

Der nationale Dialog ist im Gang

Bundespräsident und OSZE-Vorsitzender Didier Burkhalter hat in seinem Vier-Punkte-Plan für die Ukraine neben der Aufnahme eines nationalen Dialogs und der Abhaltung von Präsidentschaftswahlen auch eine Waffenruhe und die Entwaffnung der Separatisten angeregt.

Gespräche in Kiew: Der ukrainische Premierminister Arsenij Jazenjuk mit Tataren-Vertreter Mustafa Dzhemilev und EU-Kommissar: Stefan Fule.
Gespräche in Kiew: Der ukrainische Premierminister Arsenij Jazenjuk mit Tataren-Vertreter Mustafa Dzhemilev und EU-Kommissar: Stefan Fule.Bild: AP/AP

Der nationale Dialog ist bereits im Gang. Die Kiewer Regierung hatte am Mittwoch zu einem «Runden Tisch zur nationalen Einheit» geladen, der aber ohne greifbare Ergebnisse zu Ende ging. Nicht eingeladen waren die prorussischen Separatisten in der Ostukraine.

OSZE-Vermittler Wolfgang Ischinger hat diese Nichteinladung am Freitag verteidigt. «Man kann von der Regierung in Kiew nun wirklich nicht erwarten, Leute mit Kalaschnikows, die für Entführungen und auch Tötungen verantwortlich sind, durch Einladungen zu adeln», sagte der frühere deutsche Spitzendiplomat.

Den Vorwurf, dass der Osten des Landes am Runden Tisch nicht repräsentiert gewesen sei, bezeichnete Ischinger als absurd. Es hätten auch Vertreter aus dem Osten des Landes teilgenommen, sagte er. Am Mittwoch hatte die Runde zum ersten Mal getagt. Die nächste Sitzung ist für Samstag geplant.

NATO startete Manöver in Estland

Während die Erfolge des nationalen Dialogs noch ausstehen, bereitet sich die NATO auf das «fiktive Szenario» eines Angriffs Russlands auf Estland vor. Rund 6000 Soldaten aus neun NATO-Staaten haben am Freitag mit einem grossen Manöver in Estland begonnen.

NATO-Chef Anders Fogh Rasmussen heute beim offiziellen Besuch in Rumänien.
NATO-Chef Anders Fogh Rasmussen heute beim offiziellen Besuch in Rumänien.Bild: AP/AP

Die Übung heisst «Steadfast Javelin», Standhafter Speer und gehört zu einer Reihe von Manövern, die das Bündnis Mitte April als Antwort auf die Annexion der Krim durch Russland und russische Truppenverlegungen an die ukrainische Grenze beschlossen hatte. Die Regierungen der baltischen Staaten und Polens haben die Sorge geäussert, dass Russland sie bedrohen könnte.

Auch im ukrainischen Nachbarland Rumänien finden derzeit NATO-Manöver statt. Diese seien rein defensiv, zugleich aber auch «ein klares Signal an die möglichen Aggressoren», sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen nach Angaben der Nachrichtenagentur Mediafax in einem Interview des staatlichen rumänischen Fernsehens. Die NATO sei bereit, «jedes Stück ihres Territoriums zu verteidigen».

Separatisten übernehmen Kontrolle über Kaserne

Zur gleichen Zeit haben Separatisten die Kontrolle über eine Kaserne der Nationalgarde in der ostukrainischen Stadt Donezk übernommen. Die bewaffneten Männer betraten am Abend den Stützpunkt der Spezialkräfte des Innenministeriums und verkündeten anschliessend dessen Besetzung.

Letzte Woche hatten prorussische Separatisten in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk Referenden abgehalten.
Letzte Woche hatten prorussische Separatisten in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk Referenden abgehalten.Bild: Reuters
Angeblich sprach sich eine Mehrheit der Bevölkerung für die Unabhängigkeit von der Ukraine aus.Bild: EPA/EPA

«Wir kontrollieren die Basis», sagte einer der Separatisten am Eingang zum Gelände zu einer Korrespondentin der Nachrichtenagentur AFP. Die ukrainischen Soldaten leisteten allem Anschein nach keinerlei Widerstand und verliessen die Kaserne wenig später auf Lastwagen.

Am Sonntag hatten prorussische Separatisten in den ostukrainischen Regionen Donezk und Lugansk Referenden abgehalten, in denen sich die Bevölkerung den Organisatoren zufolge mit grosser Mehrheit für eine Unabhängigkeit aussprach. Langfristig wollen die Separatisten eine Angliederung an Russland erreichen. Die Übergangsregierung in Kiew erkennt die Referenden ebenso wie zahlreiche westliche Staaten nicht an. (rar/sda/reu/dpa/afp) 

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