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Darum kann ein Chefarzt in einer Genossenschaftswohnung hausen

In drei Jahren fehlen in der Schweiz über 50'000 Wohnungen. Das prognostizieren Immobilien-Spezialisten. Der Mieterverband hat nun eine brisante Forderung: Der Wohnraum pro Person soll so beschränkt w ...
In drei Jahren fehlen in der Schweiz über 50'000 Wohnungen. Das prognostizieren Immobilien-Spezialisten. Der Mieterverband hat nun eine brisante Forderung: Der Wohnraum pro Person soll so beschränkt werden, dass pro Wohnung höchstens ein Zimmer mehr als die Anzahl Bewohner vermietet wird. Für bürgerliche Politiker ist das ein massiver Eingriff in die Eigentumsreche.Bild: Keystone

Darum kann ein Chefarzt in einer Genossenschaftswohnung hausen

Er wohnt mitsamt Familie seit 16 Jahren in einer grossen Baugenossenschaftswohnung und zahlt einen Schnäppchenpreis verglichen mit seinem Einkommen als Chefarzt. Wer hat in Zürich Anrecht auf eine Genossenschaftswohnung und wie wird das kontrolliert?
04.09.2023, 03:3804.09.2023, 07:50
Nina Burri / ch media
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Ein Zürcher Chefarzt wohnt in einer riesigen Wohnung der Baugenossenschaft Zentralstrasse auf über 200 Quadratmetern und auf drei Stockwerken in einem Reihen-Einfamilienhaus. Und das für knapp 2200 Franken monatlich. «USZ-Klinikdirektor knackt Jackpot» titelt das Portal Inside Paradeplatz.

In gemeinnützigen Wohnungen leben überdurchschnittlich viele Familien, alleinerziehende Personen und Haushalte mit tiefen und mittleren Einkommen. Die Mieten in Genossenschaftswohnungen sind je nach Wohnort und Wohnungsgrösse bis zu 36 Prozent tiefer als in nicht gemeinnützigen Wohnungen. Gehört ein Chefarzt mit grossem Einkommen hierhin?

Gute Konzepte entscheidend

«Es ist sinnvoll, den immer knapper werdenden bezahlbaren Wohnraum zielgerichtet zu vermieten», sagt Walter Angst, Leiter Kommunikation des Mieterverbands Zürich auf Anfrage von ZüriToday. Dass ein gut situierter Haushalt in einer solchen Genossenschaftswohnung lebe, dürfte laut Angst ein Einzelfall sein. Solche Einzelfälle seien angesichts der 65'000 gemeinnützigen Wohnungen, die es in Zürich gibt, auch kein Problem. Wichtig sei vielmehr, dass die Genossenschaften gute Vermietungskonzepte entwickeln, die Menschen eine Chance geben, die keine Wohnung finden.

Lohnverhältnisse werden nicht mehr kontrolliert

Ob es sinnvoll ist, der Familie eine Vereinbarung vorzuschlagen, könne nur die Baugenossenschaft entscheiden. Die grosszügigen Reiheneinfamilienhäuser seien Anfang der 2000er-Jahre erstellt worden. Die Stadt Zürich habe Baugenossenschaften damals dazu gedrängt, grosse und attraktive Wohnungen zu erstellen.

Bei der BGZ, der Baugenossenschaft Zentralstrasse, handle es sich um eine nicht-subventionierte Baugenossenschaft und nicht um eine Mietergenossenschaft. Das heisst: «Es braucht keine besonderen Voraussetzungen, um eine Wohnung bei der BGZ zu mieten», sagt der Chefarzt zu Inside Paradeplatz. Anders als bei subventionierten Wohnungen wird hier nur am Anfang des Mietverhältnisses der Lohn kontrolliert, danach nicht mehr.

«Das dürfte ein Einzelfall sein»

«Der Mieterinnen- und Mieterverband findet es richtig, dass Genossenschaften auf Belegungsvorschriften achten – auch während der Mietdauer», sagt Walter Angst. Damit gewährleiste man, dass die Siedlungen durchmischt sind und an Haushalte vermietet werden, die auf zahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Die Vermietungspraxis der Baugenossenschaft sei ihm nicht bekannt.

Vermietung nach gemeinnützigen Kriterien

In der Stadt Zürich sind 41'100 Wohnungen im Besitz von Wohnbaugenossenschaften, vermelden die Wohnbaugenossenschaften Schweiz, der Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger. Weitere 14'500 Wohnungen befinden sich im Besitz der Stadt Zürich und werden ebenfalls überwiegend nach gemeinnützigen Kriterien vermietet.

Die BGZ sagt gegenüber «20 Minuten» zum vorliegenden Fall, dass ihnen die Hände gebunden seien. Man setze deshalb auf die Eigenverantwortung der Anwohnerinnen und Anwohner: «Wir sind darauf angewiesen, dass die Mieterinnen und Mieter, die viel verdienen, freiwillig ihre Wohnungen hergeben.»

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