Pizza – ein Gericht, das einer Religion gleicht. Die Diskussionen darum sind oft hitziger und emotionaler als bei jeder SVP-Initiative. Ich bin mir sicher, dass deswegen auch schon Beziehungen in die Brüche gingen. Debattiert wird nicht nur darüber, ob man sie römisch oder neapolitanisch bevorzugt.
Nein, es geht um mehr. Wie lange muss die Garzeit des Teiges betragen und wie dick oder dünn muss dieser sein? Kommt der Käse unter oder über den restlichen Belag und welchen verwendet man? Büffelmozzarella, Mozzarella oder einzig und allein Fior di Latte? Sugo pürieren oder dürfen noch Tomatenstücke erkennbar sein? Mehr Belag ist mehr oder so schlicht wie möglich?
Und natürlich die Pizza-Streitfrage Nummer eins: Ist Pizza mit Ananas – genannt Pizza Hawaii – eine der sieben Todsünden? Dieser Punkt steht sogar auf der Agenda des italienischen Landwirtschaftsverbandes, der das Gericht kürzlich als «ein echtes Sakrileg» bezeichnete.
Das sind nur einige wenige Fragen rund um das italienische Essen. Die Liste ist endlos. Für gewisse Menschen ist das Thema sogar von so grosser Bedeutung, dass sie es in ihr Profil auf Dating-Apps wie Bumble oder Hinge integrieren.
Dort stehen dann Sätze wie: «Worüber wir nicht diskutieren: Dass Pizza das beste Essen der Welt ist», «So sieht ein erstes Date mit mir aus», gefolgt von einem Bild einer Pizza oder eben die Grundsatzdiskussion darüber, ob Ananas das Ticket direkt in die Hölle ist.
Verstanden habe ich das ganze Gehabe nie. Deswegen nach rechts geswiped noch weniger. Generell fand ich die ganze Debatte rund um Pizzas unnötig, ja fast schon peinlich. Mein Credo: Jedem und jeder seine oder ihre Pizza, wie es gefällt.
Wie diese aussieht und ob sie beim Lieblingsitaliener, zu Hause auf dem Sofa oder um fünf Uhr morgens an der Langstrasse verspeist wird, ist doch egal – Hauptsache, es schmeckt und die Person ist danach dank der Überdosis an Käse schön high.
Diese Meinung teile ich noch immer. Allerdings nur, was die Pizza anderer betrifft. Geht es um meine, sieht die Welt anders aus. Vor ein paar Tagen musste ich mit Schrecken feststellen, dass ich mich zu genau der Sorte Mensch entwickelt habe, die ich bis anhin belächelt habe: Ich bin ein Pizza-Snob geworden.
Nie habe ich in der Vergangenheit auch nur eine Sekunde darüber nachgedacht, ob ich im Urlaub in Italien eine Pizzeria besuche oder nicht. Pizza gehört genauso zum Italien-Urlaub wie überteuerte Sonnenliegen an überfüllten Stränden, Italo Disco und Aperol Spritz am Nachmittag. Schon immer. Bis eben vor ein paar Tagen, als ich für ein verlängertes Wochenende nach Genua gefahren bin.
Wie es sich für einen Städtetrip gehört, haben meine Reisebegleitung und ich neben Stränden und anderen Sehenswürdigkeiten bereits im Vorfeld recherchiert, welche Restaurants wir besuchen möchten. Steigert ja auch die Vorfreude. Leider aber nicht, was Pizzerien betrifft. Mit dem Kommentar «Die sehen alle aus wie bei *Name eines sehr bekannten Schweizer Pizzalieferdienstes*» hat mir der Reisepartner Restaurants mit Pizzas geschickt. Damit war klar: besuchen wir nicht.
Vor ein paar Jahren wäre ich trotzdem dorthin. Doch was hat sich in der Zwischenzeit geändert? Vieles – nicht in Italien, aber in Zürich. Seit einiger Zeit schiessen neben den neapolitanischen Klassikern wie Napulé, NA081 und San Gennaro neue, hippe Pizza-Lokale wie Pilze aus dem Boden. Sie tragen Namen wie Derby, Modo oder Alba.
Konzept und Angebot sind zwar bei allen unterschiedlich, doch eines haben sie gemeinsam. Mit ihren Pizzas haben sie mich an einen gewissen Standard gewöhnt, ohne dass ich es bemerkt habe. Ich bin wählerisch geworden. Ein Pizza-Snob eben.
Damit haben sie mir einen wichtigen Bestandteil meines Urlaubes genommen. Ferien in Italien sind nicht mehr das Gleiche wie früher. Denn wie weiter oben beschrieben, Pizza ist Italien und Italien ist Pizza. Oder war es zumindest.
Ich habe aber bereits einen Plan, wie das wieder so wird: ein Trip nach Neapel. Die Stadt steht sowieso schon lange auf meiner Liste. Von dort mache ich einen Abstecher ins 40 Minuten entfernte Caserta, wo es laut dem Restaurant Guide Gambero Rosso im Restaurant I Masanielli die beste Pizza der Welt geben soll.
Oder ihr verratet mir, wo sonst in Italien die Pizza-Schätze versteckt sind. Die Liste, die ich vielleicht sogar mit euch teilen werde, reicht dann hoffentlich für Italien-Ferien bis an mein Lebensende. Und den Rest des Jahres bin ich dankbar für all die Lokale, die einen Hauch von Dolce Vita nach Zürich gebracht haben.