«Wo ist mein Roy Cohn?», soll Donald Trump gejammert haben, als Sonderermittler Robert Mueller vor rund zwei Jahren seine Arbeit begann. Roy Cohn (nicht zu verwechseln mit Michael Cohen) war der Assistent des berüchtigten Kommunistenfressers Joseph McCarthy und Anwalt der Mafia. Der junge Trump war von Cohn beeindruckt und hat von ihm gelernt, nie Fehler zuzugeben und sofort hart zurückzuschlagen.
Der Präsident will Roy Cohns um sich haben. Leute, die ihm bedingungslos ergeben sind und ihm helfen, wenn er sie braucht, selbst wenn sie dabei gegen das Gesetz verstossen müssen. Jeff Sessions, sein erster Justizminister, tat dies nicht. In der Russland-Affäre hat er sich wegen Befangenheit zurückgezogen und seinen Stellvertreter, Rod Rosenstein, mit der Aufgabe betraut.
Nun aber hat Trump seinen Roy Cohn gefunden. Seit seinem Amtsantritt vor ein paar Monaten hat der neue Justizminister William Barr sämtliche Tricks angewendet, um Unheil von Trump abzuwenden.
Zwei Tage nachdem der Sonderermittler seinen Bericht beim Justizministerium eingereicht hatte, veröffentlichte Barr eine vierseitige Zusammenfassung. Er sagte dabei, es habe keine kriminelle Verschwörung des Trump-Teams mit dem russischen Geheimdienst gegeben. Barr sprach Trump auch vom Vorwurf frei, die Arbeit der Justiz behindert oder beeinflusst zu haben. Hingegen fügte er hinzu, dass der Sonderermittler Trump in dieser Frage nicht entlaste.
Barrs Brief war mehr als merkwürdig. Wie kann man innerhalb von zwei Tagen einen Bericht von rund 400 Seiten zusammenfassen? Kurz darauf meldeten die «New York Times» und die «Washington Post», dass Mitglieder des Mueller-Teams befremdet über Barrs Vorgehen seien. Sie selbst hatten Zusammenfassungen der jeweiligen Kapitel verfasst. Warum hat der Justizminister nicht auf diese zurückgegriffen?
Die Artikel der beiden führenden US-Zeitungen waren auch deshalb bemerkenswert, weil sie das erste Leck des Teams des Sonderermittlers überhaupt darstellten. Barr hat darauf mit einem zweiten Brief reagiert. Darin betont er, er habe «keine Zusammenfassung» geschrieben.
Der Justizminister hat das Recht, Passagen des Berichtes, die er für die Öffentlichkeit ungeeignet hält, einzuschwärzen. Barr hat vier Kriterien genannt, die es rechtfertigen, Teile des Mueller-Berichts unkenntlich zu machen.
Das hat den Zorn der Politiker und der Öffentlichkeit hervorgerufen. Das Abgeordnetenhaus hat mit grosser Mehrheit – also auch mit den Stimmen der meisten Republikaner – eine Resolution verabschiedet, die eine unzensierte Version des Mueller-Reports fordert.
Kurz nach Amtsantritt behauptete Trump, er sei von der Obama-Regierung bespitzelt worden. Der Vorwurf ist mehrfach widerlegt worden. Trotzdem haben Trump, Fox News und andere konservative Medien weiter an dieser Verschwörungstheorie gebastelt. Ein «deep state» – will heissen hohe Beamte – würde alles daransetzen, Trump zu stürzen.
Der Spionage-Vorwurf stützt sich auf ein Dossier des ehemaligen britischen MI5-Spions Christopher Steele. Er hatte im Auftrag des Clinton-Teams einen Bericht verfasst, der sich mit den Verwicklungen Trumps in Russland befasst. Das FBI habe die nicht bewiesenen Aussagen in diesem Dossier zum Anlass genommen, ein Mitglied des Trump-Teams namens Carter Page zu überwachen, toben die Trump-Verteidiger seit Jahr und Tag.
Justizminister Barr hat bei seinem Auftritt vor dem Senat ebenfalls von Spionage gesprochen – und damit Öl ins Feuer der Verschwörungstheoretiker gegossen.
Bevor der teilweise eingeschwärzte Mueller-Report veröffentlicht wird, will Barr heute eine Pressekonferenz zusammen mit Rod Rosenstein durchführen. Robert Mueller wird hingegen nicht anwesend sein, auch kein Mitglied seines Teams.
Dieses Vorgehen ist mehr als merkwürdig. Es ist etwa so, als ob man eine Geburtstagsparty feiert, an welcher der Jubilar nicht teilnehmen darf. Will Barr erneut den Mueller-Report framen, will heissen, seine Interpretation vorwegnehmen?
Das Justizministerium muss unabhängig arbeiten, der Präsident hat kein Recht darauf, über seine Arbeit informiert zu werden. Trotzdem ist durchgesickert, dass Beamte des Justizministeriums seit Tagen in Kontakt mit Juristen des Weissen Hauses sind.
Trumps Anwalt Rudy Giuliani hat denn auch mehrfach erklärt, dass er sofort nach Veröffentlichung des Mueller-Reports einen Gegenbericht veröffentlichen will.
Der Kongress tagt derzeit nicht, Abgeordnete und Senatoren sind in den zweiwöchigen Frühlingsferien. Die Ostertage gelten newsmässig als schwach, weil die meisten Menschen ebenfalls die ersten Frühlingstage geniessen und sich nicht mit Politik befassen wollen.
Dass Barr ausgerechnet den Gründonnerstag als Zeitpunkt der Veröffentlichung des brisanten Mueller-Reports wählt, wird als Zeichen gewertet, dass er einen sogenannten «Newsdump» inszenieren will. Will heissen: Er hofft, dass der Inhalt des Reports gar nicht zu Kenntnis genommen wird, weil Politiker, Bürger und Journalisten abgelenkt sind.
Ob Barr mit seinen Tricks Erfolg haben wird, ist fraglich. Der Druck, eine unzensierte Version des Mueller-Reports zu veröffentlichen, ist gewaltig. So hat Jerrold Nadler, der Vorsitzende des House Judiciary Committee, bereits erklärt, er werde eine «subpoena» einreichen, eine Vorladung, die eine Version ohne Einschwärzungen verlangt.
Ebenfalls ist bekannt geworden, dass ein paar ausgewählte Kongressmitglieder Einblick in bestimmte Passagen erhalten sollen. Anlass dazu ist der Prozess gegen den Trump-Kumpel Roger Stone. Ihm wird vorgeworfen, den Kongress in Sachen Wikileaks angelogen zu haben. Der Mueller-Report soll dazu Einzelheiten enthalten.
Schliesslich hat sich nun auch ein Richter in Washington namens Reggie Walton eingeschaltet. Er will abklären, ob Justizminister Barr mit seinen Einschwärzungen gegen den «freedom of information act» verstösst. Dieses Gesetz gilt in den USA als unantastbar. Bei Walton handelt es sich um einen konservativen Richter. Er wurde von George W. Bush ernannt.
Amerikanerinnen und Amerikaner stehen derzeit im Bann der letzten Staffel von «Game of Thrones». In diesem mittelalterlichen Drama geht es sehr ruppig zu. Doch es scheint, dass das aktuelle Gegenstück, die Russland-Affäre, locker mithalten kann.
--
Ein starkes Zeichen, dass Mueller und sein Team an der Pressekonferenz nicht anwesend sind. Eh nur warme Luft, die Trump - Groupie William Barr rauslässt.
Der Zustand der USA unter Trump ist in einen lamentablen Zustand geschlittert.