«Es ist meine Schuld. Ich habe gedacht, der Ball fällt auf die Latte.» Was soll Tomislav Piplica nach dem Spiel auch anderes sagen. Jeder im Stadion, jeder vor dem Fernseher, hat gesehen, dass es seine Schuld war.
3:2 führt Energie Cottbus zuhause gegen Borussia Mönchengladbach. Nur noch ein paar Minuten sind zu spielen, Energie steuert einem Sieg und dem fast sicheren Klassenerhalt entgegen.
85. Minute im Stadion der Freundschaft. Eher verzweifelt als vom eigenen Erfolg überzeugt, drückt der Gladbacher Marcel Witeczek an der Strafraumgrenze ab. Der Cottbuser Radoslav Kaluzny wirft sich in die Schussbahn, blockiert den Ball. Der fliegt hoch in die Luft, fünfzehn, zwanzig Meter, vielleicht noch höher.
Kurz vor der Torlinie senkt sich die Kugel. Goalie Piplica hat sie im Blick – dennoch bleibt er wie versteinert stehen, als der Ball auf seinem Kopf landet. Von dort geht er ins Tor und mit ihm Piplica, der mit grosser Verzögerung doch noch reagiert und seinen Körper nach hinten fallen lässt. Wenig später ist die Partie zu Ende. Cottbus verspielt den Sieg, trennt sich von Mönchengladbach 3:3.
In Cottbus ist der langhaarige Osteuropäer dank seiner oft herausragenden Leistungen bis heute eine Legende. Im Rest der Welt denkt man beim Namen Tomislav Piplica aber immer nur an diesen einen Moment seiner Karriere.
«Das ärgert mich», gesteht der Goalie im Interview mit 11 Freunde. Das Gegentor selber wurme ihn heute nicht mehr, aber die Tatsache, dass immer nur dieser eine Treffer gezeigt werde. «Ich hätte keine Probleme damit, wenn die Leute auch mal meine guten Aktionen zeigen würden.»
Dennoch schildert Piplica, wie es zum Tor kam. «Ich habe einen Schritt zurück gemacht und stand unter der Latte. Da war ich hundertprozentig davon überzeugt, dass er auf die Latte oder gleich über das Tor geht. Es war ja auch windig. Da ist es passiert, das Ding fiel mir auf den Kopf und ins Tor.»
Er habe Pech gehabt, findet Piplica rückblickend und er weiss natürlich: «Es hat sehr blöd ausgesehen. Ich war von mir selbst schockiert. In der Woche darauf war ich aber bester Mann auf dem Platz – kein Mensch erinnert sich noch daran ...»
Zufall oder nicht: Piplicas Spitzname lautet «Pipi». Er teilt ihn sich mit Marco Streller. Egal, was der Basel-Stürmer alles in seiner Karriere erreicht hat: Auch wenn man seinen Namen hört, spuckt die gehirn-interne Suchmaschine bei vielen als ersten Treffer einen Flop aus: das «Züngeln» beim verschossenen Penalty im WM-Achtelfinal 2006 gegen die Ukraine.
Unmittelbar nach dem Spiel erhält der bedauernswerte Goalie vor allem viel Trost – er wird aber auch verspottet. Bei Gladbach steht Jörg Stiel im Kasten, der flapsig verkündet: «Ich habe schon viel erlebt, aber so etwas – den köpfe ich höchstens raus!» Was Stiel dann zwei Jahre später auch mehr oder weniger macht an der EM in Portugal.
Der als knallhart bekannte Cottbuser Trainer Ede Geyer zeigt sich hingegen von seiner humorvollen Seite: «Am besten schmeisse ich ihn raus.» Das tut er natürlich nicht, denn er weiss, was er an seiner Nummer 1 hat. Am Ende der Saison hält Energie die Klasse – und Piplica bleibt bis 2009 in der Lausitz, da ist er 40-jährig.