Kalifornien atmet auf, zumindest ein wenig. Monatelang hat der US-Bundesstaat, der seit Jahren unter einer Rekord-Dürre leidet, auf Regen gewartet. Jetzt ist er endlich da. Anfang Dezember schüttete es so heftig, dass es örtlich zu Überschwemmungen kam, und für die nächsten Tage sagen die Wetterberichte ähnliches voraus. Die Behörden warnen vor Hochwasser, starkem Wellengang, schweren Regenfällen und Schlammlawinen an Hügeln, die zuvor von Waldbränden heimgesucht wurden.
Allein: Die Dürre ist so extrem, dass auch Kurzzeit-Sintfluten kaum Linderung bringen. «Um auch nur eine kleine Wirkung zu haben, bräuchten wir viele Unwetter dieser Art – und das mindestens mehrere Monate lang», sagte Mark Johnson vom National Weather Service der USA. Normalerweise würden derartige Regenmengen die Flüsse und am Ende auch die Trinkwasserreservoire anschwellen lassen. «Aber der Boden ist so trocken, dass er die Feuchtigkeit einfach schluckt», meint Anthona Artusa von der US-Wetterbehörde NOAA.
Neue Studien haben in den vergangenen Tagen das ganze Ausmass der Dürrebedrohung verdeutlicht. Daniel Griffin vom renommierten US-Meeresforschungsinstitut Woods Hole und Kevin Anchukaitis von der University of Minnesota haben die aktuelle Dürre in Kalifornien mit denen früherer Zeiten verglichen. Ihr Ergebnis: Die Jahre 2012 bis 2014 waren die trockensten seit 1200 Jahren.
Die beiden Forscher haben die Ringe von Blaueichen analysiert, die auch extreme Trockenheit überstehen können. Deutlich zeichnen sich Dürren in ihren Jahresringen ab. Griffin und Anchukaitis haben diese Daten mit denen der NOAA und der Columbia University in New York kombiniert und so die Regenfälle in der Region bis zurück ins 13. Jahrhundert rekonstruiert.
Dabei habe sich zwar gezeigt, dass auch die aktuelle Dürre an sich nicht besonders ungewöhnlich ist, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt «Geophysical Research Letters». Doch die geringen Niederschläge träten diesmal mit lang anhaltender Rekordhitze zusammen auf. Erst so sei es zum 1200-Jahres-Rekord gekommen.
«Davon waren wir wirklich überrascht», meint Griffin. Die aktuelle Dürre «scheint schlimmer zu sein als jede andere Spanne von aufeinanderfolgenden Jahren pausenloser Trockenheit». Die Ergebnisse weisen nach Meinung der Forscher darauf hin, dass die natürlichen Klimaschwankungen vom Einfluss des Menschen verstärkt werden – und dass «heisse Dürren» wie die derzeitige in Zukunft häufiger vorkommen könnten. «Eine einfache Modellierung in unser Studie deutet darauf hin, dass die Rekordhitze die Trockenheit von 2012 bis 2014 um rund 36 Prozent verschärft haben könnte», sagt Griffin.
Für Kalifornien sind das keine guten Nachrichten. Schon bisherige Studien legten nahe, dass die aktuelle Trockenperiode – die bereits seit etwa 15 Jahren andauert – nicht etwa eine bizarre Ausnahme, sondern eher der Normalfall sein könnte. So ergab bereits eine 2007 erschienene Baumring-Analyse, dass der Südwesten der USA zwischen den Jahren 850 und 1300 gleich zwei Megadürren erlebte. Eine davon dauerte fast 200 Jahre. Die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts sei dagegen eine der beiden niederschlagsreichsten Perioden der vergangenen 1200 Jahre gewesen.
Die grösste Befürchtung von Experten ist, dass Kaliforniens Klima nun wieder zu früheren Verhältnissen zurückkehrt. Und das wäre nur die natürliche Schwankung. Der menschengemachte Klimawandel könnte die Lage noch verschärfen – und diese Befürchtung scheint die neue Studie von Griffin und Anchukaitis nun zu bestätigen. «Es gibt keinen Zweifel», erklärt Anchukaitis, «dass wir in eine Zeit eintreten, in der menschliche Einflüsse auf das Klima das Ausmass von Dürren und ihre Folgen mitentscheiden.»
Benjamin Cook von der University of Columbia, der nicht direkt an der Studie beteiligt war, äussert sich ähnlich. «Dass der Boden 2014 trotz eines eher moderaten Regendefizits so trocken war, ist eines der bisher besten Indizien für eine Verstärkung von Trockenheit durch den jüngsten Erwärmungstrend», sagte Cook der Website «Climatecentral.org».
Und die Erwärmung wird aller Voraussicht nach anhalten: Nach Angaben des UNO-Klimarats IPCC wird das Klima in Kalifornien in den kommenden Jahrzehnten heisser werden als alles, was der Bundesstaat in seiner Geschichte erlebt hat. Insbesondere die Zahl der Hitzewellen und der aufeinanderfolgenden trockenen Tage wird wahrscheinlich steigen. Solche Extreme sind insbesondere für die Landwirtschaft bedrohlich: Sind die Pflanzen erst verdorrt, hilft auch kein Regenguss mehr.
Eine von der NOAA finanzierte Studie, die nur wenige Tage nach der Untersuchung von Griffin und Anchukaitis erschien, macht zwar vor allem natürliche Schwankungen für die aktuelle Dürre in Kalifornien verantwortlich. Allerdings schreiben auch die Experten von NOAA, Nasa und der Columbia University, dass die vom Menschen in die Luft geblasenen Treibhausgase künftige Dürren weiter verschärfen könnten.
Zudem bezog sich die NOAA-Studie auf ganz Kalifornien, während Griffin und Anchukaitis sich auf Süd- und Zentralkalifornien konzentrierten. Und genau dort könnten die Folgen am gravierendsten sein. Im zentralen Tal des Westküstenstaats wird auf einer Länge von 700 Kilometern das meiste Obst und Gemüse in den USA produziert. 80 Prozent aller Mandeln der Welt kommen aus dem Central Valley. Mehr als 40 Milliarden Dollar bringt der Verkauf der Agrarprodukte aus dem «Golden State» jährlich ein.
Das gelingt schon jetzt nur mit künstlicher Bewässerung, die durch die Dürre massiv zugenommen hat. Die Folge: Die Grundwasserpegel sind dramatisch gesunken, die Region zehrt seit Jahren von ihren Wasserreserven. Nun drohen durch den Klimawandel womöglich noch extremere Dürren.
Dass die vergangenen drei Jahre die trockensten der vergangen 1200 Jahre waren, bezeichnete Park Williams von der Columbia University als «robustes Ergebnis».
«Schon wenn diese Periode unter den Top 10 gewesen wäre, wäre das bereits eine große Sache gewesen», so Williams. «Kalifornien sollte die Daumen drücken, dass das ein Ausreisser war.»