Die erste Schweizer Biathlon-Medaille lag für beide in Reichweite. Der 22-jährigen Elisa Gasparin fehlten am Ende nur 11,5 Sekunden zu Platz 2 und bloss 9,7 Sekunden zum Podest. Sie blieb bei allen zehn Schüssen fehlerfrei. Die 29-jährige Selina Gasparin, die nach ihren Weltcupsiegen in dieser Disziplin letzten Dezember in Hochfilzen und Le Grand Bornand zu den Mitfavoritinnen gezählt hatte, büsste als 13. lediglich 19,8 Sekunden auf Platz 2 ein. Hätte sie beim Stehendschiessen nicht den letzten Schuss oben links ganz knapp neben die Scheibe gesetzt, wäre der Traum von der Medaille wahr geworden. Die Strafrunde für einen Schiessfehler kostete sie über 20 Sekunden.
So strahlte am Ende Elisa Gasparin etwas mehr. In 44 Weltcuprennen war sie vorher noch nie unter die besten zehn gelaufen. Ein 16. Platz stellte bislang die beste Klassierung dar. Als die letzte Läuferin, die Französin Anais Chevalier, endlich das Ziel erreicht hatte und ihr Diplomrang feststand, brachen bei der mittleren der drei Gasparin-Geschwister (von denen Aita im Sprint noch nicht startete) alle Dämme. Sie liess den Freudentränen freien Lauf.
«Ich finde für dieses Resultat keine Worte, nur Tränen», sagte sie. «Mein Ziel war, in Sotschi einfach nur dabei zu sein. Als dieses Ziel erreicht war, visierte ich Platz 25 an, wobei mir aber klar war, dass ich ein aussergewöhnliches Rennen abliefern muss, um eine derartige Platzierung zu schaffen. Und jetzt bin ich plötzlich Achte!»
Wie schnell sie unterwegs war, realisierte Elisa Gasparin unterwegs nicht. Sie entnahm zwar den Zurufen der Betreuer, dass es ausgezeichnet läuft, aber das persönliche Gefühl war trotz der perfekten Schiessleistung («Das gelang mir zum ersten Mal diese Saison. Letzte Saison blieb ich im Weltcup sogar fünfmal ohne Schiessfehler») nicht überschwänglich. «Ich spürte Müdigkeit in den Beinen. Ich hatte das Gefühl, ich könne nicht richtig alles geben.» Womöglich kostete sie dieses kleine Schwächezeichen eine noch bessere Platzierung. Bei der Zwischenzeit 2400 m vor dem Ziel belegte Elisa Gasparin noch den 4. Platz; sie hatte mit Startnummer 41 diese Marke sogar als Zweite passiert.
WOW @ElisaGasparin was für ein Wahnsinnsrennen!! Gratulation auch an @SelinaGasparin und den bärenstarken @dariocologna Das gibt Mut morgen!
— Serafin Wiestner (@SerafinWiestner) 9. Februar 2014
Auch Selina Gasparin befand sich bis zu diesem Zeitpunkt ausgezeichnet im Rennen – bis ihr der allerletzte Schuss missriet. Das Gefühl bei der Schussabgabe war noch gut, «aber dann habe ich ‹schwarz› gesehen». Sie guckte nochmals zur Scheibe, «und es ist immer noch nicht ‹weiss› geworden». In dem Moment wusste sie, dass der Traum von der Medaille geplatzt ist. Über wenn und aber mochte sie im Ziel nicht mehr lamentieren.
«Das ist im Biathlon meistens so, dass man es ohne einen Fehlschuss aufs Podest hätte schaffen können. Schön ist, dass das Diplom immerhin in der Familie geblieben ist. Elisa hat heute eine Mega-Bombe gezündet.»
Mit den bescheidenen Rückständen freuen sich beide Gasparins auch auf die Verfolgung über 10 km vom Dienstag. Elisa hat noch keine Ahnung, was für sie in diesem Rennen möglich ist, denn «ich konnte ja noch nie so weit vorne starten». Selina Gasparin erwartet weniger, denn ihr, der starken Langläuferin, liegen diese Art von Rennen mit sogar vier Schiessstopps (im Vergleich zu zwei im Sprint) weniger.
Gratulation den beiden Gasparin Mädels :-) @ElisaGasparin @SelinaGasparin
— Daniela Steiner (@dastein17) 9. Februar 2014
Die Slowakin Anastasiya Kuzmina, die bereits vor vier Jahren in Vancouver im Sprint triumphiert hatte, holte überlegen Gold. Die 29-jährige gebürtige Russin siegte mit 19,9 Sekunden vor der Russin Olga Wiluchina und Wita Semerenko aus der Ukraine. (ram/si)