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10 Jahre Aldi in der Schweiz

In Weinfelden, Amriswil, Altenrhein und Gebenstorf wurden 2005 die ersten Schweizer Aldi-Filialen eröffnet.
In Weinfelden, Amriswil, Altenrhein und Gebenstorf wurden 2005 die ersten Schweizer Aldi-Filialen eröffnet.
Bild: KEYSTONE

10 Jahre Aldi in der Schweiz: Was hat das für Folgen für die Konkurrenz?

Wie stark hat der Hard-Discounter die Schweiz verändert? Wie stark wurde Aldi «eingeschweizert»? Und was hatte Aldi für Folgen auf die grossen beiden Detailhändler Migros und Coop?
27.10.2015, 07:5527.10.2015, 08:50
Andreas Schaffner / Aargauer Zeitung
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Es war am ersten Sonntag des Jahres 2005. Der damalige Coop-Chef und heutige Verwaltungsrats-Präsident Hansueli Loosli kündigte an, dass ein neues Billig-Label beim Grossverteiler eingeführt werde. 150 Produkte im Pinken «Prix Garantie»-Design: von der Milch, zu Fleisch, Schinken, Cervelats, Kartoffeln, Äpfeln, Mineralwasser, Mehl, Teigwaren, Kaffee, Schokolade zur Unterwäsche. Faktisch war es eine Preissenkung in ausgewählten Produkten um bis zu 50 Prozent.

Auch die Migros blieb nicht untätig. Sie baute das seit 1996 bestehende Label M-Budget stark aus, erweiterte das Sortiment und schuf aus einem «hässlichen Entlein» eine Kultmarke. M-Budget wurde zur erfolgreichsten Markenlancierung der Nullerjahre. 2007 kaufte die Migros den Denner. Philippe Gaydoul, der Enkel des Gründers Karl Schweri, blieb vorerst Chef des Discounters. Er hatte seinerseits 2005 die 146 Filialen des Konkurrenten Pick Pay geschluckt. Pick Pay gehörte davor dem deutschen Rewe-Konzern.

Lidl folgte erst 2009

Zwei mächtige Deutsche sorgten also in der Schweiz für Wirbel, noch bevor sie eine Filiale eröffneten. Aldi und Lidl. Aldi eröffnete vor genau 10 Jahren und nach einer Planungszeit von nur einem Jahr die erste Filiale in der Schweiz. Genauer: in Weinfelden, Amriswil, Altenrhein und Gebenstorf. Im März 2009 folgte der Konkurrent Lidl mit seinen ersten 13 Filialen.

«Endlich kam Farbe in die Tristesse», sagt ein Detailhandels-Experte, der den Eintritt Aldis von Anfang an verfolgte. Zuvor drohte ein Duopol von Migros und Coop. Der Konsolidierungswelle im Detailhandel waren nicht nur Pick Pay, Magro oder Jumbo zum Opfer gefallen. Auch die Namen der Warenhausketten Waro, EPA oder ABM kennt heute kaum jemand.

Die neue Vielfalt

Das Auftreten von Aldi und Lidl in der Schweiz mischte die Branche auf. Mit dem Eintritt der Hard-Discounter – sie werden so genannt, weil sie preislich «hart» kalkulieren – wurde die Vielfalt grösser. Und die Schweizer griffen zu: Die Umsätze in den spartanisch eingerichteten Läden von Aldi kletterten von schätzungsweise 18 Millionen im ersten Jahr auf 1.79 Milliarden Franken im vergangenen Jahr.

Der deutliche kleinere Konkurrent Lidl ist zurzeit jedoch dynamischer unterwegs: Das Umsatzwachstum im letzten Jahr lag bei Aldi bei 2.9 Prozent. Bei Lidl, der noch unter einer Milliarde Umsatz schreibt, waren es 9.6 Prozent. Auch in diesem Jahr scheint Aldi ähnlich unterwegs, wie Schweiz-Chef Timo Schuster gestern bekannt gab. Mengenmässig wachse man in diesem Jahr zweistellig, so seine Aussage. Weitere Geschäftszahlen wollte er nicht bekannt geben.

Keine echte Gefahr für Migros und Coop

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bild: az

Die Erfolgsgeschichte von Aldi begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Die 1920 und 1922 geborenen Brüder Theo und Karl Albrecht hatten den Krämerladen ihrer Mutter übernommen. Weil die Albrechts an der Einrichtung sparten, konnten sie die Waren günstiger verkaufen. Die Brüder Albrecht, die später zu den reichsten Deutschen avancierten, teilten sich das Imperium 1960 auf: Theo übernahm Aldi Nord, Karl Aldi Süd. Heute teilen sich die beiden Gesellschaften auch das Ausland auf. Die Schweiz gehört zu Aldi Süd. Karl Albrecht verstarb im letzten Jahr, vier Jahre zuvor sein Bruder Theo. Für Kontinuität ist gesorgt: Aldi Süd etwa wird seit den Siebzigerjahren von zwei Stiftungen kontrolliert.

Zu einer echten Gefahr für die beiden Grossverteiler Migros und Coop wurden Aldi und Lidl nicht. Viel zu gross sind immer noch die Abstände. Und Konsumgewohnheiten der Schweizer sind nur schwer zu ändern. Und die Preisanpassungen der beiden Schweizer Detailhändler machten ihnen das Leben nicht einfacher. Unter Branchenkollegen haben sich die beiden Deutschen jedoch Respekt verschafft: Mit ihrer Fokussierung auf die Logistik haben es die Hard-Discounter geschafft, selbst bei sehr tiefen Margen zu überleben.

Jetzt auf

Die Konkurrenz kommt aus dem Ausland. Sowohl Coop und Migros als auch die Hard-Discounter leiden unter dem starken Schweizer Franken. Der Einkaufstourismus hat in diesem Jahr zur Folge, dass dem Handel in der Schweiz 13 Milliarden Franken verloren gehen: «Wir haben einen grossen Teil der Kosten – Löhne und Mieten etwa – in der Schweiz», sagt Timo Schuster. Reagiert hat Aldi, wie auch Lidl, mit einer stärkeren Betonung auf Schweizer Produkte und den Einstieg in höhermargige Bereiche: Wein und Bio-Gemüse etwa. 

Aldi-Schweiz-Geschäftsführer: «Ich bin erst zufrieden, wenn man in der Schweiz auch Aldi-Kinder hat»
Timo Schuster, spüren auch Sie den Einkaufstourismus?
Timo Schuster: Selbstverständlich ist das auch bei uns ein Thema. Wir haben einen grossen Teil der Kosten – Löhne und Mieten etwa – in der Schweiz. Wir haben jedoch im laufenden Jahr mehrfach die Preise gesenkt.

Sie bauen ein neues Verteilzentrum in Perlen LU. Was heisst das für die Anzahl Läden?
Wir haben danach Kapazität für insgesamt 300 Filialen, die wir mit unseren drei Verteilzentren beliefern können. Wir werden Ende Jahr insgesamt 180 Filialen haben.

Wo wollen Sie noch wachsen?
Richtig blinde Flecken haben wir keine mehr. Wir sind in 24 von 26 Kantonen und Halbkantonen vertreten. Was wir anstreben, sind weitere Filialen in grösseren Agglomerationen. Doch hier müssen wir genau hinschauen, welche Standorte zu Verfügung stehen. Ein Hindernis ist sicher die Situation auf dem Immobilienmarkt: Es sind nicht viele freien Flächen vorhanden, die unserem Konzept entsprechen.

In Deutschland ist Aldi in den Städten mit kleineren Läden präsent. Ist das auch für Sie denkbar?
Nein. Wir wollen nicht unter eine bestimmte Grösse gehen.

Wie stark ist Aldi in den letzten Jahren «schweizerisch» geworden?
Für uns ist klar, dass wir uns dem Markt angepasst haben. Als wir 2005 anfingen, hatten wir rund 700 Artikel im Grundangebot. Heute sind es 1300. Ausserdem haben wir im Bereich Wein sowie Frischprodukte ausgebaut. Ich bin erst zufrieden, wenn man in der Schweiz nicht nur Migros- oder Coop-Kinder hat, sondern auch Aldi-Kinder.
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