Es war am ersten Sonntag des Jahres 2005. Der damalige Coop-Chef und heutige Verwaltungsrats-Präsident Hansueli Loosli kündigte an, dass ein neues Billig-Label beim Grossverteiler eingeführt werde. 150 Produkte im Pinken «Prix Garantie»-Design: von der Milch, zu Fleisch, Schinken, Cervelats, Kartoffeln, Äpfeln, Mineralwasser, Mehl, Teigwaren, Kaffee, Schokolade zur Unterwäsche. Faktisch war es eine Preissenkung in ausgewählten Produkten um bis zu 50 Prozent.
Auch die Migros blieb nicht untätig. Sie baute das seit 1996 bestehende Label M-Budget stark aus, erweiterte das Sortiment und schuf aus einem «hässlichen Entlein» eine Kultmarke. M-Budget wurde zur erfolgreichsten Markenlancierung der Nullerjahre. 2007 kaufte die Migros den Denner. Philippe Gaydoul, der Enkel des Gründers Karl Schweri, blieb vorerst Chef des Discounters. Er hatte seinerseits 2005 die 146 Filialen des Konkurrenten Pick Pay geschluckt. Pick Pay gehörte davor dem deutschen Rewe-Konzern.
Zwei mächtige Deutsche sorgten also in der Schweiz für Wirbel, noch bevor sie eine Filiale eröffneten. Aldi und Lidl. Aldi eröffnete vor genau 10 Jahren und nach einer Planungszeit von nur einem Jahr die erste Filiale in der Schweiz. Genauer: in Weinfelden, Amriswil, Altenrhein und Gebenstorf. Im März 2009 folgte der Konkurrent Lidl mit seinen ersten 13 Filialen.
«Endlich kam Farbe in die Tristesse», sagt ein Detailhandels-Experte, der den Eintritt Aldis von Anfang an verfolgte. Zuvor drohte ein Duopol von Migros und Coop. Der Konsolidierungswelle im Detailhandel waren nicht nur Pick Pay, Magro oder Jumbo zum Opfer gefallen. Auch die Namen der Warenhausketten Waro, EPA oder ABM kennt heute kaum jemand.
Das Auftreten von Aldi und Lidl in der Schweiz mischte die Branche auf. Mit dem Eintritt der Hard-Discounter – sie werden so genannt, weil sie preislich «hart» kalkulieren – wurde die Vielfalt grösser. Und die Schweizer griffen zu: Die Umsätze in den spartanisch eingerichteten Läden von Aldi kletterten von schätzungsweise 18 Millionen im ersten Jahr auf 1.79 Milliarden Franken im vergangenen Jahr.
Der deutliche kleinere Konkurrent Lidl ist zurzeit jedoch dynamischer unterwegs: Das Umsatzwachstum im letzten Jahr lag bei Aldi bei 2.9 Prozent. Bei Lidl, der noch unter einer Milliarde Umsatz schreibt, waren es 9.6 Prozent. Auch in diesem Jahr scheint Aldi ähnlich unterwegs, wie Schweiz-Chef Timo Schuster gestern bekannt gab. Mengenmässig wachse man in diesem Jahr zweistellig, so seine Aussage. Weitere Geschäftszahlen wollte er nicht bekannt geben.
Die Erfolgsgeschichte von Aldi begann nach dem Zweiten Weltkrieg. Die 1920 und 1922 geborenen Brüder Theo und Karl Albrecht hatten den Krämerladen ihrer Mutter übernommen. Weil die Albrechts an der Einrichtung sparten, konnten sie die Waren günstiger verkaufen. Die Brüder Albrecht, die später zu den reichsten Deutschen avancierten, teilten sich das Imperium 1960 auf: Theo übernahm Aldi Nord, Karl Aldi Süd. Heute teilen sich die beiden Gesellschaften auch das Ausland auf. Die Schweiz gehört zu Aldi Süd. Karl Albrecht verstarb im letzten Jahr, vier Jahre zuvor sein Bruder Theo. Für Kontinuität ist gesorgt: Aldi Süd etwa wird seit den Siebzigerjahren von zwei Stiftungen kontrolliert.
Zu einer echten Gefahr für die beiden Grossverteiler Migros und Coop wurden Aldi und Lidl nicht. Viel zu gross sind immer noch die Abstände. Und Konsumgewohnheiten der Schweizer sind nur schwer zu ändern. Und die Preisanpassungen der beiden Schweizer Detailhändler machten ihnen das Leben nicht einfacher. Unter Branchenkollegen haben sich die beiden Deutschen jedoch Respekt verschafft: Mit ihrer Fokussierung auf die Logistik haben es die Hard-Discounter geschafft, selbst bei sehr tiefen Margen zu überleben.
Die Konkurrenz kommt aus dem Ausland. Sowohl Coop und Migros als auch die Hard-Discounter leiden unter dem starken Schweizer Franken. Der Einkaufstourismus hat in diesem Jahr zur Folge, dass dem Handel in der Schweiz 13 Milliarden Franken verloren gehen: «Wir haben einen grossen Teil der Kosten – Löhne und Mieten etwa – in der Schweiz», sagt Timo Schuster. Reagiert hat Aldi, wie auch Lidl, mit einer stärkeren Betonung auf Schweizer Produkte und den Einstieg in höhermargige Bereiche: Wein und Bio-Gemüse etwa.