2002 wird Brasilien in Japan und Südkorea Fussball-Weltmeister. Da ist das Ziel für das Turnier vier Jahre später klar: In Deutschland soll der Titel verteidigt werden. Zur Vorbereitung entscheidet sich der Verband, sein Quartier in Weggis LU aufzuschlagen.
Am Vierwaldstättersee ist die Vorfreude riesig. Der Fussballplatz wird für 1.5 Millionen Franken umgebaut, der Metzger bietet «Brasil-Würstli» an und die total 56'000 Tickets für die Trainings gehen weg wie warme Weggli.
Der dreifache Weltfussballer Ronaldo und Gilberto Silva sind am 22. Mai die ersten Spieler, die im Park Hotel eintreffen. Danach folgen die Milan-Spieler Dida, Cafu und Kaká, die mit dem Auto anreisen, und später mit einem Sonderflug der Rest der rund 50-köpfigen Delegation.
Die Brasilianer sind sich die Dimensionen gewohnt, für die Schweiz ist das gewaltige Interesse eher ungewohnt. 21 Fernsehkameras werden an der ersten Medienkonferenz von Trainer Carlos Alberto Parreira gezählt, rund 50 Fotografen und um die 100 Journalisten sind anwesend. In Weggis will der Coach besonders an der Taktik feilen. «Nur mit spielerischen und technischen Feinheiten kann man nicht Weltmeister werden», betont er.
Nach einigen Tagen in der Zentralschweiz schwärmt Parreira: «Die Fans hier sind herrlich. Sie massieren mit ihrer Begeisterung das Ego der Spieler, ohne unsere Arbeit zu stören.»
Da weiss er noch nicht, was sich kurze Zeit später ereignen wird. Ein weiblicher Fan schafft es, an den Sicherheitsleuten vorbei auf den Rasen zu gelangen und dort Ronaldinho zu umarmen.
Der Ballvirtuose selbst nimmt's locker, weniger gelassen ist der brasilianische Verband. Bei den Trainings sind nun mehr Sicherheitskräfte anwesend, sie richten ihren Blick wie bei einem Match auf die Zuschauer. Und die Stehplatztribüne hinter dem Tor, von wo aus Ronaldinhos Verehrerin auf den Platz gelangte, wird gesperrt.
Der Ballzauberer bittet die Fans um Zurückhaltung: «Wir verstehen, dass das Volk begeistert ist. Aber es ist besser, während des Trainings eine gewisse Ordnung einzuhalten, damit wir uns weiterhin gut vorbereiten können.»
Insgesamt 120'000 Fans machen aus Weggis eine «Voralpen-Copacabana». 880 akkreditierte Medienvertreter aus aller Welt berichten vom Vierwaldstättersee, alle 14 Trainings sind ausverkauft. Strahlende Gesichter, wohin man auch schaut.
Nach zwei Wochen ist der Spuk vorbei und OK-Präsident Edwin Rudolf zieht die zufriedene Bilanz, dass er «von A bis Z glücklich und zufrieden» sei.
Ob es an der Vorbereitung lag? An der WM in Deutschland kann die Seleção nicht überzeugen. Zwar gewinnt sie alle drei Gruppenspiele und im Achtelfinal mit 3:0 gegen Ghana. Doch im Viertelfinal bedeutet Frankreich (0:1) überraschend früh Endstation.