Wissen
History

Wie König Edmund auf dem Abort ermordet wurde – oder auch nicht

Wie König Edmund auf dem Abort ermordet wurde – oder auch nicht

05.07.2020, 12:3606.07.2020, 07:38
Daniel Huber
Mehr «Wissen»

Der Mörder wartete in der Jauchegrube. Als König Edmund II. von England, genannt «Ironside» («Eisenseite»), am 30. November des Jahres 1016 den Abort aufsuchte, um «einem Ruf der Natur zu folgen», wie ein Chronist erzählt, stach der Attentäter zu. Zweimal rammte er sein Mordwerkzeug in die «niederen Teile» des Königs, liess es dann im Leib des Sterbenden stecken und machte sich davon.

Edmund's Death
Battle of Assandun from Life of St. Edward the Confessor, Cambridge Univ. Library, MS Ee.3.59
https://mercedesrochelle.com/wordpress/wp-content/uploads/2014/02/ashingdon-Life-of-St ...
Edmund, auf dem Abtritt gepfählt, haucht sein Leben aus. Bild: life of st edward the confessor, cambridge univ. library

Der infame Anschlag, der das Leben Edmunds vorzeitig beendete, fand ziemlich sicher nicht so statt. Verbürgt ist aber, dass Edmund Ironside tatsächlich am Tag des heiligen Andreas 1016 starb. Sein Tod, gewaltsam oder nicht, ebnete dem dänischen König Knut dem Grossen den Weg, dem nun die Herrschaft über ganz England zufiel.

Erbe in schwierigen Zeiten

Edmund Ironside war nur gerade sieben Monate lang König von England gewesen. Der Sohn von König Æthelred hatte sein Erbe in schwierigen Zeiten angetreten. Schon sein Vater, der den wenig schmeichelhaften Beinamen «the Unready» («der Unberatene», «der Unfertige») trug, hatte während seiner Herrschaft den ständigen Angriffen der dänischen Wikinger kaum etwas entgegenzusetzen. 1013 musste Æthelred sogar vor dem dänischen König Sven Gabelbart ins normannische Exil flüchten. Erst nach dessen Tod 1014 rief ihn der Witan, der Rat der englischen Würdenträger, nach England zurück.

Æthelred von England, Miniatur in der Chronik von Abingdon
https://de.wikipedia.org/wiki/Æthelred_(England)#/media/Datei:Ethelred_the_Unready.jpg
Æthelred the Unready. Bild: Wikimedia

Doch Sven Gabelbarts junger Sohn Knut, der von Æthelred vertrieben worden war, sammelte in Dänemark ein grosses Heer und landete im Sommer 1015 mit mehr als 200 Schiffen erneut in England. Bald hatte er den grössten Teil des Landes erobert und belagerte Æthelred in London, wo dieser im April starb. Nun riefen die Londoner Edmund zum König aus, während der Witan in Southampton Knut zum König proklamierte. Mit Hilfe Edmunds widerstand London vorerst den Dänen, und Edmund konnte einige kleinere Gefechte gegen die Invasoren gewinnen, was ihm den Beinamen «Ironside» eintrug. Doch dann kam es am 18. Oktober zur Entscheidungsschlacht von Assandun, die mit einer verheerenden Niederlage Edmunds endete.

Zweikampf der Könige

Edmunds geschlagenes Heer zog sich dem Bristolkanal und dem Severn entlang zurück, die Dänen folgten. Der Legende nach trafen Edmund und Knut auf Olney Island im Severn aufeinander, wo es aber statt zu einer weiteren Schlacht zu einem Zweikampf der beiden Könige um die Herrschaft kam. Als Edmund auf Knut einschlug und den Dänen so hart bedrängte, dass dessen Schild brach, rief Knut plötzlich: «Warum sollte jeder von uns sein Leben für eine Krone aufs Spiel setzen? Lass uns Brüder durch Adoption sein und das Königreich aufteilen!»

Ironside battles Canute, this illustrates the actual history the play is based on. From the Chronica Majora of Matthew Paris, in the Parker Library, Cambridge.
https://en.wikipedia.org/wiki/Edmund_Iro ...
Der Zweikampf zwischen Edmund (l.) und Knut. Bild: Wikimedia

In der Tat kam es zu einem Ausgleich zwischen Edmund und Knut – während Edmund nur über Wessex herrschte, fiel Knut der gesamte Rest Englands zu. Zur Vereinbarung gehörte zudem, dass jeder der beiden Könige beim Tode des anderen die Herrschaft über das ganze Reich übernehmen sollte. Genau dies geschah denn auch nur einen Monat später, als Edmund – womöglich auf dem Abort gemeuchelt – das Zeitliche segnete. Nun gelangte auch Wessex unter die Herrschaft Knuts, der fortan fast 20 Jahre lang ein grosses Nordseereich regierte, das auch Dänemark, Südschweden und Norwegen umfasste.

Battle of Assandun from Life of St. Edward the Confessor, Cambridge Univ. Library, MS Ee.3.59
https://mercedesrochelle.com/wordpress/wp-content/uploads/2014/02/ashingdon-Life-of-St-Edward-the-Confesso ...
Der Ablauf der Ereignisse auf einem Bild, von links nach rechts: Edmund und Knut bei der Schlacht von Assandun und beim Bruderkuss, der ihren Friedensvertrag besiegelt, Edmunds Tod auf dem Abort.Bild: Life of St Edward the Confessor, Cambridge Univ. Library

Eadric, der Verräter

Edmunds Tod war vielleicht eine Folge von Verwundungen, die er sich sechs Wochen zuvor in der Schlacht von Assandun zugezogen hatte. Durchaus möglich ist auch, dass er an einer Krankheit starb. Die zeitgenössischen Chronisten erwähnen keinen Mord – erst später brachte man Edmunds frühes Ableben mit einem Mann in Verbindung, der als einer der grössten Schurken der frühen englischen Geschichte gilt: Eadric of Mercia, genannt Eadric Streona.

Eadric war aus niedrigen Verhältnissen zum Ealdorman von Mercia aufgestiegen, hatte für König Æthelred missliebige Adlige aus dem Weg geräumt und dessen Tochter Eadgyth geheiratet, was ihn zum Schwager Edmunds machte. Nach der Invasion der Dänen wechselte er mehrmals die Seiten, wurde von Edmund aber wieder aufgenommen – vielleicht, weil er sein Schwager war, vielleicht aber auch, weil Edmund seine Truppen dringend brauchte. Bei der Schlacht von Assandun verriet Eadric Edmund aber erneut. Er zog mitten im Gefecht seine Truppen ab und ermöglichte so den entscheidenden dänischen Sieg.

Eadric, der von späteren Chronisten für eine ganze Reihe von Schandtaten verantwortlich gemacht wurde, sollte auch die Schuld an Edmunds Tod tragen: Eadrics Sohn sei es gewesen, der in seinem Auftrag dem König in der Jauchegrube auflauerte, berichtete der bedeutende englische Geschichtsschreiber Henry of Huntingdon etwa hundert Jahre später. Und Huntingdon beschreibt auch, welchen Lohn der verräterische Ealdorman am Ende erhielt. Als Eadric König Knut aufsuchte und sich der Beseitigung Edmunds rühmte, erwiderte Knut: «Als Belohnung für deinen grossen Dienst werde ich dich höher machen als alle englischen Adligen!» Dann liess er Eadrics Haupt abschlagen und auf einer Stange auf dem höchsten Turm Londons anbringen.

Knut lässt 1017 Eadric enthaupten.
https://vikinghistorytales.blogspot.com/2016/05/1017-eadric-streona-was-killed-at.html
Knut lässt Eadric enthaupten. Bild: vikinghistorytales.blogspot.com

Nur wenige Jahre später kam das Aus für die Wikinger in England:

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Wikinger-Kurs: Kochen, schmieden, kämpfen
1 / 7
Wikinger-Kurs: Kochen, schmieden, kämpfen
Der bärtige Herr heisst Jeppe Garly und will seinen Studenten beibringen, wie die Wikinger kochten, schmiedeten und kämpften.
(Bild: Seljord Folkehøgsku)
Auf Facebook teilenAuf X teilen
So läuft ein Wikinger-Festival in Schottland ab
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
24 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
05.07.2020 13:14registriert Juni 2016
Das erinnert mich 🤏 an die Lennisters 🤣
748
Melden
Zum Kommentar
avatar
Ihre Dudeigkeit
05.07.2020 14:57registriert März 2014
Darum immer Türe and abschliessen auf dem stillen Örtchen. 👆
653
Melden
Zum Kommentar
avatar
Thomas Oetjen
05.07.2020 13:09registriert Dezember 2017
Das Mörderwerkzeug stecken lassen? Wie unvorsichtig. Da Kriegen sie ihn ja wegen den Fingerabdrücken.
262
Melden
Zum Kommentar
24
Michael Schüppach, der Emmenta­ler Wunderarzt
Mit seinen teilweise unkonventionellen Methoden machte sich Michael Schüppach im 18. Jahrhundert weit über die Grenzen des Emmentals hinaus einen Namen als Wunderarzt und Bergdoktor.

Dichter Johann Wolfgang von Goethe und sein Begleiter Herzog Carl August staunten nicht schlecht, als sie am 17. Oktober 1779 vor dem «… sehr merckwürdig und sehr dicken…» Michael, auch Michel genannt, Schüppach standen. Den vielgerühmten Wunderarzt hatten sie sich doch etwas anders vorgestellt. Dazu kam, dass der Mann an jenem Tag schlechte Laune hatte. Er litt unter Verdauungsproblemen und Marie Flückiger, seine Frau, war abwesend. Sie war es auch, die dem «Bergdoktor» zur Hand ging und als Übersetzerin fungierte, wenn Französisch sprechende Kranke kamen.

Zur Story