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Russen decken sich mit Raclette und Emmentaler ein 

Russland holt sich seinen Käse aus der Schweiz. 
Russland holt sich seinen Käse aus der Schweiz. Bild: KEYSTONE
Schweiz profitiert von Sanktionen

Russen decken sich mit Raclette und Emmentaler ein 

Die Käse-Exportzahlen in Richtung Osten haben sich verfünffacht. Besonders stabil werden die Exportbeziehungen zu den Russen aber wahrscheinlich doch nicht bleiben. 
26.10.2014, 10:3526.10.2014, 10:57
benjamin weinmann / Schweiz am sonntag
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Ein Artikel von Schweiz am Sonntag
Schweiz am Sonntag

Schweizer Käseproduzenten rieben sich die Hände, als Russland Anfang August ein Importverbot für westliche Lebensmittel während eines Jahres beschloss. Sie hofften, dass die Russen auf das Nicht-EU-Land Schweiz ausweichen würden, um ihren Käsehunger zu stillen. 

Und tatsächlich: Ein Blick auf die Zahlen der Eidgenössischen Zollverwaltung zeigt eine massive Exportzunahme von Schweizer Käse. Wurden im September 2013 erst 28 Tonnen ins Land von Präsident Wladimir Putin exportiert, so waren es im vergangenen Monat bereits 160 Tonnen – über fünf Mal mehr.  

Grosse Nachfrage aus Moskau

Das Importverbot war Putins Retourkutsche auf die Sanktionen des Westens im Rahmen des Ukraine-Konflikts. So wurde Russland der Zugang zu Finanzmärkten erschwert, Waffenexporte wurden gestoppt. Zu den Profiteuren gehört die Migros-Tochter Mifroma. Sie hat kürzlich eine Zulassung für Käse-Exporte nach Russland erhalten. Laut einer Migros-Sprecherin sind die Ausfuhrzahlen «leicht steigend». Die Luzerner Hochdorf-Gruppe produziert neu für eine Schweizer Drittfirma ein Milchpulver, das an ein russisches Werk geliefert wird. «Dieses wurde vorher in der EU hergestellt», sagt ein Hochdorf-Sprecher.  

Auch Daniel Dätwyler, Geschäftsführer des Käseverarbeiters Intercheese, bestätigt die grosse Nachfrage aus Moskau. «Wir konnten über bestehende Kontakte unsere Exporte deutlich steigern.» Im vergangenen Jahr lieferte Intercheese 20 Tonnen Käse nach Russland. Heute sind es bereits dreimal mehr, und bis Ende Jahr rechnet Dätwyler mit 90 Tonnen. «Gefragt sind vor allem Produkte aus dem Billigsegment wie Grossloch- und Raclettekäse.» Man könne aber auch hochpreisigere Nischenprodukte wie Emmentaler und Gruyère liefern.  

Boom von kurzer Dauer

Illusionen macht sich Dätwyler dennoch keine. «Sobald die Sanktionen aufgehoben werden, fällt das Billigsegment für uns wieder weg, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.» Er hoffe aber, Spezialitäten etablieren zu können. Wegen der unsicheren politischen Lage liefert Intercheese nur auf Vorauszahlung. «Wir nutzen die Chancen, wo sie sich bieten, aber wir haben keine Absicht, unser Russlandgeschäft gross auszubauen», sagt Dätwyler.  

Jetzt auf

Dies sei auch nicht möglich. Der russische Bedarf für Käseimport beträgt jährlich 260'000 Tonnen. Allein 60'000 Tonnen stammen aus Holland. «Mit ausländischen Grossproduzenten, sei es von deutschem Mozzarella oder holländischem Gouda, können wir preislich nicht mithalten», sagt Dätwyler. Zudem starte jetzt mit der Vorweihnachtszeit das grosse Fondue- und Raclettegeschäft in der Schweiz, was die Exportkapazitäten zusätzlich beschränke.  

Der grösste Schweizer Milchkonzern Emmi liefert ausschliesslich Spezialitätenkäse wie Kaltbach, Gruyère und Fondue nach Russland. Der Umsatz liegt im Promillebereich. Laut David Escher, Chef der Vermarktungsorganisation Switzerland Cheese Marketing, tragen Lieferungen nach Russland heute erst 1 Prozent zum gesamten Käseexport bei. 80 Prozent gehen nach Europa. «Doch natürlich bieten sich nun Opportunitäten», sagt Escher.  

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