1995 wechselt Luis Figo von Sporting Lissabon zum FC Barcelona. In der katalanischen Metropole dribbelt sich der 1,80 m grosse Portugiese mit seiner Spielart in die Herzen der Fans. Der Mittelfeldspieler führt die «Blaugrana» als Captain zu je zwei Meistertiteln und Cupsiegen.
Figo wird danach wie kein anderer Ausländer in Katalonien – der von der Madrider Zentralregierung vernachlässigten Region – verehrt. Er ist einer der ihren. Ein Klubfunktionär meint sogar, Figo bedeute Barcelona mehr als das Eigengewächs Pep Guardiola.
Doch nach sechs erfolgreichen Jahren schlägt die grosse Bewunderung in abgrundtiefen Hass um. Nach der Fussball-EM 2000, wo Figo zum besten Spieler des Turniers gewählt wird, wechselt der Portugiese für die Rekordsumme von 60 Millionen Euro zu Erzrivale Real Madrid.
Der Wechsel falle ihm leicht, verrät Figo in einem Interview sogar: «Bei Barça war ich nicht damit zufrieden, wie man mich wertschätzte. Ich bekam also die Möglichkeit und zögerte keine Minute.»
Noch mehr verärgert die Barça-Fans, dass er monatelang die Gerüchte um einen allfälligen Wechsel ins Reich der Fabelwesen verweist.
Wie der «Spiegel» schreibt, beschimpfen die Katalanen ihn fortan als «Judas Figo» und richten sogar die Website antifigo.com ein. Sie sollte zu einem Sammelsurium der Beleidigungen gegen den «meistgehassten Spieler Barcelonas» werden. Mittlerweile ist sie vom Netz verschwunden.
Für die Rachekampagne organisiert der Verein ausserdem den Service, dass jeder Fan, der eines der 25'000 Trikots mit dem Namenszug des Abgewanderten gekauft hat, sich kostenlos den Aufdruck «Luis Figo» und die Nummer 7 vom Dress der Katalanen entfernen lassen kann. «Das ist das Letzte, was ein Fan haben will: Ein Trikot von einem Mann, der nicht mehr für uns spielt», begründet Fanshop-Geschäftsführer Josep Maria Meseguer die Aktion.
Figo geht bei der ersten Rückkehr nach Barcelona mit einer 0:2-Niederlage vom Feld. Historisch wird aber nicht diese Partie, sondern das Aufeinandertreffen von Barcelona und Real Madrid am 23. November 2002. Luis Figo muss sich aufgrund des «lautesten Pfeifkonzerts der Fussballgeschichte des Landes» die Ohren zuhalten.
Vielleicht auch besser so: Die Beleidigungen im Nou Camp fallen gelinde gesagt ziemlich übel aus. So hallt bei jedem Ballkontakt von Figo ein lautes «Pesetero» («Geldhure») von den Rängen.
Der Plan von Real Madrid, die Nummer 10 die Eckbälle schiessen zu lassen («Ich habe keine Angst und werde wieder die Ecken schiessen»), ist vielleicht nicht die allerklügste Idee in der langen Vereinsgeschichte. In der 72. Minute will Figo einen Corner treten, die Heimfans nehmen den «Verräter» ins Visier.
Sie bewerfen den Abtrünnigen mit zahlreichen Gegenständen: Plastikflaschen, faulem Obst, Münzen, Messern, einer Whiskey-Flasche und selbst ein Schweinekopf finden den Weg auf das Feld. Gesehen haben will der damals 30-Jährige das tierische Flugobjekt übrigens nicht. «Wenn ich das Schwein gesehen hätte, hätte ich ein Stück davon gegessen», feixt er.
Der Offensivspieler muss unverrichteter Dinge in die Mitte des Spielfelds in Sicherheit zurückkehren. Die einheimischen Spieler und Betreuer versuchen zwar, die aufgebrachten Randalierer zu beschwichtigen – es ist aber zwecklos. Als der Portugiese sich ein weiteres Mal der Eckfahne nähert, wiederholt sich die Szenerie. Figo gibt später zu: «Ich hatte grosse Sorgen, dass ein Verrückter sich nicht mehr beherrschen kann.»
Der Schiedsrichter muss beide Teams in die Kabinen zurückschicken. Nach einer Viertelstunde kann die Partie mit dem anstehenden Eckball endlich fortgesetzt werden.
Das Spiel selbst ist wahrlich kein Leckerbissen und endet torlos. Der FC Barcelona wird für die Vorkommnisse zunächst mit zwei Spielen Platzsperre bestraft. Die Katalanen gehen erfolgreich in Rekurs, am Ende bleibt eine (lächerliche) Summe von 4000 Euro als Strafmass. Das ist nicht viel mehr, als einige Fans für die Tickets auf dem Schwarzmarkt bezahlt haben.
Der Portugiese bleibt im Gedächtnis der Barça-Anhänger. So flitzt der bekannte Barcelona-Fan Jimmy Jump während des EM-Finals 2004 über den Platz und wirft eine Barcelona-Fahne auf Figo und zeigt so unmissverständlich seine Verachtung.
Nach dem Karriereende 2009 sieht Figo die Geschichte gelassener: «Ich habe überhaupt keine Probleme mit Barcelona». Ganz so geheuer ist es dem Portugiesen aber nicht. So redet Figo nicht mehr mit den Medien aus Barcelona. Und auch seine Ferien hat der dreifache Familienvater wohl kaum einmal in der katalanischen Hauptstadt verbracht.
- Wechsle nicht zum Erzrivalen, schon gar nicht wenn du Captain bist!