Wirtschaft
Schweiz

Tabubruch: Top-CC buhlt um Migros- und Coop-Kundschaft

Le logo de la Coop et le logo de la Migros sont photographies cote a cote sur un batiment commercial commun ce mardi 23 aout 2016 sur la place de la Sallaz a Lausanne. (KEYSTONE/Jean-Christophe Bott)
Im Visier von Top CC: Die Kundschaft von Migros und Coop.Bild: KEYSTONE

Tabubruch: Grosshändler buhlt um Migros- und Coop-Kundschaft

Wenn Beizer und Restaurateure ihre Einkäufe erledigen, gehen sie zum Engros-Händler. Privatkunden sind dort normalerweise nicht zugelassen. Doch nun umgarnt die Top-CC-Kette neu auch sie mit XL-Portionen und günstigem Fleisch. Das passt nicht allen.
11.12.2021, 17:04
Benjamin Weinmann / ch media
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Der Zutritt ist exklusiv und setzt eine Mitglieder-Karte voraus. Engros-Märkte richten sich in erster Linie an Gastronomen - sei es die Geschäftsführerin des Hotelrestaurants, der Cafetier um die Ecke oder die städtische Cateringfirma. Die Produkte gibt es meistens im XL-Umfang: 12 Liter-Packungen Vollrahm, 1 Kilo Kalbsschulterbraten oder 10 Ketchup-Flaschen.

Doch nun wagt die St. Galler Engros-Kette Top CC einen Tabubruch. Die Tochterfirma des Detailhändlers Spar öffnet ihre Märkte auch für private Konsumentinnen und Konsumenten - für jene also, die sonst ihre Einkäufe bei Migros, Coop, Aldi oder Lidl erledigen. Vor kurzem hat die Firma mit elf Filialen entsprechende Werbebriefe an Privathaushalte verschickt mit dem Titel: «Es weihnachtet sehr...auch Sie können jetzt bei Top CC profitieren.» Bereits 2019 und 2020 öffnete die Firma zeitweise für alle - damals war allerdings noch von einem Test die Rede.

Der Kampf um den Stellenerhalt

Top-CC-Geschäftsführer Dominic Möckli bestätigt auf Anfrage die Offensive: «Es ist in erster Linie eine Reaktion auf die Folgen der Pandemie.» Was Möckli damit meint: Viele Umsätze sind in den letzten knapp zwei Jahren weggebrochen, weil die Restaurants lange geschlossen hatten und deutlich weniger Gäste bewirteten. «Diesen Wegfall müssen wir irgendwie kompensieren, wenn wir unsere über 400 Arbeitsplätze sichern möchten.»

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Festschmaus zu Tiefpreisen? Der Engros-Händler Top-CC will dem klassischen Detailhandel Kunden abjagen.bild: shutterstock

Kommt hinzu: «Bei vielen Familien-Betrieben, sei es dem ‹Rössli›, dem ‹Bären› oder dem ‹Hirschen›, fehlt eine Nachfolgelösung und die Inhaberinnen und Inhaber geben ihr Geschäft auf.»

Gerade zu Pandemie-Zeiten seien die Top-CC-Geschäfte ein optimaler Einkaufsort, da das Abstandhalten dank den breiten Gängen und grossen Verkaufsflächen gut machbar sei. «Und wir haben tiefere Kundenfrequenzen als die klassischen Detailhändler», sagt Möckli.

Das Problem der fehlenden Nachfolge

Der Top-CC-Geschäftsführer ist sich allerdings bewusst, dass er mit der Werbeoffensive einen gewissen Balanceakt vollzieht: «Es gefällt nicht jedem Gastronomen, wenn auch Privatkunden bei uns einkaufen und sehen, zu welchen Preisen ihr Wirt die Lebensmittel bezieht.» Diese seien nun mal tiefer als bei den Detailhändlern, wegen der grösseren Mengen, aber auch wegen der tieferen Kostenstruktur. Dafür müssten sich die Gastronomen aber nicht schämen, findet Möckli. «Schliesslich verarbeiten sie die Ware und bereiten daraus ein feines Essen und bieten ein Ambiente. Das gilt es beim Preis auf der Menükarte zu berücksichtigen.»

«40 Prozent günstiger als Migros und Coop»

Dass die Werbebriefe im November verschickt wurden, ist denn auch kein Zufall: Möckli erhofft sich uns einen grossen Schub vor dem Weihnachtsgeschäft, insbesondere beim Fleisch-Verkauf fürs Festessen. «Bei den Bestsellern wie Rindsentrecôtes, Poulet-Geschnetzeltem oder Schweinsplätzli sind wir beim Kilopreis bis zu 40 Prozent günstiger als Migros und Coop», sagt Möckli. Zudem habe man eine bediente Theke, bei der man auch kleinere Fleischstücke verlangen dürfe.

Die Top-CC-Einkaufskarte ist gratis und die Preise sind für Gastronomen und Privatkonsumenten die gleichen, allerdings profitieren die Gastrokunden von Spezialprogrammen, Grossmengenpreisen und Rückvergütungen.

Westschweizer Firma als Pionierin

Top CC ist nicht der erste Tabubrecher der Branche. 2012 expandierte das Westschweizer Familienunternehmen Aligro in die Deutschschweiz und setzte von Anfang an auf eine komplette Öffnung des Geschäfts, ohne Exklusivität für Gastronomen. Die welsche Firma profitierte laut eigenen vom Rückzug des französischen Detailhändlers Carrefour, der seine Schweiz-Expansion 2008 nach sieben Jahren aufgab und seine zwölf Mega-Stores für 470 Millionen Franken an Coop verkaufte. «Wir hören oft von Kunden, dass sie Carrefour vermissen», sagte der Aligro-Chef 2012 gegenüber der Zeitung «Der Sonntag».

Und wie reagiert die Konkurrenz? Die Cash&Carry-Händlerin Prodega, die zur Coop-Grosshandelsfirma Transgourmet gehört, richtet sich laut Sprecherin Christine Strahm «ausschliesslich an Profis aus Gastronomie, Hotellerie, Gemeinschaftsverpflegung, Detailhandel, Bäckereien und Gewerbe». Der Einlass sei nur mit einer persönlichen Kundenkarte möglich. Einzig während der Phase grosser Unsicherheit von März bis Juli 2020 seien die 31 Geschäfte temporär für Privatkunden geöffnet worden. «Wir halten an dieser restriktiven Einlasspraxis für Profikunden fest.»

«Das kommt nicht in Frage»

Und auch die ehemalige Migros-Grosshändlerin Saviva, die heute der Firma Traitafina gehört, ist eine Öffnung für Privatkunden kein Thema: «Das kommt für uns nicht in Frage», sagt Marketingchef Roger Juon. Top-CC-Chef Dominic Möckli will erst im Januar Bilanz ziehen - aber er riecht derweil den Braten: «Ich bin zuversichtlich, dass unsere Aktion insbesondere vor den Festtagen Erfolg haben wird.» (aargauerzeitung.ch)

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38 Kommentare
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El Vals del Obrero
11.12.2021 18:02registriert Mai 2016
Diese Strukturen stammen ja noch aus der Zeit, als es vor der MWSt die scharfe Unterteilung zwischen "Grossisten" und "Privatpersonen" gab. Das ist ja heute nicht mehr der Fall.

Denoch wäre das wohl nichts für mich, da ich als Single schon oftmals die abgepackten Portionen bei den Grossverteilern zu gross finde.
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Nubotronic
11.12.2021 18:50registriert Januar 2016
Aligro hat schon lange für private geöffnet. War 2 Mal drin. Fleisch & andere Grundnahrungsmittel sind leicht günstiger, wenn man bereit ist 10KG auf ein Mal zu kaufen. Ansonsten Sind die Preise teilweise massiv höher als Migros/Coop/Aldi/Lidl. Es lohnt sich nicht immer. Teilweise sehr überissene Preise.
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Kaoro
11.12.2021 17:27registriert April 2018
ich kaufe mit einer Karte von einem Kollegen bei Aligro ein. Ich glaube nicht, dass du als Normalkunde den gleichen Rabatt wie ein Restaurant bekommst.
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