Rund 40 Berufsschüler der HKV Schaffhausen mussten vergangene Woche während mindestens zwei Stunden in verschiedenen Schweizer Städten den Knorrli machen und Schlüsselanhänger verteilen. Das Ganze als Abschluss einer Exkursion zum Mutterunternehmen Unilever in Thayngen. Eine kostenlose Werbemassnahme als Teil eines pädagogischen Konzepts, aufgegleist von einem Berufsschullehrer und einer Marketingfachfrau von Unilever.
Das stösst auf viel Kritik. «Es ist zwar positiv, wenn Schulen die Theorie am lebendigen Objekt demonstrieren. Aber wenn dabei ein einzelnes Unternehmen profitiert, ist das problematisch», sagt Ewald Ackermann, Mediensprecher des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes. PR für ein Unternehmen sei heikel und möglichst zu vermeiden. Ausserdem: «Im Knorrli-Kostüm Schlüsselanhänger verteilen? Da tendiert der Erkenntnisgewinn ja gegen null!», so Ackermann.
Noch deutlicher formuliert die Gewerkschaft Syna die Kritik. Das Besichtigen eines Lehrbetriebs und ein kurzer Arbeitseinsatz zu Lernzwecken sei zwar zulässig und wünschenswert, sagt Vizepräsident Mathias Regotz. «Da dem Herumhampeln im Knorrli-Kostüm aber keinerlei Lern- oder Ausbildungseffekt zu entnehmen ist, handelt es sich dabei um nichts anderes als tatsächliche Arbeit für Unilever», so Regotz.
Lehrlingen dürften gemäss Bundesgericht nur beruflich sinnvolle Aufgaben übertragen werden. «Für Syna ist es stossend, wenn eine Berufsfachschule Lehrlinge einem Grossunternehmen für Gratisarbeit zur Verfügung stellt und damit Unterrichtszeit, die eigentlich der Ausbildung dienen soll, missbraucht», so Regotz. Die Jugendlichen seien berechtigt, für die Stunden im Knorrli-Kostüm bezahlt zu werden.
Unia-Sprecher Philipp Zimmermann fügt an: «Generell ist es wichtig, dass die Jugendlichen sich wehren können, wenn sie das Gefühl haben, sie würden nichts lernen oder sogar für andere Zwecke missbraucht werden.» Lehrlinge sollten deshalb ihre Rechte kennen und sich im Zweifelsfall an die Unia-Jugend, den Lehrbetrieb oder die regionale Gewerkschaft wenden, so Zimmermann.
Unilever geht nun auf Abstand zur HKV Schaffhausen. «Wir führen solche Projekte nicht durch, es sei denn, jemand kommt mit diesem Wunsch auf uns zu, so wie in diesem Fall die HKV Schaffhausen», sagt Mediensprecher Konstantin Bark. Die Promo-Aktion im Knorrli-Kostüm sei Teil eines Rundherumpakets gewesen, das mit der Schule konzipiert worden sei. «Deshalb sahen wir es auch nicht als unsere Aufgabe, den pädagogischen Wert zu hinterfragen», so Bark. «Wir würden uns in Zukunft aber wohl überlegen, das letzte Element anders zu konzipieren», so Bark.
Die HKV Schaffhausen steht nach wie vor zur Promo-Aktion. Wie der zuständige Lehrer gegenüber watson sagt, seien zwei Firmenbesuche pro Semester Teil des Lehrplans und würden deshalb auch zukünftig durchgeführt werden. Die Knorrli-Arbeit habe zum pädagogischen Konzept der Exkursion gehört, um den Schülern Marketing näher zu bringen. Ausserdem seien die Lehrbetriebe einverstanden gewesen. Wie HKV-Direktor René Schmid bereits zuvor gegenüber watson bestärkte, habe es deshalb keinen Anlass gegeben, die Knorrli-Aktion zu hinterfragen. Das Feedback sei durchweg positiv gewesen.
Auch das Erziehungsdepartement des Kantons Schaffhausen sieht keinen Handlungsbedarf. «Berufsschulen haben eine enge Beziehung zu Betrieben, die Lehrlinge ausbilden», sagt Departementssekretär Roland Moser. Auch wenn der pädagogische Sinn der Knorrli-Aktion hinterfragt werden könne, habe sie doch einen gewissen Erfahrungswert.