Ein Abschnitt im neuesten Marktlagebericht der Milchbranche lässt aufhorchen. Dort heisst es: Die Import-Export-Bilanz beim Käse habe sich in den vergangenen Jahren «stets zuungunsten der Schweiz» entwickelt. Und: «Es ist zu erwarten, dass 2023 erstmals eine negative Handelsbilanz ausgewiesen wird.» Heisst: Die Schweiz könnte heuer zum ersten Mal mehr Käse importieren als exportieren.
Das hat sogar die «New York Times» dazu veranlasst, das Phänomen in einem ausführlichen Artikel zu beleuchten. Titel: «Warum importiert ausgerechnet die Schweiz so viel Käse?»
Total wurden in den ersten fünf Monaten des Jahres knapp 28'000 Tonnen Käse exportiert, ins Land eingeführt wurden 30'500 Tonnen. Das allein sei allerdings noch kein Grund zur Beunruhigung, wie die Branche im Bericht schreibt: «Die Handelsbilanz ist in den ersten neun Monaten des Jahres schon seit vielen Jahren negativ, die guten Verkäufe von Schweizer Käse im ausländischen Weihnachtsgeschäft konnten die Bilanz aber stets noch ins Positive drehen.»
Darauf verweist auf Anfrage auch Reto Burkhardt vom Verband Schweizer Milchproduzenten: «Wie genau die Bilanz Ende Jahr aussehen wird, gilt es abzuwarten. Dass es Anfang Jahr zu negativen Trends kommt ist nicht neu.» Dennoch sind die langfristigen Veränderungen in der Handelsbilanz offensichtlich. Grund dafür ist mitunter der seit 2007 geltende Freihandel im Käsemarkt zwischen der Schweiz und der EU. Seither kann Käse im Gegensatz zu vielen anderen landwirtschaftlichen Produkten zollfrei gehandelt werden – der Konkurrenzdruck aus dem Ausland stieg in der Folge an.
Das hat Auswirkungen auf den Aussenhandel. Laut Burkhardt sind die Schweizer Käse wegen «der hohen Produktionskosten und der Topqualität der Schweizer Milch und Milchprodukte» teurer als jene, die in der EU hergestellt werden. «Wenn nun die wirtschaftliche Entwicklung in Europa die Kaufkraft der Konsumierenden bremst, so leiden in erster Linie Produkte im Spitzensegment», erklärt Burkhardt.
Diese Entwicklung sei auch in der Schweiz zu beobachten. Es würden tendenziell billigere Produkte nachgefragt, «und billigere Produkte im Käsesegment sind eben importierte Käse». Besonders hoch sind die Importzahlen bei Frisch- und Weichkäsesorten, also beispielsweise bei Mozzarella, Brie oder Quark. In diesen Segment kann die Schweiz «von den Produktionskosten her nicht mithalten», sagt Burkhardt. Im Gegenzug exportiert die Schweiz vor allem Hartkäse wie Greyerzer, Appenzeller oder Emmentaler.
Die Käseherstellung ist für die Schweizer Milchproduzenten von grosser Bedeutung, weil es sich, so Burkhardt, um «einen wertschöpfungsstarken Wirtschaftszweig» handelt. Die Käseherstellung sei die «eigentliche Lokomotive der Schweizer Milchwirtschaft». Tatsächlich fliesst der mit Abstand grösste Teil der hierzulande produzierten Milch in die Käseproduktion. Wenn also weniger Käse hergestellt wird, dann bleibt bei gleichbleibender Milchproduktion mehr Milch übrig. «Diese Milch muss in andere Verarbeitungskanäle umgeleitet werden, welche oft weniger Wertschöpfung generieren», erklärt Burkhardt. Das gelte es zu verhindern.
Keinen direkten Einfluss auf die Handelsbilanz hat der inländische Konsum von Schweizer Käse. Im vergangenen Jahr konsumierte eine Durchschnittsperson hierzulande 23 Kilogramm Käse, davon stammten im Schnitt über 64 Prozent aus der Schweiz. Das ist zwar deutlich weniger als noch 2007 – damals lag der Inlandanteil bei knapp 77 Prozent. Doch es gibt einen Lichtblick: 2022 kam es beim Inlandanteil erstmals seit langem wieder zu einem Wachstum von 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Schade. Ich kaufe den Käse praktisch nur noch direkt ab Betrieb. Vom allem im Berner Oberland gibt es auf Wanderungen fast überall einen Kühlschrank mit auf der Alp produziertem Käse.
Wenn dann Käse wie Emmentaler und Greyerzer nicht mehr geschützt sind/werden, dann darf das nicht verwundern. Also sollte die Kritik vielleicht in Richtung: Was macht die Schweiz, um ihre eigenen Produkte im Ausland von Kopien zu schützen?
Doch wann greift die Schweiz schon 'mal in "der Markt wird's schon richten" ein? Nie. Somit: Selbstgemachtes Problem.