Wer baut den Höchsten? Das architektonisch-phallische Fernduell machen normalerweise Metropolen wie Dubai, Schanghai und New York unter sich aus. Die Schweiz backt vergleichsweise kleine Brötchen, ausser und buchstäblich in der Kategorie Kornspeicher: 118 Meter misst der neue Swissmill Tower in Zürich – zwei Meter mehr als das zuvor höchste Getreidesilo der Welt, die Schapfenmühle bei Ulm in Deutschland.
Wir sind mit Silo-Chef Hans Schmid auf dem höchsten Punkt des Turms, in der Luft hängt der süssliche Geruch von frisch gemahlenem Mehl. Bauarbeiter versiegeln gerade den Verteilboden, über dem dereinst ein Sitzungszimmer für die Manager von Swissmill und der Eigentümerin Coop stehen wird. Nicht das höchste in der Innenstadt – das befindet sich gegenüber im Prime Tower – aber mehr als hoch genug, um auf den Hauptsitz der Konkurrentin Migros am Limmatplatz herabzublicken.
Wenn er über den Neubau spricht, kommt Schmid, der aus Leidenschaft Müller ist, ins Schwärmen: «Als wir die Idee erstmals präsentierten, mitten in Zürich auf 118 Meter aufzustocken, hielten uns die Leute für verrückt. Doch wir waren überzeugt und zogen es durch.» Die Bauherrin Implenia rechnet für den kommenden Frühling mit der Fertigstellung des Rohbaus. Über die Kosten wurde Stillschweigen vereinbart. Dafür gibt es zwei andere eindrückliche Zahlen: Der neue Blickfang in der Zürcher Skyline verschlingt 18’000 Kubikmeter Beton und 2700 Tonnen Stahl.
Die Lage des Turms direkt an der Limmat verlangte den Planern alles ab. Um die gewaltigen Kräfte abzufangen, mussten Pfähle bis in eine Tiefe von 45 Metern auf die Grundfelsen getrieben werden. Der Bau ist Knochenarbeit pur: Die Aufstockung auf 118 Meter geschieht mittels sogenannter Gleitschalung, das heisst bis zu 60 Bauarbeiter betonieren in drei Schichten rund um die Uhr. Entscheidend ist dabei, dass der Beton während des Verfahrens abbindet, was während der Bruthitze nicht immer einfach war. «Das würden Sie und ich keine Stunde aushalten», sagt Schmid. Wir glauben es ihm.
Der Bau ist in zwei Etappen aufgeteilt, in denen je eine Hälfte des Turms hochgezogen wird. Die erste wurde Anfang Juli abgeschlossen, die zweite beginnt am 21. September. Schon sehr bald also wird der Swissmill Tower doppelt so breit sein und seine schlanke Erscheinung ein Stück weit einbüssen.
Irgendwann während der Baustellenführung merken wir, dass hier nicht nur gebaut wird. Tatsächlich bleibt der Silo- und Mühlebetrieb während der Aufstockung aufrecht erhalten. Das muss er auch.
Swissmill ist die grösste Mühle der Schweiz. 800 Tonnen Korn vermahlt der Betrieb pro Tag. Das entspricht unglaublichen 30 Prozent des nationalen Getreidebedarfs. Anders gesagt: Hier wird das Mehl für alle Brotprodukte hergestellt, die in allen Coops, Volgs und Landis der Schweiz über die Ladentische gehen.
Einen Betrieb mit solchen Dimensionen würde man irgendwo in der Agglomeration vermuten, nicht aber mitten in der Höchstpreisstadt Zürich. Die allermeisten Fabriken im ehemaligen Industriequartier wurden denn auch in den 1980er-Jahren stillgelegt. «Mein Vorgänger erlebte noch, wie auf dem benachbarten Löwenbräu-Areal Bier gebraut wurde», sagt Schmid. Für ihn ergibt der über 170 Jahre alte Mühle-Standort am Sihlquai nach wie vor viel Sinn: «Wir sind dort, wo der Konsument ist.»
Lebensader der Mühle ist und bliebt der Bahnanschluss, über den sämtliches Getreide angeliefert wird: Swissmill darf das städtische Industriegleis, das quer durch das neue Trendquartier verläuft, weiterhin nutzen. «Mit Lastwagen wäre das nicht zu schaffen, unsere Existenz steht und fällt mit diesem Bahnanschluss», räumt Schmid ein.
Wer in der Nähe der Hardbrücke wohnt oder arbeitet, bekommt die Güterzüge regelmässig zu Gesicht. Sorgen, dass die Gleise irgendwann verschwinden, müssen sich Schmid und seine Mitarbeiter keine machen. «Zürich ist gut zu uns», sagt er. Swissmill ist einer von nur zwei verbliebenen Industriebetrieben auf Stadtgebiet (der andere ist MAN). Auch beim Bund kann das Unternehmen mit Goodwill rechnen: Ein Teil seiner vier Getreidesilos sind Pflichtlager.
Ebenso scheint die Bevölkerung der Stadtmühle wohlgesinnt. 2011 stimmte sie der Aufstockung mit einem Ja-Anteil von 58 Prozent zu. Das Schattenwurf-Argument der Gegner verfing nicht. Nun müssen die Badegäste am Unteren Letten auf ein wenig Sonne verzichten. Dafür bekommt die Bankenstadt Zürich das höchste Getreidesilo der Welt. Ein fairer Kompromiss. Und eine willkommene Abwechslung von all den anderen Hochhäusern mit ihren (teils leerstehenden) Luxuswohnungen.
Eine Frage wäre noch zu klären:
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Kriegt grad sonstwer noch einen Lachanfall?
Da schaffen die es statisch gesehen locker, den höchsten Getreidesilo weit & breit hinzustellen, aber der Uferweg, ja der Uferweg! Irgendwie schien der vor der Abstimmung statisch Peanuts zu sein, danach mauserte er sich plötzlich zur unlösbaren Knacknuss..
Kann sein, dass man sich wirklich irrte. Kann aber auch sein, dass nicht.
Was mit in diesem Artikel aber völlig fehlt ist eine objektive Herangehensweise, das Schattenwurf-Argument wird einfach abgetan und die Begründung, wieso es sinnvoll war, mitten in der Stadt das Silo zu vergrössern fehlt völlig. In der Nähe der Konsumenten zB ist eine täuschende Aussage, denn relevant wäre die Nähe der Weiterverarbeiter (also der industriellen Grossbäckereien), usw.
Das wirkt wie ein Fanboy-Artikel, Journalistisch ist er aber nicht