Allgemein war man überzeugt, dass Ted Cruz seinen Senatssitz im Liegestuhl werde verteidigen können. Dass Texas einen Demokraten nach Washington schicken würde, galt als so wahrscheinlich wie schwarzer Schnee.
Derzeit spielen sich jedoch rund um Cruz merkwürdige Dinge ab: Obwohl er Donald Trump vor zwei Jahren noch einen «krankhaften Lügner» genannt hat, lädt er ihn nun zu einer gigantischen Wahlkampfveranstaltung ein. Dasselbe gilt für den republikanischen Senatsführer Mitch McConnell: Auch er wurde von Cruz einst als Lügner beschimpft. Nun sind beide plötzlich beste Kumpels geworden.
Es ist keine Liebe, die zu den Verbrüderungen innerhalb der Grand Old Party (GOP) geführt haben, es ist die nackte Angst. Cruz muss ernsthaft fürchten, seinen Senatssitz an Beto O’Rourke zu verlieren. Der «weisse Obama» liegt in den Umfragewerte nur noch knapp hinter ihm – und das Momentum spricht für O’Rourke.
Wenn die «blaue Welle» selbst Texas erfasst – blau ist die Farbe der Demokraten –, dann ist kein Bundesstaat mehr sicher. Gegenüber Journalisten hat McConnell kürzlich gejammert: «Arizona, Nevada, Tennessee, Montana, North Dakota, Missouri, Indiana, West Virginia und Florida. Alle diese Bundesstaaten befinden sich auf der Kippe. Und in jedem dieser Staaten wird mit Zähnen und Klauen gekämpft.»
Dabei hätte gemäss den GOP-Strategen alles anders kommen müssen. Deutlich mehr demokratische Senatoren müssen sich zur Wiederwahl stellen. Ein Drittel des Senats wird neu erkoren. Deshalb haben sich McConnell & Co. Hoffnungen gemacht, insgesamt 60 Sitze zu erringen. Dann hätten sie eine komfortable Zweidrittelsmehrheit und müssten kein Filibuster mehr fürchten.
(Kurze Erklärung zwischendurch: Derzeit besitzen die Republikaner 51 Sitze. Filibuster ist eine Methode, ein ungeliebtes Gesetz mit endlosen Reden zu verhindern.)
Jetzt aber droht das totale Desaster: Die Demokraten holen sich eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus und im Senat. Wie konnte es so weit kommen?
Die GOP ist die Gefangene von Donald Trump, und der Präsident ist angeschlagen. Er hat die schlimmsten Wochen seiner Amtszeit hinter sich: Sein ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort ist verurteilt worden, sein persönlicher Anwalt Michael Cohen sagt gegen ihn aus.
Bob Woodwards Buch «Fear» liefert täglich neue Beweise, wie inkompetent Trump ist. Der anonyme Gastkommentar in der «New York Times» hat diesen Befund untermauert. Das Weisse Haus ist isoliert.
Das zeigt Wirkung. Eine von der «Washington Post» und dem TV-Sender «ABC» durchgeführte Meinungsumfrage zeigt, dass nur noch 38 Prozent der Amerikaner Trumps Amtsführung befürworten. Im April waren es noch 44 Prozent. Ein Wert unter 40 Prozent gilt als kritisch.
Vor allem gut ausgebildete Frauen in den weissen Vorstädten wenden sich von Trump ab. Doch selbst bei den ungelernten weissen Arbeitern ist die Euphorie für den Präsidenten erlahmt. Bei den Schwarzen und den Latinos hat Trump nie eine Chance gehabt.
In den kommenden Wochen muss Trump mit weiterem Ungemach rechnen. Paul Manafort wird zu seinem zweiten Prozess antreten, falls er nicht – wie immer mehr vermutet wird – einen Deal mit dem Sonderermittler Robert Mueller abschliesst. Das wäre möglicherweise der GAU für Trump.
Selbst die Natur wendet sich gegen den Präsidenten. Sollte der erwartete Hurrikan tatsächlich Florida und South Carolina verwüsten, dann kocht das Thema Klimaerwärmung erneut hoch.
Trump sieht dabei sehr alt aus. Während etwa das demokratisch regierte Kalifornien soeben ein Gesetz verabschiedet hat, das vorschreibt, dass bis 2045 sämtlicher Strom aus nachhaltigen Quellen stammen muss, will Trump den Ölmultis erlauben, mehr Methan in die Luft zu blasen. Methan ist noch aggressiver als CO2.
Am 6. November wird es entscheidend sein, ob es den Demokraten gelingt, ihre Wähler an die Urne zu bringen. Sollte dies der Fall sein, dann werden sie mit grosser Wahrscheinlichkeit die Mehrheit im Abgeordnetenhaus erringen, und vielleicht auch den Senat erobern.
Das hätte Folgen: So könnte beispielsweise Brett Kavanaugh, sollte er tatsächlich als Bundesrichter vereidigt werden, wieder impeached werden. Und ja: Dasselbe Schicksal könnte dann auch Trump blühen.
Trump wäre auf ewig der Märtyrer und Bannon würde nur noch durch das Land reisen und allem erzählen, daß es ja ein Putsch gegen Trump war.
-hurrikanes können alles verändern. Gelingt es trump sich a la schröder 2005 oder obama 2012 als guter katastrophenboss ins rampenlicht zu setzen, kann ihm das leider durchaus die wahl retten.
Die GOP hat ihre Seele verkauft um sich bei den Ultrarechten Nationalisten anzubiedern. Damit haben sie in meinen Augen das 'G' in ihrem Nickname endgültig verscherzt.
Der 6. November wird spannend, sehr spannend.