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Beim VW-Machtkampf kommts zum grossen Knall: Chef Piëch und seine Ehefrau schmeissen den Bettel hin

Massiver Streit um die richtige Strategie: Ferdinand Piëch und seine Ehefrau Ursula verlassen den Automobil-Konzern.
Massiver Streit um die richtige Strategie: Ferdinand Piëch und seine Ehefrau Ursula verlassen den Automobil-Konzern.Bild: FABIAN BIMMER/REUTERS

Beim VW-Machtkampf kommts zum grossen Knall: Chef Piëch und seine Ehefrau schmeissen den Bettel hin

VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch tritt von seinem Amt mit sofortiger Wirkung zurück. Auch seine Frau Ursula gibt ihr Mandat in dem Kontrollgremium ab, teilt der Autokonzern mit.
25.04.2015, 19:3025.04.2015, 19:38
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Ein Artikel von
Spiegel Online

Der Druck auf Ferdinand Piëch war zuletzt immer grösser geworden - nun zieht der VW-Aufsichtsratschef die Konsequenz. Piëch lege sein Mandat in dem Kontrollgremium mit sofortiger Wirkung nieder, teilte Deutschlands grösster Autokonzern am Samstagnachmittag in einer Pflichtmitteilung mit. Auch Piëchs Frau Ursula lege ihr Amt nieder.

Der stellvertretende Aufsichtsratschef Berthold Huber werde bis zur Wahl eines neuen Vorsitzenden kommissarisch die Leitung des Gremiums übernehmen, hiess es in der Mitteilung von VW weiter.

Dem Rücktritt des Ehepaars war ein Streit um die künftige strategische Ausrichtung des VW-Vorstands vorausgegangen. Aufsichtsratsboss Piëch, 78, war mit der Leistung seines Vorstandschefs Martin Winterkorn, 67, offenbar unzufrieden. Er sei «auf Distanz zu Winterkorn», hatte er vor gut zwei Wochen dem SPIEGEL gesagt – 

und damit einen Machtkampf in der VW-Spitze ausgelöst.

Das sechsköpfige Präsidium des VW-Aufsichtsrats, das die wichtigsten Entscheidungen in dem Dax-Konzern vorbereitet, hatte sich am 17. April gegen Piëch gestellt und erklärt, Winterkorn sei der «bestmögliche» Konzernchef, sein Vertrag solle im Februar 2016 noch einmal verlängert werden.

«Vertrauen nicht mehr gegeben»

Schon wenige Tage nach dieser Erklärung soll Piëch weiter an der Ablösung des VW-Chefs gearbeitet haben. Nach Informationen des SPIEGEL bat er Anfang dieser Woche Porsche-Chef Matthias Müller, sich für einen Wechsel auf die Position des Vorstandsvorsitzenden bereitzuhalten.

Am Mittwoch trafen sich dann Vertreter der Familien Porsche und Piëch zu einer Aussprache. Nach dem Treffen meldeten die Nachrichtenagentur dpa und der NDR, Piëch habe bei den Familienmitgliedern ausloten wollen, ob man Winterkorn noch vor der Hauptversammlung des Konzerns am 5. Mai ablösen könne. Piëch selbst dementierte dies mit den Worten «Ich betreibe seine Ablösung nicht».

Jetzt auf

Am Freitag schliesslich sagten mehrere Mitglieder des Kontrollgremiums, Piëch sei als Aufsichtsratschef des VW-Konzerns nicht mehr tragbar. Am Samstag nun erklärte auch das Präsidium des Aufsichtsrats, die Mitglieder hätten «einvernehmlich festgestellt, dass das für eine erfolgreiche Zusammenarbeit notwendige wechselseitige Vertrauen nicht mehr gegeben ist». (ssu)

Chronologie des VW-Machtkampfs: Das Golfsrudel

Wer welche Strippen zieht, ist schwer zu erkennen. Klar ist nur: Das letzte Wort ist bei Volkswagen noch nicht gesprochen. Eine Chronologie der Ereignisse:

Freitag, 10. April 2015:

Die erste Attacke erfolgte mit offenem Visier. Mit einem Satz entzieht Volkswagen-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch in aller Öffentlichkeit seinem langjährigen Intimus und Vorstandschef Martin Winterkorn das Vertrauen: «Ich bin auf Distanz zu Winterkorn», sagt der VW-Patriarch dem SPIEGEL. Seit einiger Zeit war bekannt, dass Ferdinand Piëch und sein ebenfalls im Aufsichtsrat vertretener jüngerer Bruder Hans Michel mit

einigen Baustellen im Konzern unzufrieden sind. Nun entbrennt schlagartig der Machtkampf um die Spitze des Volkswagen-Konzerns.

Mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats äussern sich noch am gleichen Tag öffentlich: Betriebsratschef Bernd Osterloh stellt sich demonstrativ hinter Winterkorn. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zeigte sich «unangenehm überrascht» über Piëchs Aussage – und mahnt, «zu einer internen Diskussion zurückzukehren».

Sonntag, 12. April:
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Cousins Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche: Mächtige FamilienbandeBild: EPA/DPA FILE

Wolfgang Porsche, Cousin von Ferdinand Piëch und Vertreter der Porsche-Familie im Aufsichtsrat, distanziert sich seinerseits vom Aufsichtsratschef: «Die Aussage von Herrn Dr. Piëch stellt seine Privatmeinung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist», lässt Porsche mitteilen – und bringt damit deutlich den Unmut über den Alleingang des Patriarchen zum Ausdruck. Inhaltlich lässt das Statement jedoch offen, ob sich die Porsche-Familie im Machtkampf hinter Winterkorn oder Piëch stellt.

Montag, 13. April:

Auch Aufsichtsratsvize Berthold Huber stärkt Winterkorn öffentlich den Rücken. «Wir haben mit Herrn Winterkorn einen hervorragenden Automobilisten und Vorstandsvorsitzenden, der unser vollstes Vertrauen hat», sagt der ehemalige IG-Metall-Vorsitzende SPIEGEL ONLINE.

Dienstag, 14. April:

Insider berichten, dass bei den Aufsichtsräten im Hintergrund «die Drähte glühen». Seit Tagen gibt es Gerüchte über ein Krisentreffen des Präsidiums des Aufsichtsrats. Auch über eine ausserordentliche Sitzung des gesamten Gremiums wird spekuliert. Die Zeit drängt: Bereits am 5. Mai steht die Hauptversammlung des Konzerns an.

Mittwoch, 15. April:

Nun äussert sich auch VW-Miteigentümer Katar – und zeigt sich wenig angetan vom in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Machtkampf: Es sei «nicht im Sinne» des Volkswagen-Grossaktionärs, «beim amtierenden Vorstandschef Martin Winterkorn auf Distanz zu gehen, ohne eine mit dem Aufsichtsrat abgestimmte Alternative präsentieren zu können», zitiert das «Handelsblatt» aus dem Umfeld des katarischen Staatsfonds QIA.

Dennoch stellt sich Katar nicht gerade hinter Winterkorn, im Gegenteil: Der Vorstandschef werde nur schwer zu halten sein, nachdem er bei Piëch in Ungnade gefallen sei. Man werde sich nun erst einmal die verschiedenen Meinungen anhören, heisst es.

Die Gerüchte über ein zeitnahes Treffen des Präsidiums des Aufsichtsrats verdichten sich. Es sei sehr wahrscheinlich, dass sich die sechs Mitglieder binnen 48 Stunden zusammensetzen, sagen Insider.

Donnerstag, 16. April:

Showdown in Salzburg: Das Präsidium des Aufsichtsrats trifft sich am Familiensitz der Eigentümerfamilien Piëch und Porsche. Ausser Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche gehören Niedersachsens Ministerpräsident Weil, VW-Gesamtbetriebsratschef Osterloh, IG-Metall-Funktionär Huber und Betriebsratsvize Stephan Wolf dem Gremium an. Die Sitzung beginnt am Nachmittag, auch Winterkorn ist 

anwesend. Übereinstimmenden Berichten zufolge wird in den Stunden bis zum frühen Abend klar: Piëch ist isoliert. Das übrige Präsidium stellt sich hinter Winterkorn, laut «Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung» drohen die fünf Aufsichtsräte dem seinerseits unnachgiebigen Aufsichtsratschef, ihn zum Rücktritt aufzufordern. Letztendlich sei das Gremium ohne gemeinsame Position auseinandergegangen: Bis zum Freitagmorgen solle jede Seite ihre Position überdenken.

Freitag, 17. April:
Piëch-Ehefrau Ursula, Winterkorn und Aufsichtsratsboss Piëch: Wer ist hier gegen wen?
Piëch-Ehefrau Ursula, Winterkorn und Aufsichtsratsboss Piëch: Wer ist hier gegen wen?Bild: KAI PFAFFENBACH/REUTERS

Ferdinand Piëch hat Geburtstag – und muss ausgerechnet an diesem Tag eine Niederlage eingestehen. Der nun 78-Jährige lenkt ein, am späten Vormittag teilt der Konzern mit: Winterkorn bleibt als VW-Chef im Amt. Sein 2016 auslaufender Vertrag soll sogar verlängert werden. Die VW-Kontrolleure Weil und Osterloh erklären den Machtkampf öffentlich für beendet.

Samstag, 18. April:

Bereits einen Tag später wird klar: Der Machtkampf bei VW ist keinesfalls beendet. Einige Insider bezweifeln, dass Piëch die Schlappe auf sich sitzen lassen wird. Andere stellen nun die Zukunft des Chefkontrolleurs selbst in Frage. «Die Mehrheit ist gegen Piëch», zitiert die «Bild am Sonntag» ein Aufsichtsratsmitglied. Ausser den zehn Mitgliedern der Arbeitnehmerseite im Gremium wollen laut dem Bericht auch die Vertreter Niedersachsens und der Porsche-Familie Piëch abwählen. Zusammen hätten sie die erforderlichen 14 Stimmen.

Sonntag, 19. April: 

Nun springen die gleichen Aufsichtsräte, die in der Woche zuvor Winterkorn zur Seite standen, für Piëch in die Bresche. Nach Betriebsratschef Osterloh spricht sich auch Berthold Huber für einen Verbleib des Patriarchen aus.

In Shanghai beginnt die für Volkswagen extrem wichtige Automesse – ohne Winterkorn. Der Vorstandschef sagt die Reise offiziell wegen eines grippalen Infekts ab.

Mittwoch, 22. April:
Piëch, Schröder im Jahr 2001.
Piëch, Schröder im Jahr 2001.reuters

Altkanzler Gerhard Schröder – als damaliger Regierungschef Niedersachsens sass er im Aufsichtsrat, als Piëch 1993 an die Konzernspitze rückte – stärkt den Patriarchen. Piëch habe für den Konzern und dessen Beschäftigte «unermesslich viel getan», sagt Schröder der «Bild»-Zeitung.

Donnerstag 23. April:

Mit einem Paukenschlag wird das Gerangel um die Volkswagen-Spitze wieder zum Topthema. Nur eine Woche nach der Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums scheint die nach aussen hin verordnete Eintracht dahin. Piëch säge weiter an Winterkorns Stuhl, melden die Nachrichtenagentur dpa und der NDR. Bei einem Treffen der Familien Piëch und Porsche am Mittwoch in Stuttgart habe er sogar für mögliche Nachfolger geworben. Piëch dementiert umgehend. «Herr Winterkorn und ich haben uns

vergangene Woche ausgesprochen und uns auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit geeinigt», sagt Piëch dem SPIEGEL. «Ich betreibe seine Ablösung nicht.»

Freitag 24. April:

Mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats entziehen Piëch das Vertrauen. Der 78-Jährige sei als Aufsichtsratschef des VW-Konzerns nicht mehr tragbar, erklären sie gegenüber dem SPIEGEL. Trotz des Präsidiumsbeschlusses habe Piëch weiterhin versucht, Winterkorns Rücktritt einzufädeln. Noch Anfang der Woche habe er Porsche-Chef Matthias Müller gesagt, er solle sich für einen Wechsel auf die Position des Vorstandsvorsitzenden bereithalten. 

Samstag 25. April:
Aufsichtsräte Ursula und Ferdinand Piëch: Sofortiger Rücktritt.
Aufsichtsräte Ursula und Ferdinand Piëch: Sofortiger Rücktritt.Bild: Getty Images Europe

Der Machtkampf bei VW erreicht seinen vorläufigen Höhepunkt. Der Konzern gibt bekannt, dass der Aufsichtsratschef und seine Frau Ursula Piëch ihre Mandate mit sofortiger Wirkung niederlegen. Der stellvertretende Aufsichtsratschef Berthold Huber werde kommissarisch die Leitung des Gremiums übernehmen.

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