Dan Price (30) überraschte Anfang Woche seine rund 100 Angestellten mit einer fantastischen Nachricht: 70'000 Dollar Mindestlohn für alle! Pure Nächstenliebe oder genialer PR-Gag? In letzterem Fall drängen sich für den CEO und Mitinhaber der Kreditkarten-Abwicklungs-Firma Gravity Payments in Seattle zwei Feststellungen auf:
Es wird teuer: Finanzieren will Price den Geldsegen, indem er sein eigenes Gehalt von bislang einer Million ebenfalls auf 70'000 Dollar jährlich senkt. Zudem wird sich der diesjährige Unternehmensgewinn seiner Firma von prognostizierten 2.2 Millionen mehr als halbieren. Die Lohnerhöhung wird über drei Jahre gestaffelt eingeführt.
Es scheint zu funktionieren: Price liess die Mitarbeiter-Info auf Video aufzeichnen (siehe unten) und die «New York Times» exklusiv darüber berichten. Medien auf der ganzen Welt haben die Geschichte übernommen. «In den vergangenen zwei Tagen haben wir definitiv ein paar Neukunden gewonnen», zitiert AP einen Kundendienst-Manager von Gravity Payments.
Die revolutionäre Idee kam Price, nachdem er in einer Studie zweier renommierten Psychologen gelesen hatte, dass Einkommen unter rund 75'000 Dollar Menschen unglücklich machen. «Das Verhältnis zwischen einem marktgerechten CEO-Lohn und jenem eines normalen Angestellten ist absurd», sagte der Unternehmer gegenüber der «New York Times». Von Freunden wisse er genau, was es bedeutet, mit 40'000 Dollar pro Jahr einen Lebensunterhalt zu bestreiten. «Ich höre das jede Woche, und es nagt an mir», sagte er.
Als politisches Statement will Price seinen Schritt hingegen nicht verstanden wissen. In kaum einem anderen Land geht die Lohnschere zwischen CEO und Angstellten so weit auseinander wie in den USA. Ein Faktor von 300:1 ist keine Seltenheit. Seattle hat per 1. April einen Mindestlohn von 15 Dollar die Stunde eingeführt, doppelt so hoch wie der landesweit vorgschriebene von 7.50. Der neue Mindestlohn bei Gravity Payments entspricht einem Stundenlohn von 36 Dollar.
«Ich bin gerade total überwältigt», sagte Hayley Vogt (24), die 45'000 Dollar bei Gravity Payments verdient. Sie ist eine von rund 70 Angestellten, deren Gehalt nun ansteigt. 30 werden ihres sogar verdoppeln, wenn der Plan in drei Jahren vollständig umgesetzt ist.
Das Durchschnittsgehalt beträgt 48'000 Dollar. Auf 100 Mitarbeiter hochgerechnet steigen die Lohnkosten demnach um über zwei Millionen. Die eine Hälfte davon stemmt Price mit seinem Lohnverzicht, die andere kommt aus dem Unternehmensgewinn.
Price, der in einer 3-Zimmer-Wohnung wohnt und einen 12 Jahre alten Audi fährt, hat einen unegwöhnlichen Werdegang: Er wuchs in einer landwirtschaftlich geprägten Region in Idaho auf, kanpp 50 Kilometer vom nächsten Lebnsmittelgeschäft entfernt. Bis zum 12. Lebensjahr wurde er von seinen Eltern zu Hause unterrichtet. Gravity Payments gründete er im Alter von 19 Jahren, als er noch Student war.
Der 30-Jährige macht nicht zum ersten Mal von sich reden. Sein Geschäftsmodell erlaubt es, Kleinunternehmen tiefe Gebühren für Kreditkartentransaktionen anzubieten. Die Small Business Administration, eine US-Behörde zur Förderung von Kleinunternehmen, wählte ihn deshalb zum nationalen Jungunternehmer 2010 – was ihm ein Treffen mit dem Präsidenten einbrachte.
Sein Gehalt will er bei 70'000 belassen, bis Gravity Payments wieder denselben Unternehmensgewinn wie vorher erwirtschaftet. «Es ist an uns, einen Weg zu finden, damit es funktioniert», sagte er an der Mitarbeiter-Veranstaltung am Montag. Die Gebühren für die Kunden werde er auf jeden Fall nicht erhöhen.
Ich meine das nicht negativ. Er geht ein echtes Risiko ein und hier unterscheidet er sich von den meisten anderen CEO.