In der neuen Werbekampagne stellt Ikea den
Normalbürger mit seinen Alltagsproblemen in den Mittelpunkt. Ist das nicht ein
bisschen langweilig?
Wir wollen Lösungen
für die Herausforderungen des täglichen Lebens aufzeigen, mit allen schlechten
und auch guten Seiten. Ikea will zeigen, wie wir das tägliche Leben ein
bisschen schöner und angenehmer gestalten können.
Der Alltag des Schweizer Normalbürgers ist nach
wie vor nicht sehr umweltfreundlich. Wir verbrauchen drei Erden.
3,3, um genau zu sein.
Wie will Ikea das ändern?
Ikea ist ein
Unternehmen, das Abfall und Verschwendung schon immer so weit als möglich
gemieden hat. Nur dank dem effizienten Umgang mit Ressourcen ist es uns
gelungen, qualitative hochstehende Möbel zu erschwinglichen Preisen anzubieten.
Wir haben auch nur wenige Zwischenhändler. Ikea besitzt sogar eigene Wälder für
das Holz der Möbel. Sparsam mit Ressourcen umzugehen war schon immer ein Teil
der Ikea-DNA.
Billige Möbel verleiten zum Wegwerfen. Ist das
nicht ein Widerspruch zur Nachhaltigkeit, die Ikea fördern will?
Ich habe mein Billy-Regal
seit mehr als 15 Jahren und es schon dreimal gezügelt.
Haben Sie es auch selbst zusammengebaut?
Selbstverständlich,
und damals war das noch nicht so einfach wie heute. Aber ernsthaft: Möbel sind
keine Modeartikel, die man einmal anzieht und dann wegwirft. Der tiefe Preis
ist kein Massstab dafür, wie lange man einen Tisch oder ein Bett auch
braucht. Wir geben auf unsere Möbel bis
zu 25 Jahre Garantie. Zudem forschen wir derzeit intensiv daran, wie wir unsere
Möbel recyclen können.
Kann ich somit ein Ikea-Möbel ohne schlechtes
Gewissen wegwerfen, weil ich weiss, dass es wiederverwertet wird?
Noch nicht, wir stehen
erst am Anfang dieser Entwicklung. Wir produzieren aber heute schon Produkte
aus dem Abfall von anderen. Unser Ziel ist es, dereinst alle nicht mehr
gebrauchten Kundenmöbel zurückzunehmen und wieder in den Kreislauf
zurückzuführen. In unseren eigenen
Filialen rezyklieren wir bereits rund 80 Prozent des Abfalls. Aber natürlich
ist es nicht unser Ziel, dass unsere Möbel möglichst schnell weggeworfen
werden. Deshalb achten wir sehr stark auf Qualität.
Ikea will den Umsatz von weltweit 35 Milliarden
heute bis 2020 auf 55 Milliarden Franken steigern. Wie verträgt sich dieses
ehrgeizige Wachstumsziel mit den ökologischen Idealen?
Wenn wir es nicht
schaffen, gleichzeitig zu wachsen und einen positiven Einfluss auf die Umwelt
zu haben, dann haben wir ein Problem – nicht nur Ikea, sondern die Menschheit
insgesamt. Wir müssen Produkte mit einem sehr kleinen ökologischen Fussabdruck
und erneuerbarer Energie herstellen, und es muss möglich sein, sie nach
Gebrauch wieder in den Kreislauf zurückzuführen.
Wunderbar, aber trotzdem: Braucht es dieses
rasante Wachstum?
Dieses Wachstum findet
in erster Linie in Ländern wie China und Indien statt. Dort entsteht eine neue
Mittelschicht, die – genau wie wir auch – das Bedürfnis haben, schön zu wohnen.
Bis 2030 werden so rund 3 Milliarden Menschen zu dieser neuen Mittelschicht dazu
stossen.
Ikea hat eigene Wälder, teilweise auch in
Ländern mit fragwürdigen Regierungen wie etwa Weissrussland.
Über die Hälfte
unserer Wälder befinden sich in EU-Mitgliedsländern, der grösste Teil befindet
sich in Rumänien. In Weissrussland haben wir keine Wälder, nur
Produktionsstätten.
Haben Sie kein Problem, wenn Sie mit einer
Diktatur wie Weissrussland Geschäfte machen?
Wir versuchen unsere
Geschäftsbeziehungen stets so zu gestalten, dass die normalen Menschen davon
profitieren. Ikea hat strenge Anti-Korruptions-Regeln, die dafür sorgen, dass
wir keine Diktaturen unterstützen.
Ikea versucht ganz bewusst, Kunden zu einem umweltfreundlichen
Verhalten zu animieren. Verwenden Sie dabei das so genannte Nudging, dass sanfte
Anstupsen von Menschen, um sie auf den richtigen Weg zu bringen?
Einerseits versuchen
wir tatsächlich, unsere Kunden sanft anzustupsen. Andererseits sind wir
bestrebt, weniger gute Alternativen nicht länger anzubieten. So verkaufen wir
nur noch LED-Lampen, die sehr viel weniger Energie verbrauchen als herkömmliche
Glühbirnen. Dasselbe gilt bald auch für Batterien. Bei Produkten, bei denen das
noch nicht möglich ist, versuchen wir unseren Kunden aufzuzeigen, wie sie
Energie sparen können – und ihr Portemonnaie schonen können.
Sie verkaufen neuerdings komplette und
schlüsselfertige Solaranlagen samt Montage. Gibt es dafür bereits einen Markt?
Die Schweiz ist eines
von drei Ländern, in denen wir ein Solar-Pilot-Projekt durchführen. Im Paket
ist alles enthalten: Anträge für Subventionen, Konverter, etc.
Und werden diese Anlagen auch gekauft?
Wir sind zufrieden. Das
Angebot entspricht einem Bedürfnis, denn bei Ikea können sich die Kunden darauf
verlassen, dass wir auch in 20 oder 50 Jahren noch da sein werden.
Ikea mischt sich in die Politik ein: Partner
des WWF, Unterstützung der Initiative für eine grüne Wirtschaft. Gibt das nicht
Ärger mit den etablierten Wirtschaftsverbänden?
Auslöser war die
Klimakonferenz in Paris. Damals wurden unser globaler CEO sowie der
Nachhaltigkeitschef erstmals an eine Klimakonferenz eingeladen, um den
Standpunkt von Unternehmen zu vertreten. Wir brachten hier zusammen mit anderen
Akteuren den Standpunkt ein: Um eine Klimakatastrophe zu verhindern, braucht es
mehr Regulationen.
Äussert sich Ikea regelmässig zu politischen Themen?
Es ist das erste Mal, dass sich Ikea auf der politischen
Bühne engagiert hat. Aber wir haben einfach realisiert, dass die
Herausforderungen der Klimaerwärmung, der Ressourcenknappheit und der
wachsenden Zahl der Menschen nicht mehr allein mit Marktmechanismen zu
bewältigen ist. Das muss auch die Wirtschaft erkennen. Der Deregulierungseifer
führt uns nicht zum Ziel.
Aber die aktive
Unterstützung für die grüne Partei geht einen Schritt weiter.
Das war ein No-brainer,
weil die Ziele der Initiative mit unseren globalen Nachhaltigkeitszielen in
Einklang standen.
Auch SVP-Wähler kaufen bei Ikea ein. Verärgern
Sie mit Ihrem ökologischen Engagement nicht einen Teil ihrer Kunden?
Wir stehen als
Unternehmen zu unserer Überzeugung. Wir geben auch Flüchtlingen eine Chance,
bei uns in den Arbeitsprozess integriert zu werden. Es geht darum: Wollen wir
uns der Klimarealität stellen oder nicht? In dieser Frage gibt es keinen
Kompromiss.
Haben Sie keine Umsatzeinbussen zu beklagen?
Nein. Klar hat es
Anfeindungen gegeben. Aber damit können wir leben. Und nochmals: Gewisse Werte
sind in unserem Unternehmen wichtig. Diese wollen wir hochhalten, und dafür
stehen wir konsequent ein.
Mitarbeiter arbeiten gerne in einem
Unternehmen, in dem man ein gutes Gewissen haben kann. Spüren Sie diesen
Effekt?
Wir wissen, dass
ökologische Themen für unsere Mitarbeiter sehr wichtig sind, und dass sie
sinnvolle Ziele verfolgen wollen. Das geht aus internen Mitarbeiter-Befragungen
klar hervor. 80 Prozent unserer Mitarbeiter geben an, dass sie einen positiven
Einfluss auf ihre Umwelt haben wollen.
Ikea hat eine Frauenquote von 50 Prozent im Management. Ist das eine bewusste Strategie oder Zufall? Das hat mit unserer schwedischen Herkunft zu tun. In Skandinavien ist man in dieser Frage viel weiter als bei uns.
Die Partnerschaft von Ikea mit dem WWF überrascht.
Kritiker äussern gerne den Verdacht, das sei bloss ein Marketing-Gag. In der
Schweiz dauert diese Partnerschaft schon bald zehn Jahre. Wie wird sie sich weiterentwickeln?
Sie wird sich
verstärken. Wir sind überzeugt, dass Ökologie nicht nur ein moralisches Gebot
ist, sondern auch ein Geschäftsmodell für die Zukunft.
Gilt das auch für die Atomenergie? Unterstützen
Sie auch die Initiative für den Ausstieg?
Da halten wir uns
zurück. Aber bei Ikea selbst brauchen wir keinen Atomstrom, sondern setzen auf
100 Prozent erneuerbare Energie.
Ikea ist ein global tätiges Unternehmen. Um die
Nachhaltigkeit zu fördern, braucht es vermehrt regionale und dezentrale
Wirtschaftskreisläufe. Was unternehmen Sie diesbezüglich?
Wir versuchen seit
jeher, regional zu wirtschaften. Deshalb ist auch heute noch mehr als die
Hälfte der Produktion in Europa. Wir
sind kein Unternehmen, das seine Produkte drei Mal um den Globus schickt, bis
es zum Endverbraucher kommt. Zudem transportieren wir nichts mit Flugzeugen.
Stichwort Sharing Economy. Ist das bei Ikea ein
Thema?
Wir diskutieren sehr
aktiv darüber. Kann man beispielsweise Kindermöbel wieder Ikea zurückgeben,
wenn sie nicht mehr gebraucht werden? Oder wollen wir bei Ikea eine
Möbel-Sharing-Plattform betreiben?
Eine Möbel-Sharing-App gibt es nicht?
Noch nicht. Aber wer
weiss? Lineare Geschäftsmodelle müssen heute hinterfragt werden – und da geschieht
bei Ikea sehr intensiv.