Knapp fünf Jahre nach dem Auffliegen der Abgasaffäre bei Volkswagen hat das Braunschweiger Landgericht die Betrugsanklage gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn zugelassen. Dies teilte die zuständige Kammer am Mittwoch mit. Winterkorn muss sich den Vorwürfen damit in einem öffentlichen Verfahren stellen - wann der Prozess beginnt, ist noch offen.
Die Ermittler hatten den heute 73-jährigen Manager im April 2019 aufgrund seiner Rolle im Dieselskandal angeklagt. Es geht um den Vorwurf des schweren Betrugs und des Verstosses gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb im Zusammenhang mit Manipulationen an den Abgaswerten von Millionen Fahrzeugen.
Wie das Gericht am Mittwoch mitteilte, sieht die Kammer bei Winterkorn einen hinreichenden Tatverdacht, dass der Manager wegen gewerbs- und bandenmässigen Betrugs verurteilt werden könnte. Deswegen wurde die Eröffnung des Hauptverfahrens zugelassen.
Die Käufer bestimmter Fahrzeuge aus dem VW-Konzern seien über die Beschaffenheit der Autos und speziell die sogenannte Abschalteinrichtung in der Motorsteuersoftware getäuscht worden. Dadurch sei die Einhaltung der Stickoxidemissionen lediglich auf dem Teststand gewährleistet gewesen, nicht aber im normalen Betrieb. Die Käufer hätten dadurch einen Vermögensschaden erlitten, hiess es in einer Mitteilung des Landgerichts.
Eine Wirtschaftsstrafkammer aus drei Richtern prüfte, ob ein hinreichender Tatverdacht besteht. Während der vergangenen Monate sollen sich zunächst einige Zweifel des Gerichts an der Argumentation der Braunschweiger Staatsanwaltschaft ergeben haben. Im Herbst hatte Richter Christian Schütz die Strafverfolger um weitere Erläuterungen gebeten.
Berichten zufolge forderte das Gericht unter anderem noch ein Sachverständigen-Gutachten zur Frage, ob die Software von Steuergeräten der betreffenden Dieselfahrzeuge tatsächlich ein illegales Täuschungsprogramm enthielt.
Beobachter hatten eigentlich damit gerechnet, dass der Prozess gegen Winterkorn und weitere Führungskräfte schon zu Beginn dieses Jahres eröffnet worden wäre. Im Januar musste die Staatsanwalt aber offenbar noch einmal nacharbeiten: Manche Ansatzpunkte in der Anklage sollen nach Informationen des Online-Wirtschaftsmagazins «Business Insider» «nicht zielführend», ein «hinreichender Tatverdacht» soll teils nicht abzusehen gewesen sein. Demnach ging es um den Vorwurf strafbarer Werbung für manipulierte Dieselautos in den USA - und auch um den Betrugsvorwurf wegen des anhaltenden Verkaufs solcher Fahrzeuge. Nun liess das Gericht die Klageschrift jedoch zu.
Im September 2015 hatte Volkswagen nach Prüfungen von Behörden und Recherchen von Forschern in den USA Manipulationen an den Abgaswerten von Dieselautos zugegeben. Die Software bestimmter Motoren war so eingestellt, dass im tatsächlichen Betrieb auf der Strasse deutlich mehr giftige Stickoxide (NOx) ausgestossen wurden als in Tests. (aeg/sda/awp/dpa)