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Marcel Ospel ist tot: Ein Nachruf auf den Ex-UBS-Chef

Pionier, Lebemann, tragische Figur: Ex-UBS-Chef Marcel Ospel ist tot

Der ehemalige UBS-Chef Marcel Ospel ist 70-jährig gestorben. Er schuf Grosses – und das Streben nach Grösse wurde ihm zum Verhängnis. Ein Nachruf.
27.04.2020, 05:53
Patrik Müller / ch media
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Mit einem Knall trat er bei der UBS zurück, das war am 1. April 2008, als die Grossbank in ihrer existenziellen Krise steckte, und seither zeigte sich Marcel Ospel nicht mehr in der Öffentlichkeit. Der Basler war hoch gestiegen, höher wohl als jeder Banker seit Alfred Escher, und tief gefallen. Aber nach seinem Rücktritt: Keine VIP-Anlässe, keine Referate, keine Interviews mehr.

Mit einer Ausnahme. Als die UBS im Februar 2012 im Hallenstadion ihr 150-Jahr-Jubiläum feierte, war Ospel anwesend. Wie selbstverständlich sass er da, am Tisch Nummer 45, zusammen mit dem Ehepaar Silvia und Christoph Blocher. Den SVP-Nationalrat hatte Ospel auf dem Höhepunkt seiner Macht, im Jahr 2003, als Bundesrat empfohlen – danach sah sich Ospel, zu Recht oder zu Unrecht, als heimlicher Königsmacher.

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Marcel Ospel Galerie
Marcel Ospel ist in der Nacht auf Sonntag 70-jährig verstorben.
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Rauchen als subversiver Akt in einem feindlichen Umfeld

An jenem Abend im Hallenstadion stieg am Tisch Nummer 45 immer mal wieder ein Räuchlein auf. Für einen wie Ospel gilt ein Rauchverbot eben nicht. Während Interviews, die er bis zu seinem Fall im Duktus eines Staatspräsidenten gab, war es Fotografen untersagt, ihn während des Rauchens zu fotografieren.

Legendär waren seine Interviews am WEF. Jedes Jahr gab er dort, ohne Krawatte und mit gelbem Pullover, einer grossen Zeitung ein ausführliches Interview, in dem er den Zustand des Finanzplatzes, der Schweiz und der Welt beschrieb und dem Bundesrat Ratschläge erteilte.

Sein Wort hatte in den 1990er und zu Beginn der 2000er-Jahre mehr Gewicht als dasjenige jedes anderen Wirtschaftsführers. Das änderte sich auch 2001 nicht, als Ospel beim Swissair-Grounding zum Buhmann der Nation wurde (zu Unrecht, wie sich später zeigte).

Swissair-Grounding machte ihn zum Buhmann der Nation

Vielleicht sah Ospel das Rauchen an diesem Abend im Hallenstadion als subversiven Akt. Jedenfalls sagte er zum Schreibenden: «Es kostete mich einige Überwindung, an diese Jubiläumsfeier zu kommen.» Das Umfeld hier war ihm eher feindlich gesinnt, abgesehen von seinem Sitznachbarn.

Die neuen UBS-Machthaber – Sergio Ermotti regierte nun als CEO, auch der inzwischen ebenfalls abgetretene (aber ehrenvoll) Oswald Grübel war da – hatten nie einen Hehl daraus gemacht, dass mit der Ära Ospel abgeschlossen werden müsse, mit dieser Kultur des unbändigen Wachstumsstrebens, das in ihren Augen die UBS in der Subprime-Krise ins Verderben gestürzt hatte.

Einen Uni-Abschluss konnte er, anders als sonst auf den Teppichetagen der Grossbanken üblich, nicht vorweisen.

«Neuanfang», «Bescheidenheit», «weniger Risiko» lauteten die Parolen, und sie waren mehr oder weniger direkt gegen Ospel gerichtet. Dass die Hauptansprache im Hallenstadion von Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf gehalten wurde, auch sie eine Ospel-Kritikerin, dürfte ihn erst recht nicht vom Rauchen abgehalten haben.

Aus einfachen Verhältnissen nach ganz oben

Auf dem Zenit seiner Macht hatte Ospel bis zu 25 Millionen Franken pro Jahr kassiert. Das ist etwa doppelt so viel, wie die Grossbank-Chefs heute bekommen. Ospel brachte es als erster angestellter Manager in die «Bilanz»-Liste der 300 reichsten Schweizer; bis dahin schaffte man es nur als Unternehmer oder Erbe in diesen erlauchten Kreis.

Ospel aber war weder das eine noch das andere. Er war ein Aufsteiger. Aufgewachsen in Kleinbasel in einfachen Verhältnissen, absolvierte er das KV, danach die HWV. Einen Uni-Abschluss konnte er, anders als sonst auf den Teppichetagen der Grossbanken üblich, nicht vorweisen. Seine Welt war die Praxis, er war ein Macher, kein filigraner Bedenkenträger wie der letzte CEO unter Präsident Ospel, Peter Wuffli.

Mit 27 Jahren begann Ospel beim Schweizerischen Bankverein (SBV), damals eine der vier Schweizer Grossbanken. Erst arbeitete er im Marketing, später schickte ihn die Bank nach London und New York, wo er die Kapitalmärkte lieben lernte – und wohl auch die Freude am Risiko, die im später zum Verhängnis werden sollte.

Nach einem Abstecher zur US-Investmentbank Merrill Lynch kehrte er 1987 zum SBV zurück. Dann gings Stufe um Stufe nach oben: Leiter Wertschriftenhandel, 1995 Chef der Investmentbank, 1996 schliesslich CEO.

Architekt der Fusion von Bankverein und Bankgesellschaft zur UBS

1997 folgte der grosse Coup: Ospel fädelte die Fusion mit der Schweizerischen Bankgesellschaft (SBG) ein, die um einiges grösser war als der SBV – trotzdem besetzte dieser die wichtigsten Positionen in der neu formierten UBS (das stand anfänglich noch für «United Bank of Switzerland»). Ospel selber wurde CEO der UBS.

Doch das reichte ihm nicht. Als Verwaltungsratspräsident richtete er sich später das berüchtigte «Chairman’s Office» ein; er war nun Alleinherrscher. Weil die UBS-Gewinne sprudelten wie nie zuvor, wagte niemand, Ospel zu bremsen. Er hatte mit der UBS in der Schweiz Grosses geschaffen, aber er wollte die Bank auch weltweit zu einer der ganz Grossen machen – und ging mit Firmenübernahmen und Investments vor allem in den USA enorme Risiken ein.

Subprime-Krise und Steueraffäre waren das Ende

Als der Markt 2007 drehte (Subprime-Krise) und die UBS zudem wegen Steuervergehen ins Visier der US-Justiz geriet, krachte die Ospel-Strategie in sich zusammen. Dutzende von Milliarden musste die UBS abschreiben. Ein halbes Jahr nach seinem Rücktritt klopfte die UBS beim Bund um Staatshilfe an.

Das Ende dieser bemerkenswerten Karriere war traurig. Ospel selber aber war es nicht, wie Leute sagen, die mit ihm Kontakt hatten: Er wirke nicht verbittert. Mit Adriana Bodmer, die er 2006 heiratete, hatte er 2009 nochmals Kinder – Zwillinge. Aus erster und zweiter Ehe hatte er bereits je zwei Kinder. Ospel golfte und besuchte inkognito die Basler Fasnacht. Doch zuletzt war er schwer krank. In der Nacht auf Sonntag ist er in Basel gestorben.

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Scaros_2
27.04.2020 09:20registriert Juni 2015
Ich denke Marcel Ospel war ein Mensch im Charakter sowie auch im Job welcher seiner Zeit, Epoche gerecht wurde. Ich persönlich halte nach dem Lesen wenig von diesem Menschen als Charakter oder was er im Job darstellte. Ich kann aber akzeptieren, dass dieser Typ in der damaligen florierender Zeit der Banken angesehen war. Heute ist die Perspektive, handeln etc. ein gänzliche anderes. Nicht überall aber es hat sich eben gewandelt.

Alles gute der Familie.
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Der Rückbauer
27.04.2020 08:31registriert September 2015
Tja, er wollte Teil der Lösung sein. Aber er war Teil des Problems. Und dieses Problem verfolgt die Schweiz bis auf den heutigen Tag. Ein Bänkler alter Prägung? Nein, mit ihm setzte der arrogante Neoliberalismus zu neuen Höhenflügen an.
Die UBS und Ospel sind bis heute dem Vorwurf ausgesetzt, der Swissair den Todesstoss versetzt zu haben.
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Mahakala
27.04.2020 09:41registriert August 2018
Als die Gewinne noch "sprudelten" hatten ihn alle sehr lieb.
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