Andreas Küttel freut sich mit Simon Ammann über dessen zweiten Weltcupsieg. Bild: AP SCANPIX
2. Dezember 2006: Simon Ammann gewinnt nach 1722 sieglosen Tagen endlich wieder ein Weltcup-Springen. Weil sein guter Freund Andreas Küttel Zweiter wird, sorgt das Duo für den ersten und bislang einzigen Schweizer Skisprung-Doppelsieg.
Viereinhalb Jahre oder umgerechnet 1722 Tage hat sie gedauert, die Leidenszeit des Simon Ammann. So lange musste er warten, bis er endlich, endlich seinen zweiten Weltcupsieg feiern durfte. In Lillehammer siegt der Toggenburger im zweiten Springen der Saison 2006/07 vor seinem Kumpel Andreas Küttel.
Genau ein Jahr nach seinem ersten Weltcupsieg an gleicher Stätte liegt Küttel bei Halbzeit noch knapp in Führung – 0,8 Punkte vor Ammann. Doch «Simi» kann das Blatt im Final noch wenden. Ammann fliegt bei seinem zweiten Sprung auf 138 Meter, geht in Führung und muss nur noch auf Küttel warten. Und sein Kumpel patzt, springt nur auf 133,5 Meter und schenkt Ammann so den Sieg.
Die zweiten Sprünge von Simon Ammann und Andreas Küttel. Video: YouTube/Krzysztof Lebiest
Aber auch Küttel darf sich freuen: Über 18'000 Franken Preisgeld und zwei Kilo Schokowaffeln. Aber natürlich auch für seinen Kumpel und über den ersten Schweizer Skisprung-Doppelsieg seit der Einführung des Weltcups. Etwas Vergleichbares hatte es bislang erst an der Vierschanzentournee 1973/74 gegeben, als Hans Schmid und Walter Steiner in Innsbruck die Plätze 2 und 3 belegten.
«Bereits im Sommer sprachen wir viel darüber, einmal gemeinsam auf dem Podest zu stehen. Jetzt haben wir es geschafft. Das ist unglaublich und kaum zu wiederholen», sagte Küttel, der mit drei Siegen im Weltcup bis dahin mehr Erfolge gesammelt hatte als Ammann.
Für den Toggenburger kommt der Triumph einer Erlösung gleich. 2002, wenige Wochen nach den zwei Goldmedaillen an den Olympischen Spielen von Salt Lake City, hatte Ammann am Holmenkollen in Oslo zum ersten Mal im Weltcup triumphiert.
«Es hat sich ein norwegischer Kreis geschlossen», so Ammann nach dem Sieg in Lillehammer. «Einfach genial, dass Andreas und ich zusammen auf dem Podest stehen durften. Wir wussten nach dem ersten Durchgang genau, dass wir das ins Trockene bringen.»
Das Podest von Lillehammer mit Andreas Küttel, Simon Ammann und Thomas Morgenstern. Bild: EPA
Trotz der langen Durststrecke hat Ammann den Mut und den Willen weiterzumachen nie aufgegeben. «Ich habe immer gewusst, dass ich das Zeug dazu habe. Es gab nie Momente, in denen ich dachte, dass es mit dem Gewinnen nicht mehr klappen könnte», sagt der Toggenburger.
Doch so selbstverständlich ist Ammanns Rückkehr zum Siegen nicht. Nach dem Doppel-Olympiasieg in Salt Lake City läuft beim Bauernsohn nichts mehr zusammen. Weil die Resultate nicht stimmen, ist das Selbstvertrauen weg. Für einen Skispringer, der mental extrem viel leisten muss, besonders fatal.
Bei Olympia 2006 in Turin folgt der Totalabsturz: Ammann wird 15. auf der Grossschanze und 38. auf der Normalschanze. Doch die verpasste Titelverteidigung wird für «Simi» zum Glücksfall. «Simon hat in Turin einen Rucksack ablegen können», verrät Trainer Berni Schödler nach dem Triumph in Lillehammer.
Ammann wirkt wie von einer grossen Last befreit und kann sich endlich wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Im Sommertraining legt er – auch dank dem Leistungssprung von Teamkollege Küttel – die Basis für sein Comeback. Endlich passt alles wieder mental, körperlich und materialtechnisch zusammen. «Der Sieg ist der Lohn für die harte Arbeit», weiss auch Ammann.
Ausgiebig gefeiert wird der Triumph nicht. «Wir waren nach dem Springen an die Geburtstagsparty des Norwegers Lars Bystol eingeladen und haben Kuchen gegessen», erzählt Trainer Schödler am Tag danach. Viel Zeit zum Feiern bleibt auch nicht. Schliesslich steht bereits das nächste Springen an: Mit Rang 4 (Ammann) und 5 (Küttel) bestätigen die Schweizer den Doppelsieg vom Vortag. Und jetzt wird auch gefeiert: «Jetzt gehen wir gemeinsam Pizza essen. Das eine oder andere Bierchen zum Anstossen liegt dabei schon drin», so Schödler.
Simon Ammann bestätigt an der WM 2007 in Sapporo mit Gold und Silber endlich den Doppel-Olympiasieg von Salt Lake City. Bild: KEYSTONE
Die guten Resultate beflügeln Ammann für den Rest der Saison. Bei der Vierschanzentournee wird er Gesamtdritter, bei der Nordischen Ski-WM in Sapporo holt er Gold von der Grossschanze und Silber von der Normalschanze und zum Abschluss der Saison triumphiert er wieder in Oslo. Es ist der Vorgeschmack auf das, was in den kommenden Jahren noch folgen wird.